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Pit Beirer (KTM): «Eine Explosion an Emotionen»

Von Günther Wiesinger
Johann Zarco

Johann Zarco

Red Bull-KTM-Werkspilot Johann Zarco trat in Jerez ins Fettnäpfchen. Inzwischen wurden die Wogen geglättet. «Wir sind ein Team und werden aus diesem Wellental herausfinden», sagt KTM-Rennchef Pit Beirer.

Beim Jerez-GP kam es zu einem Eklat, weil Johann Zarco nach dem FP1 am Freitag im Zusammenhang mit der KTM RC16 von einem «shit chassis» und einer «shit power delivery» sprach. Pit Beirer und Teammanager Mike Leitner sprachen dann Klarttext mit dem Franzosen, der 2018 als WM-Zweiter mit 58 Punkten zum Heim-GP kam, jetzt mit 7 Punkten – und als WM-Neunzehnter.

KTM-Firmenchef Stefan Pierer machte in Jerez aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er verlieh seiner Enttäuschung über Zarcos Performance im SPEEDWEEK.com-Interview deutlich Ausdruck. Aber inzwischen wurden die Wogen geglättet. KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer blickt zuversichtlich in die Zukunft. «Wir werden die Probleme an unserem Motorrad bis zur Jahresmitte lösen», verspricht der KTM-Stratege.

Pit, es gab in den letzten zwei Wochen einigen Wirbel wegen der Aussagen von Johann Zarco im FP1 in Jerez. Konnten die Wogen jetzt vor dem wichtigen Heim-GP des Franzosen halbwegs geglättet werden?

Ja, wenn man den Johann kennt, dann weiß man: Sobald seine Emotionen wieder herunten sind, ist er ein total anderer Mensch.
Wir haben jetzt einen ersten Schritt gemacht. Es wurde Jean-Michael Bayle verpflichtet, damit er einen Gesprächspartner hat, der ihn etwas runterholt, wenn es stressig wird.

KTM-Chef Stefan Pierer erklärte in Jerez, die Performance von Zarco sei eine Enttäuschung. Vorstand Hubert Trunkenpolz stellte fest, Zarco habe durch dich und Teamchef Mike Leitner am Samstag eine Verwarnung bekommen.

Die Stimmung in Jerez war von Anfang an ein bisschen vergiftet.
Stefan Pierer hat das Herz am rechten Fleck. Unser Vorstandsvorsitzender steht emotional so stark hinter dem Sport und der Firma. Klar, in Jerez hat er ein paar klare Aussagen getroffen und Kritik geübt an Zarco und an unsere Moto2-Performance. Das ist sein gutes Recht.

Es war natürlich ein fataler Start ins Wochenende. Stefan Pierer leitet eine Riesenfirma. Wenn er zweimal oder dreimal im Jahr zu einem Grand Prix kommt, will er sich eigentlich vom ganzen Stress der Arbeitswoche entspannen und erholen.

Eigentlich ist es mein Job, ihm mit dem Rennsport Freude zu machen. Wenn er dann bei einem GP-Besuch am Freitagnachmittag in Jerez ins Fahrerlager kommt und ihm die Journalisten gleich Videos unter die Nase halten, wo dein MotoGP-Fahrer abfällig über dein Motorrad redet, dann geht so ein Wochenende gleich einmal unlustig los.

Wenn ein so hochwertiger Mitarbeiter wie Johann Zarco mit Stammtischparolen über dein Motorrad und ein Baby lästert, kommt es zu einer kleinen Explosion an Emotionen, die zum jetzigen Zeitpunkt völlig unnötig ist. Wir lieben ja alle dieses Projekt und dieses MotoGP-Motorrad. Deshalb tun solche Aussagen einfach allen Beteiligten weh.

Es war ja für KTM keine leichte strategische Entscheidung, als wir uns vor fünf Jahren zum kostspieligen Einstieg in die MotoGP-WM entschieden haben. Wir rätseln manchmal, wenn wir in geselliger Runde beisammen sitzen, wer bei Stefan Pierer den größeren Anteil an Überredungskunst hatte. Meistens kommen wir zur Ansicht, Vorstand Hubert Trunkenpolz, Heinz Kinigadner und ich seien daran zu ziemlich gleichen Teilen schuld.

Johann Zarco hat sich brav entschuldigt und Reue gezeigt. Ist jetzt alles vergessen? Schwamm drüber?

Ja, denn was ist denn passiert? Johann versucht ja irgenwie einen Weg zu finden, wie er mit unserem Motorrad schneller fahren kann. Das steht außer Zweifel. Dass wir gegenüber unseren Top-Konkurrenten noch Schwächen am Fahrzeug haben, das wissen wir auch.

