MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Exklusiv: Jean-Michel Bayle wird Betreuer von Zarco

Von Günther Wiesinger
Johann Zarco strauchelt seit November mit der widerspenstigen KTM RC16. Dabei ist sein Fahrkönnen absolut unbestritten. Jetzt soll Motocross-Legende Jean-Michel Bayle für einen Umschwung sorgen – auch auf mentaler Ebene.

Bei Tech3-Yamaha hatte Zarco 2018 nach vier Rennen 58 Punkte auf dem Konto, er war damals Zweiter in Las Termas und in Jerez, Achter in Katar und Sechster in Austin. Er kam als WM-Leader nach Le Mans zu seinem Heim-GP – und fuhr dort die Pole-Position heraus. Jetzt hat Zarco nach vier Grand Prix sieben WM-Punkte im Gepäck.

In Argentinien verpasste Johann 2018 seinen ersten MotoGP-Sieg gegen Cal Crutchlow um 0,251 sec, in Jerez gegen Màrquez um 5,2 sec. Dann stellte er die Tech3-Yamaha in Le Mans beim Heim-GP auf die Pole-Position, er wollte dort unbedingt seinen ersten MotoGP-Sieg erringen – und scheiterte nach einem Sturz.

Vielleicht griff der Franzose damals so vehement an, weil er bereits einen KTM-Werksvertrag für zwei Jahre unterschrieben hatte und ahnte, dass mit der RC16 nicht so rasch in solche Spitzenpositionen vorstoßen werde können.

Seit einigen Wochen kann Zarco (er bestreitet heute den Montag-Test in Jerez) seine Enttäuschung über die Schlagkraft der KTM nur noch mit Mühe verbergen. Im FP1 in Jerez war erstmals deutlich zu hören, wie er bei laufenden TV-Kameras schimpfte. Er sprach von einem «shit chassis» und einer «shit power delivery». Die Szene landete auf Twitter, wurde aber bald wieder gelöscht.

Schon in Katar und Texas war der Umgangston des WM-Sechsten in der Box von 2017 und 2018 ziemlich laut geworden. Auch Crew-Chief Marcus Eschenbacher stand in der Kritik.

Dass die Kraftentfaltung noch eine Schwachstelle der KTM ist und dieses Motorrad mit mehr Kraftaufwand als eine benutzerfreundliche M1-Yamaha gefahren werden muss, ist kein Geheimnis. Deshalb kommen und kamen die Rookies wie Quartararo und vorher Zarco und Folger mit der M1 so glänzend zurecht, auch Morbidelli ist bei Petronas-Yamaha deutlich stärker als 2018 mit der Honda RC213V.

Zarco vergleicht den Kraftaufwand sogar mit Motocross-Rennen.

Ing. Kurt Trieb, erfolgreicher Motoren-Konstrukteur bei KTM, ist sich bewusst: «Wir müssen unseren Motor fahrbarer machen, damit sich auch MotoGP-Rookies rascher und besser auf der KTM zurechtfinden.»

Bisher kitzelt nur Pol Espargaró das Maximum aus der RC16 heraus, er fährt das dritte Jahr für KTM, aber in Jerez war auf Platz 13 Endstation. Zarco wurde gestern 14.

Wir erinnern uns: Zarco und Syahrin (er eroberte als Rookie 2018 vier Top-Ten-Ergebnisse) waren letztes Jahr auf den Yamaha M1 des Tech3-Teams unterwegs.

KTM hat 2017 in Jerez schon die Big-Bang-Motoren gebracht, seit Misano 2018 treten die Werksfahrer auch mit der gegenläufigen Kurbelwelle an, mit der Mika Kallio 2018 in Jerez bereits auf Platz 10 gelandet ist. Aber die Entwicklung Richtung Fahrbarkeit ist noch lange nicht zu Ende.

