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Stefan Pierer: «Zarco ist eine große Enttäuschung»

Von Günther Wiesinger
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte: Stefan Pierer in Jerez, links neben ihm Pit Beirer

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte: Stefan Pierer in Jerez, links neben ihm Pit Beirer

«Wir wollten, dass sich Johann Zarco und Pol Espargaró gegenseitig pushen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das tut mir wirklich weh», sagt KTM-Chef Stefan Pierer. Sogar eine vorzeitige Trennung scheint möglich.

Das österreichische Red Bull KTM Factory Team hat sich für die dritte MotoGP-Saison einstellige Ergebnisse eingefahren. Ursprünglich lautete die Zielsetzung des Vorstandsvorsitzenden Stefan Pierer für das erste Fünf-Jahres-Programm noch etwas optimistischer.

Bei der Red Bull KTM Factory-Teamvorstellung in Munderfing am 20. Februar 2017 legte Pierer folgenden Marschplan für die MotoGP-Klasse fest. «Wir wollen im dritten Jahr in der Königsklasse am Podest schnuppern und im vierten oder fünften Jahr um Siege und um den WM-Titel fighten, wobei das natürlich auch von der Qualität der Fahrer abhängen wird», erklärte der KTM-Vorstandsvorsitzende vor zwei Jahren.

Nach den ersten zwei MotoGP-Jahren mit Pol Espargaró und dem nicht immer auf gleichem Niveau agierenden Bradley Smith wurde der Sensationsmann Johann Zarco für 2019 und 2020 statt Smith engagiert. Aber der Moto2-Weltmeister von 2015 und 2016 und MotoGP-WM-Sechste von 2017 und 2018 hat Mühe mit der Umstellung von der benutzerfreundlichen M1-Yamaha auf die widerspenstige und kräfteraubende KTM RC16.

Letztes Jahr kam Zarco mit der Tech3-Yamaha als WM-Leader mit 58 Punkten zum Heim-GP in Le Mans, diesmal ist er WM-Neunzehnter – und hat karge sieben Punkte im Gepäck.

Zarco wirkte nach dem Ende des Sepang-Tests im Februar zwischendurch recht zuversichtlich, auch was das Vertrauen zum Vorderreifen betraf, er fuhr dort einmal sogar die elftbeste Zeit. Aber inzwischen ist er wieder in der Versenkung verschwunden – nur Startplatz 18 in Jerez. Er sprach am Freitag nach dem FP1 in der Box von einem «shit chassis» und einer «shit power delivery». Leider wurde diese Szene von einer TV-Live-Kamera und einem Mikrofon eingefangen.

Zarco erhält bei KTM eine Millionengage, und die Österreicher boten ihm als erster Hersteller nach der Saison 2017 einen Werksvertrag für die MotoGP-WM an. Suzuki hingegen ließ einen Vorvertrag platzen – und entschied sich für Alex Rins. Und das Repsol-Honda-Angebot kam zu spät – erst nach den Traumzeiten von Zarco bei den Wintertests in Buriram und Doha 2018.

Kein Wunder, wenn bei KTM (am Sonntag gewann Supercross-Star Cooper Webb den 300. WM-Titel für diese Marke) angesichts der nicht gerade konstruktiven Kritik des vermeintlichen Teamleaders wenig Begeisterung aufkommt. Motorsport-Direktor Pit Beirer hatte Zarco schon nach dem Katar-GP erklärt, dass man aus der KTM mit dem V4-Motor keine Yamaha machen werde (die hat einen Reihenmotor) und dass er auch seinen Fahrstil anpassen müsse.

Der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer zeigt sich ungehalten, als er von SPEEDWEEK.com auf das Thema Zarco angesprochen wird.

«Johann Zarco hat sich in unserem Umfeld sehr negativ geäußert», schilderte KTM-Vorstand Hubert Trunkenpolz. «Aber er hat dann am Samstag in Jerez eine sehr deutliche Ansprache von unserer Teamführung bekommen. Man hat ihm nahegebracht, was bei uns geht und was nicht geht.»

