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Quartararo: Holpriger Aufstieg des Zauberlehrlings

Von Günther Wiesinger
Vor einem Jahr wurde das Petronas-Team belächelt, als statt Lorenzo oder Pedrosa das mutmassliche Talent Fabio Quartararo engagiert wurde. Jetzt ist den Kritikern das Lachen vergangen.

Wenn man erforschen will, warum Fabio Quartartaro nach dem zweifachen Gewinn der CEV Repsol-Moto3 Championship mit 14 und 15 Jahren in der Weltmeisterschaft 2015 und danach die hohen Ansprüche nicht erfüllte, stößt man auf mehrere Ursachen. Nach den ersten Rückschlägen in der Moto3-WM suchte Fabio nach Erklärungen und Ausreden, er fiel bei Teamchef Emilio Alzamora in Ungnade, in der Moto2 bei Sito Pons war es nicht anders.

Heute weiß man: Zauberlehrling Quartararo wurde nicht umsonst schon 2015 als «der neue Márquez» bezeichnet. Sein Vater Etienne hat beim Aufbau des Sohnes viel richtig gemacht, denn er hat nicht auf die Unterstützung des französischen Verbands FFM vertraut, sondern den Junior schon mit sieben Jahren nach Spanien befördert, wo dieser alle Nachwuchsserien bestritt und dominierte. Etienne war selbst 1981 französischer 125-ccm-Meister auf Morbidelli, er verfügte über ein nützliches Basiswissen.

Doch die Erwartungshaltung war gewaltig, bei Honda und beim Estrella Galicia 0,0-Honda-Team, wo vorher Alex Rins und Alex Márquez um den Titel gekämpft hatten. Mit kaum 16 Jahren konnte Fabio diese Ansprüche nicht auf Anhieb und überall erfüllen. Als er beim Le-Mans-GP 2015 nach der Pole-Position klagte, sein Motor sei nicht so kraftvoll wie jener des Teamkollegen Navarro, fiel er bei Alzamora in Ungnade. Das Verhältnis zum Teamchef bröckelte, das machte dem Jüngling arg zu schaffen. Dazu kam ein Knöchelbruch in Misano, Fabio musste auf einige Rennen verzichten, die Saison verlief alles andere als wunschgemäß.

Trotzdem gab es immer wieder fahrerische Highlights, zum Beispiel in Assen und Indianapolis.

Vater Etienne erlag für 2016 wohl dem Lockruf des Leopard-Gelds.  Fabio wurde bei Leopard-Honda-Teamkollege des überragenden Weltmeister Joan Mir.

Wer damals nach den Gründen für die nicht gerade überragende Performance des Ausnahmekönners forschte, bekam zu hören: Vater Etienne sorgt häufig für Unruhe, Fabio könne sich nicht konzentrieren, der frühe Erfolg sei ihm in den Kopf gestiegen, er ändere seine Meinung beinahe stündlich. Es war aber auch der Druck von HRC, der dem jungen Franzosen zu schaffen machte, Honda hatte große Pläne mit ihm, die jedoch im Sande verliefen.

Nach dem Reinfall mit Leopard, wo Technikchef Christan Lundberg von einem Desaster sprach, wurde Quartararo vom zweifachen 250-ccm-Weltmeister Sito Pons für die Moto2-WM 2017 unter die Fittiche genommen. Es war von einem Drei-Jahres-Vertrag für die Moto2-WM die Rede.

Doch auch bei Pons fand der Franzose nicht die gewünschte Nestwärme. Er klagte eine Weile lang, er müsse mit einem verbogenen Chassis fahren. Der sparsame Pons hatte damals nicht genug Sponsoren, seine spanischen Geldgeber bevorzugten spanische Fahrer. Auch der berühmte Crew-Chief Santi Mulero konnte nicht das Maximum aus Fabio Quartararo herauskitzeln.

Am Saisonende trennten sich die Wege, der Drei-Jahres-Vertrag wurde aufgelöst. Speed-up-Teambesitzer Luca Boscoscuro schenkte Fabio für 2018  das nötige Vertrauen, hier fand er die gewünschte familiäre Atmosphäre, die ihn jetzt auch bei Petronas-Yamaha umweht und beflügelt. Der Moto2-Fahrer siegte in Catalunya, schaffte Platz 2 in Assen, bekam dann den Yamaha-Vertrag und siegte in Motegi 2018 noch einmal. Doch dieser Sieg wurde gestrichen, weil sein Hinterreifen nach dem Rennen nicht 1,5 bar Luftdruck hatte, sondern 0,05 bar zu wenig.

Fabio hat an Reife gewonnen

Mit 20 Jahren hat Quartararo stark an Reife gewonnen, sein überragendes fahrerisches Talent ist sowieso nie in Frage gestellt worden. Dazu wirkt er heute freundlich, unkompliziert, mit 20 Jahren sehr erwachsen.

Und jetzt sorgt der Wunderknabe aus Frankreich, den sie bereits «Fast Fabio» nennen und der auf der Rückseite seines Leders «Il Diabolo» stehen hat, mit seiner privaten Yamaha Woche für Woche für Aufsehen.

Die Behauptung mancher Besserwisser, Quartararo fahre Rossi und den anderen Yamaha-Kollegen sogar mit einer 2018-Gebraucht-Yamaha um die Ohren, ist jedoch falsch. «Alle vier Yamaha-Fahrer verfügen über Motorräder des Jahrgangs 2019, die Unterschiede sind sehr gering», versicherte Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis in Assen im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Razlan Razali, Teamprinzipal bei Petronas Yamaha und gleichzeitig CEO des Sepang Circuit, ist von seinem Schützling hingerissen. «Dieser Junge ist einfach etwas Besonderes… Erst 20 Jahre alt, ein Rookie in der MotoGP, aber er hat uns schon drei Pole-Positions und zwei Podestplätze hintereinander beschert», frohlockte Razali nach dem Assen-GP.

Der Malaysier ging vor einem Jahr ein enormes Risiko ein, als er Fabio neben Morbidelli für die M1-Yamaha verpflichtete. Viele Journalisten verstanden nicht, warum er nicht Pedrosa, Lorenzo oder Bradley Smith nahm. Aber Dani wollte keine Rennen mehr fahren, Lorenzo hatte bei HRC ein besseres Angebot, Smith hat seine Chance bei Yamaha schon vier Jahre lang gehabt – von 2013 bis 2016 beim Tech3-Team.

Übrigens: Nach dem Mugello-GP, bei dem er «nur» auf Platz 10 landete, entschloss sich Fabio zu einer «arm pump»-Operation. Seither hat er das Podest quasi gepachtet. Nach Platz 2 in Assen kühlte er das Handgelenk mit einem Eisbeutel.

Auch Crew-Chief Diego Gubellini ist hellauf begeistert. «Mein Junge hat ein heldenhaftes Rennen abgeliefert», frohlockte der Italiener nach dem dritten Platz in Assen.

WM-Stand nach 8 von 19 Rennen:

1. Márquez 160. 2. Dovizioso 116. 3. Petrucci 108. 4. Rins 101. 5. Rossi 72. 6. Quartararo 67. 7. Viñales 65. 8. Miller 60. 9. Pol Espargaró 52. 10. Crutchlow 50. 11. Nakagami 48. 12. Morbidelli 45. 13. Aleix Espargaró 31. 14. Mir 30. 15. Lorenzo 19. 16. Iannone 18. 17. Zarco 16. 18. Oliveira 15.

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