Nach dem Jerez-GP sah es so aus: Johann Zarco will nicht, und KTM kann nicht. Das ist völliger Schwachsinn. Denn Johann weiß genau, wo er ansetzen muss, um seinen Fahrstil ein bisserl zu ändern. Er muss uns ein Stück weit entgegenkommen. Wir haben aber natürlich auch verstanden, dass wir ihm das Fahrgefühl geben müssen, das er braucht. Darum bemühen wir uns täglich.

Johann tut genau das, was wir von ihm verlangen, und stürzt dabei.
Dann kommt er zurück in die Box und trägt eine Kamera auf seinem Helm, auf die er vergessen hat.

Er darf von mir aus so mit uns reden. Ich will ja die Wahrheit hören und keinen Blumenstrauß. Wir wollen ja besser werden. Aber bei solchen Aussagen muss nicht unbedingt eine Fernsehkamera dabei sein.

Denn so wurde diese Aktion live innerhalb von zehn Sekunden live an unseren Vorstandsvorsitzenden weiter übertragen. Dann sind die Emotionen hoch gekocht.

Meine Aufgabe ist es, jetzt wieder Ruhe reinzubringen.
Wir müssen also alle einen halben Schritt zurücktreten und uns auf das besinnen, was wir eigentlich vorhaben.

Fakt ist: Unser Motorrad ist noch nicht dort, wo es hingehört, und Johann weiß, er muss bei seinem Fahrstil ein bisschen was verändern, um unser Motorrad so zu nutzen, wie es funktionieren kann.

Auf diesem Weg gibt es viele kleine Möglichkeiten. Er stellt zum Beispiel sein Training um. Er hat mit Jean-Michel Bayle einen neuen Betreuer engagiert. Wir haben bei KTM in letzter Zeit an der Technik bereits einiges verändert, um seinem Fahrstil entgegenzukommen.

Jetzt müssen wir mit kleinen Schritten aus der Ecke rauskommen.
Denn das irgendetwas nicht in Ordnung ist, zeigen die Ergebnisse.

Johann fährt weit unter seinem Niveau. Also müssen wir ihm jetzt helfen, damit wir auf das Level zurückkommen, auf das er hingehört.

Es hat keinen Sinn, mit der großen Keule jetzt irgendwem die Schuld zuzuweisen.

Wir sind ein Team und eine Mannschaft und müssen aus diesem Wellental gemeinsam herausfinden.

Wir werden bei KTM mit Johann Zarco noch viel Freude haben. Aber das wird noch eine Zeit brauchen.

Es werden auch jetzt am Wochenende in Le Mans noch nicht alle Probleme gelöst sein. Aber wir werden sie mit Jahresmitte lösen. Davon bin ich 100-prozentig überzeugt.

Du hast in Texas erwähnt, KTM werde massiv ins Motorrad eingreifen, man baue neue Schwingenlängen für Zarco und werde den Steuerkopfwinkel ändern. Aber man werde aus der KTM keine Yamaha machen. Ing. Trieb erklärte, man müsse auch die Fahrbarkeit des Motors weiter verbessern.

Ja, in der MotoGP fehlen uns an ganz guten Tagen 0,5 Sekunden. Wenn sich Pol Espargaró gut fühlt und wenn alles passt.

Aber wir müssen beim Chassis besser werden, bei der Suspension, die Elektronik und beim Motor. Dann können die Fahrer den nächsten Schritt gehen.

Wir versuchen, jeden Bereich und jedes Teil anzugreifen und zu verbessern, um Johann zu helfen.

Aber es ist offensichtlich, dass sich die KTM deutlich von seinem Vorgänger-Bike unterscheidet.

Unsere Ideen, wie wir Johann ab Texas weg helfen wollten, haben nicht gereicht. Das haben die Ergebnisse in Jerez gezeigt. Punkt.
Jetzt müssen wir weiter arbeiten.

Ich werde die Schuld daran auf keinen Fall beim Johann abladen.
Ich habe mit ihm in Jerez kritische Gespräche geführt. Ich will das nicht Verwarnungen nennen.

Es ist von beiden Seiten zu früh, dieses Projekt aufzugeben. Man sieht jedoch ab und zu, dass er den Kopf hängen lässt und frustriert an sein Gerät marschiert. So werden wir die Probleme nicht lösen.

Johann muss da mit uns gemeinsam durch, das haben wir besprochen. Und wir werden in Le Mans einen neuen Anlauf starten.

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