Eschenbacher: «Zarco gehen zu lassen, war ein Fehler»
Johann Zarco im Gespräch mit Marcus Eschenbacher
Crew-Chief Marcus Eschenbacher war zuletzt zwei Jahre lang für Aprilia-Werksfahrer Aleix Espargaró im Einsatz. 2019 wechselte der Deutsche in das Red Bull KTM-Werksteam, wo er mit Johann Zarco zusammenarbeitet.
Der zweifache Moto2-Weltmeister feierte auf der Tech3-Yamaha in den vergangen zwei Jahren insgesamt sechs Podestplätze in der «premier class», ein Sieg fehlt ihm aber noch. Von der Spitze ist er auf der KTM allerdings noch ein gutes Stück entfernt – der Umstieg fiel dem Franzosen alles andere als leicht: Die ersten Testfahrten im November 2018 beendete er nur auf den Rängen 21 (Valencia) und 19 (Jerez). Beim Saisonauftakt auf dem Losail International Circuit reichte es immerhin für Platz 15 – und den ersten WM-Punkt des Jahres.
Eschenbacher, der Cheftechniker des KTM-Neuzugangs, spricht im Interview unter anderem über die Arbeit mit Johann, den Vergleich zum zweiten Werksfahrer, Pol Espargaró, und die Bedeutung des Tech3-Teams, das 2019 ebenfalls zu KTM gewechselt ist.
Marcus, was hat dazu geführt, dass du zu KTM gegangen bist?
Ich war zu Beginn des Projekts bei Aprilia, wir haben ein ziemlich gutes Niveau erreicht. Aber für mich war es interessant, das Projekt zu wechseln und eine andere Sicht zu bekommen. KTM hat mich schon immer interessiert, weil es es ein Werk ist, das in Mitteleuropa zu Hause ist. Sie sind sehr innovativ und haben eine großartige Vision vom Rennfahren. Dann kam ich mit Mike Leitner ins Gespräch, wir haben gesehen, dass es für mich eine Möglichkeit gab, am Projekt RC16 mitzuarbeiten, was mich sehr interessiert hat. Das war die Hauptmotivation für mich, eine andere Seite kennenzulernen.
Was dachtest du von Johann, als er noch eine Yamaha fuhr?
Ich sah, dass sie einen großen Fehler gemacht haben, als sie ihn gehen ließen. (Er schmunzelt.) Ehrlich, weil er ein sehr smoother und präziser Fahrer ist. Ich glaube, sie haben einen sehr Guten verloren, das muss ich sagen.
Wie läuft die Arbeit mit Johann?
Er kam natürlich von einem Motorrad, das anderes konzipiert ist. Seine Idee von dem, was das Bike machen und wie es sich anfühlen muss, ist speziell. Zunächst mussten wir ihn verstehen und dafür sorgen, dass er das Gefühl bekommt, das er braucht, um das Bike richtig zu fahren. Er geht sehr analytisch vor und ist sehr präzise. Und er ist – wie kann ich das am Besten sagen – talentiert. Er pusht sich selbst auch hart, um uns ein gutes Feedback zu geben. Es macht Freude, mit ihm zu arbeiten.
Johann war auf der Yamaha ein potentieller Sieganwärter, bei den ersten Testfahrten mit KTM landete er in der Mitte des Feldes. Was kannst du machen, um ihm dabei zu helfen, die RC16 zu verstehen? Und was kann er euch erklären, damit ihr euer Motorrad besser versteht?
Natürlich versuchen wir, das Verhalten des Motorrads so anzupassen, dass er auf der Strecke ruhig und präzise sein kann, wie er sich das wünscht. Er gibt uns den Input, wo wir suchen müssen und ob wir eine Schritt in die richtige Richtung gemacht haben oder nicht. Das ist absolut hilfreich und richtig zu tun.
Johann sagt, du gehst als Chefmechaniker sehr methodisch vor, indem du immer nur einen Parameter veränderst, um sicher zu sein, in welche Richtung es geht. Warum?
Es ist sehr einfach, sich zu verlieren bei einer MotoGP-Maschine, an der du Tausende Parameter verändern kannst. Um die richtige Richtung zu finden, ist es manchmal besser, nur einige wenige Dinge zu verändern und dabei zu wissen, was man tut – anstatt viel zu verändern, mit einem unklaren Ergebnis. Auch für Johann: Wenn wir eine Sache verändern, die wichtig genug ist, damit er es spürt, dann kann er uns ein besseres Feedback geben. Wenn wir viele kleine Dinge verändern, ist es sehr schwierig, präzise zu sagen, was die Veränderungen am Bike bewirken.
Bei Tech3 hat Johann öfters betont, dass er sich nicht zu viel in den technischen Aspekten verlieren will, dass er einfach sein Feedback geben und den Crew-Chief arbeiten lassen will. Was sind die Vorteile dieser Methode? Ist das okay für dich?
Ja, aber – um ehrlich zu sein – glaube ich, dass Johann ein ziemlich gutes technisches Verständnis hat. So gut, wie es sein muss. Dann sagt er: 'Bitte Jungs, analysiert das.' Manchmal sitzen wir aber auch zusammen über den Daten und er zeigt uns den Bereich, wo er etwas fühlt. Er ist eigentlich ziemlich gut, wenn es um technische Dinge geht. Aber er geht nicht in die Details, während er das Bike fährt oder wir etwas testen.
Johann hat auch erklärt, dass die Aggressivität von Pol Espargaró ein Limit darstellt, das verhindert, dass das Motorrad gewinnen kann. Sind die Daten von Pol für eure Arbeit trotzdem relevant?
Pol hat einen gewissen Fahrstil, weil er Pol ist, und Johann hat seinen eigenen Stil, weil er Johann ist. Natürlich schau ich mir ab und zu die Daten von Pol an, weil es interessant ist, wie er an die Dinge herangeht und wie er seinen Stil einsetzt, um wirkungsvoll zu sein. Das ist natürlich immer sehr interessant. Wir verstehen dabei auch, wie Johanns Stil ist, um mehr Informationen über das Motorrad zu sammeln. Wenn du zwei Top-Fahrer hast, dann wirst du sie hinter den Kulissen immer vergleichen.
KTM ist erst das dritte Jahr in der MotoGP-WM und gab den Werksfahrern immer eine Menge an Teile zum Testen, neben dem Testteam, das jetzt aus Kallio und Pedrosa besteht. Kann das Tech3-Team dem offiziellen Team helfen?
Es ist immer gut, wenn du mehr Bikes am Start hast, weil du mehr Daten sammeln kannst und mehr Chancen hast, um Dinge zu testen. Tech3 hat zwei gute junge Fahrer: Ich glaube, dass Oliveira ein wirklich guter Junge ist. Hafizh [Syahrin] hat auch Erfahrung mit der Yamaha, ich glaube, dass uns jeder Fahrer helfen kann. Wir schätzen das.
Pol Espargaró fuhr im Regen von Valencia auf das Podest. Wann ist die RC16 deiner Meinung nach im Stande, im Trockenen zu gewinnen?
Das ist schwierig zu sagen, wir müssen sehen, wie die Saison läuft, aber hoffentlich vergeht nicht zu viel Zeit.