«Wir sind bei diesem Projekt erst im dritten Jahr», betont KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer. «Und wir haben nicht mehr dieselben Privilegien wie einst die Open-Class-Teams mit vier Liter mehr Sprit, weicheren Hinterreifen, viel mehr Motoren pro Fahrer und so weiter.»

2014 und 2015 durften die Open-Class-Teams (sogar Ducati) zwölf Motoren verwenden, 24 statt 20 Liter Sprit, die siegreichen Werke wie Honda und Yamaha nur fünf Motoren pro Fahrer und Saison.

Ducati konnte also mehr entwickeln, im Rennen mehr Power einsetzen und den Rückstand rascher aufholen.

Aber in Texas freute sich KTM vor drei Wochen über ein beachtliches Ergebnis: Pol Espargaró brauste vom fünften Startplatz los – und sicherte sich im Rennen Platz 8.

Wer ist Jean-Michel Bayle?

Jetzt will das Red Bull KTM Factory Team auch Johann Zarco näher an das Leistungsniveau des Spaniers heranführen.

«Pit Beirer hat den zweifachen Motocross-Weltmeister Jean-Michel Bayle als Betreuer für Johann Zarco engagiert», erzählte der KTM-Vorstandvorsitzende Stefan Pierer gestern in Jerez im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com.

Die heute 50-jährige französische Motocross-Legende und Publikumsliebling des Supercross von Paris Bercy gewann die 125-ccm-Cross-WM 1988 und die 250er-WM 1989, dann siegte Bayle als erster Europäer in der US Supercross Championship. Danach wechselte JMB in den Straßenrennsport, was damals immenses Aufsehen erregte.

Bayle trat im Aprilia-250-Werksteam zu Zeiten von Max Biaggi von 1993 bis 1995 an. Dann fuhr er im Kenny-Roberts-Team von 1996 bis 2002 in der «premier class» auf Yamaha und auf Modenas.

2006 stieg Bayle in den Tourenwagensport ein, er fuhr in Frankreich auf Opel. 2007 nahm er mit einem Mitsubishi Lancer noch an Rallye-Wettbewerben teil und errang Klassensiege in der Gruppe N.

Heute ist der Superstar aus der Provence immer noch extrem fit, er erklimmt mit seinem TREK-Rennrad die höchsten Berggipfel. Bayle soll Zarco körperlich und mental wieder in Bestform bringen.

Die Nummer 5 durchlitt nämlich schon 2016 in der Moto2 und 2018 in der MotoGP im Sommer phasenweise unerklärliche wochenlange Schwächephasen, es fehlte offenbar an Motivation und Selbstvertrauen.

Bayle kann auch als Riding Coach wirken. Er hat in der 250er-WM 14 Top-Ten-Plätze erreicht und mit vierten Plätzen 1994 in Frankreich und England seine besten Einzelergebnisse.

In der Königsklasse errang JMB 17 Top-Ten-Ergebnisse. 1996 glänzte der großgewachsene als Neunter der 500-ccm-WM.

Voraussichtlich werden wir die GP-Rückkehr von Bayle bereits in zwei Wochen Le Mans erleben.

KTM hat auch in der US Supercross-Championship erst Erfolge gefeiert, als neben dem fünffachen Motocross-Weltmeister Roger DeCoster mit Aldon Baker auch ein Toptrainer engagiert wurde.

Inzwischen gewannen KTM und Husqvarna in den USA fünf Supercross-WM-Titel in Serie. Die ersten drei mit Ryan Dungey auf KTM, 2018 triumphierte Jason Anderson auf der oberösterreichischen Zweitmarke Husqvarna.

Der Titelgewinn gestern mit Copper Webb in Las Vegas bedeutete den 300. WM-Titelgewinn in der KTM-Firmengeschichte.

Das heißt: Für den ersten Titelgewinn von KTM sorgte der Russe Gennadi Moissejew in der 250-ccm-Cross-WM im August 1974 in Wohlen/Schweiz. Den 300. WM-Titel räumte ein Amerikaner ab.

Das ist gelebte Volkerverständigung.

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