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Risiko und Lohn in der MotoGP-WM: Wo ist die Grenze?

Kolumne von Michael Scott
Repsol-Honda-Star Marc Márquez lässt dem MotoGP-Zuschauer immer wieder den Atem stocken, zuletzt in Brünn. Das Spiel mit dem Risiko ist eine echte Gratwanderung – das erfuhr auch Mick Doohan.

Unnötig schnell? Der ein oder andere Spielverderber würde behaupten, dass sich das Rennfahren ausschließlich darum dreht: Wenn man es schon so eilig hat, wieder über Start-Ziel zu fahren, warum bleibt man dann nicht gleich dort?

Wir sollten diesen Ansatz aber nicht ganz verwerfen. Fest steht, dass es notwendig ist – vielleicht nicht einfach nur schnell – sehr wohl aber schneller als die anderen Fahrer zu sein. Zwei Dinge, die wir erst kürzlich in Brünn erlebten, haben mich daran erinnert: Das Erste war der große Mick Doohan, der fleißig Hände schüttelte und signierte Poster seines alten Arai-Helms verteilte (Falls noch jemand Interesse daran hat, ich hätte eines übrig).

Das Zweite war Marc Márquez, der im Brünn-Qualifying mit Slick-Reifen auf die feuchte Strecke ging. Damit war er nicht allein, auch Jack Miller, der Meister der gemischten Verhältnisse, wagte den Schritt. Aber Márquez sorgte für mehr Furore, als er der Gefahr und den physikalischen Gesetzen trotzte und eine souveräne Pole-Zeit hinlegte. Mission erfüllt.

Damit nicht genug, denn auch wenn in den letzten Kurven wieder leichter Regen einsetzte, zog er es gleich nochmal durch: Ganze 1,5 Sekunden schneller und um einiges angsteinflößender. Damit lag er unglaubliche 2,534 Sekunden vor dem Rest. Alle, die ihn dabei beobachteten, hielten den Atem an. Es war eine wahre Gratwanderung – und anscheinend nur um ihrer selbst willen.

Márquez selbst gab anschließend schmunzelnd zu, dass es unnötig schnell war: «Im Nachhinein realisiere ich, dass es – vor allem angesichts der Ausgangslage in der Weltmeisterschaft – zu viel Risiko war. Mein erstes Ziel waren eigentlich nur die ersten zwei Startreihen gewesen.»

Zurück in der Box hatte der 26-jährige Spanier eine Unterhaltung mit Repsol-Honda-Teammanager Alberto Puig, der selbst nur allzu gut weiß, was passiert, wenn diese Dinge schieflaufen. Marc hätte alles wegwerfen können – während er das Unnötige versuchte. Aber der WM-Leader hatte für die Skeptiker eine Antwort parat: «Es ist mein Ehrgeiz. Und meine Mentalität.»

Später fügte Márquez noch hinzu, dass die Tatsache, zu hohes Risiko einzugehen, «eine meiner größten Schwächen war, als ich noch jünger war.»

Unnötig schnell: Das Karriereende von Mick Doohan

Vor zwanzig Jahren, als auf den Rennstrecken noch die 500er-Zweitakter aufheulten, hatte der fünffache Weltmeister Doohan in Jerez einen Crash, der seiner Karriere ein Ende setzen sollte. Es geschah an einem Freitagnachmittag, bei gemischten Verhältnissen, auch wenn schon aufgehört hatte zu regnen. Auf Slicks kam er auf eine feuchte weiße Begrenzungslinie. Er flog gegen die Barriere und verletzte sich schwer. Danach fuhr er nie wieder Rennen.

Ich fiel bei ihm in Ungnade, weil ich noch am selben Wochenende schrieb, dass er «unnötig schnell» unterwegs war. Ich meinte damit, dass noch ein ganzer Qualifying-Tag anstand – mit guten Wetterprognosen – und sich die Startaufstellung sicher erst am Samstag entschied (damals zählten noch die Sessions an beiden Tagen).

Unabhängig davon war Doohan der dominierende Mann. Der Start in die Saison war für ihn mit einem vierten und einem zweiten Platz zwar nicht ideal verlaufen, während Kenny Roberts Junior zwei Siege gefeiert hatte – aber bei 14 ausstehenden Rennen war es für einen Fahrer seines Kalibers viel zu früh, um sich Sorgen zu machen.

In der darauffolgenden Woche erklärte der Australier einem Kollegen von seinem Krankenhausbett aus, dass «die Person, die das geschrieben hat, nichts vom Rennfahren versteht.»

Ich verstehe seinen Standpunkt. Aber wovon ich nichts verstehe, ist nicht das Rennfahren an sich, sondern vielmehr die Einstellung dieser wirklich außergewöhnlichen Champions, die man an einer Hand abzählen kann. Der unerschütterliche Killer-Instinkt, der nur den wenigen Ausnahmekönnern vorbehalten ist und über den bei weitem nicht alle Fahrer in der Startaufstellung verfügen. Kann das jemand wirklich verstehen – außer sie selbst?

Lohn und Risiko: Von Geoff Duke bis Marc Márquez

Von den ganz Großen galt Geoff Duke als smooth und zurückhaltend, Giacomo Agostini genauso. Das Risiko wurde streng kalkuliert. Das Motto von Mike Hailwood war immer, «mit möglichst geringem Speed zu gewinnen.»

Barry Sheene war mutig, ganz klar, aber er ging nie übermütiges Risiko ein: Seine vielen Verletzungen waren keine Folge seiner eigenen Fehler. Kenny Roberts ging ans Limit, aber er wirkte dabei nie unbesonnen. Wie Freddie Spencer das Motorrad kontrollierte, war magisch, aber nicht wahnsinnig. Und Rossi hatte nicht nur genug Talent, um das Siegen einfach aussehen zu lassen, sondern auch den Sinn dafür, aus jedem Rennen eine Show zu machen, anstatt einfach die Flucht nach vorne anzutreten. Wieder der möglichst geringe Speed.

Eine Ausnahme bildete vielleicht Jarno Saarinen. Es gibt erstaunliche Filmaufnahmen aus seinem 250er-Weltmeisterjahr 1972. Aber der Finne starb ohne Eigenverschulden, als er gerade erst in der 500er-Klasse angekommen war – und jedes Rennen, das er in der «premier class» zu Ende gefahren war, gewonnen hatte.

Márquez ist nicht der einzige kühne Fahrer im heutigen MotoGP-Grid – man denke nur an Cal Crutchlow, um einen zu nennen. Und die beiden Espargaró-Brüder, Miller... Wirklich besonders ist es aber, wenn der Drang nach Risiko mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten kombiniert wird. Und das Risiko bleibt immer Risiko – unabhängig davon, wie gut ein Fahrer ist.

Mick erwischte das Risiko auf dem falschen Fuß, Márquez auf dem richtigen. Bis jetzt. Einige Fahrer wägen Risiko und Lohn sorgfältig ab und treffen dann die entsprechende Entscheidung. Nicht immer ist es die richtige. Aber die Ausnahmekönner finden den Lohn im Risiko überhaupt erst.

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