Herr Pierer, wie schätzen Sie die aktuelle Situation von KTM in der MotoGP-WM ein? Pol Espargaró hat viermal gepunktet, er ist WM-Elfter. Aber Johann Zarco hat bisher enttäuschend abgeschnitten?
 
 

Wir sind im dritten Jahr. Es ist entsprechend hart.

Sehr positiv ist, dass Pol sehr gut drauf ist, gesund ist und einen guten Job macht. Das ist ganz positiv.

Was mich auch sehr freut: Neuling Miguel Oliveira hat sich in der MotoGP-Klasse schnell mit der KTM zurechtgefunden. Deshalb haben wir seinen Vertrag gleich verlängert.

Eine große Enttäuschung ist der Johann. Das tut mir wirklich weh, denn ihn haben wir engagiert, damit er und Pol sich gegenseitig pushen. Aber es ist das Gegenteil der Fall.

Zarco hat sich von seinem Manager getrennt, man kennt diese Geschichte. Und wenn ein Spitzensportler sein Umfeld nicht im Griff hat, hast du ein Problem.

Pit Beirer hat schon in Texas erzählt, der Ton in der Box von Zarco sei rau geworden. Am Freitag im FP1 in Jerez ist die Situation eskaliert. Es war heftige Kritik zu hören – sogar im Fernsehen.

Ja, nicht nur. Zarco hat am Samstag eine ausgefasst – von Pit Beirer und von Teammanager Mike Leitner.

Er ist einer von uns. Aber er ist komplett von der Rolle und wird jetzt härter in die Hand genommen. Ja.

Die KTM RC16 muss fahrbarer werden, das weiß auch Motoren-Konstrukteur Kurt Trieb. Aber Oliveira zeigt als Rookie, dass man auf gewissen Strecken für Lichtblicke sorgen kann. Wie kann man den zweifellos begnadeten Johann Zarco wieder in die richtige Spur bringen?

Johanns Engagement kam mit der Absicht zustande, dass er Pol unterstützt, damit wir mit zwei Topfahrern schneller an die Spitze kommen, wo wir hinwollen.

Jetzt ist aber Pol allein, und der andere ist ein Problemfall, der von einem Rookie überholt wird.

Da gibt es jetzt nur Sein oder Nichtsein.

Ich muss ganz klar sagen: Wir werden alles tun, um ihn in diesem Jahr nach vorne zu bringen. Es wurde bereits neue Material nach Zarcos Wünschen angefertigt. Pit Beirer hat jetzt auch Jean-Michel Bayle als Betreuer organisiert.

Aber wenn das nix wird, wird man sich am Saisonende zusammensetzen.

Schauen wir mal.

Zarco hat einen Vertrag für 2020. Es sind 2019 noch 15 Grand Prix zu fahren. Man wird in dieser Zeit aus der KTM keine Yamaha zaubern können, mit denen sich die Umsteiger leicht tun. Das wird vermutlich dauern.

Es existieren zwei Konzepte. Da gibt es Honda, Ducati und KTM mit dem V4-Konzept, das auch Aprilia hat. Für diese Motorräder brauchst du einen gewissen Fahrstil. Das heißt wirklich mutig sein und dann umlegen – und nicht rund fahren wie mit der Yamaha.

Yamaha hat wie Suzuki das Konzept mit dem Vierzylinder-Reihenmotor. Dort kommt ein Junger und kann gleich vorne mitfahren – zum Beispiel Quartararo und Rins.

Aber die Siege machen meistens die V4-Maschinen unter sich aus.

Bei Ducati hat es lange gedauert, bis nach Casey Stoner wieder ein Fahrer dieses Biest bändigen und siegen konnte – von 2010 bis 2016.

Wir sind im dritten Jahr. Wir müssen noch 4 bis 5 kg Gewicht runterbringen, die Elektronik bleibt ein Thema.

Und wir müssen daheim in der Entwicklungsabteilung noch schneller und effektiver werden, um die Mannschaft am Rennplatz noch besser zu unterstützen.

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