Maverick Viñales: Yamaha bald mit «holeshot device»
Maverick Viñales
Honda experimentierte schon 2012 mit einem Holeshot-Device, Ducati setzte es 2018 mit Jack Miller in Motegi erstmals ein und ließ die Werksfahrer Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci und Miller 2019 bei fast allen Grand Prix mit diesem System losfahren. Mit dieser Startvorrichtung wird das Federbein blockiert, es knickt beim Lospreschen nach dem Start also nicht ein, es verringert die Wheelie-Neigung.
Im Motocross-Sport ist diese Apparatur gemeinhin als «holeshot device» bekannt. Sie gehört dort zum guten Ton, hat aber eine unterschiedliche Auswirkung – sie nimmt beim Motocross Einfluss auf die Vordergabel. Bei Ducati wird hingegen mit einer mechanischen Hebelvorrichtung das Federbein betätigt.
Jetzt erzählte Yamaha-Werksfahrer Maverick Viñales, dass auch Yamaha an einem «holeshot device» arbeitet. Der Spanier erzählte den Kollegen von TMCBlog.com, an der M1 werde so eine Startvorrichtung voraussichtlich beim Sepang-GP (7. bis 9. Februar) erstmals getestet. Kein Wunder: Denn sogar Aprilia rückte seit Brünn 2019 damit aus. Aber die Italiener blockieren die Gabel, es handelt sich also um ein nicht sehr aussichtsreiches System.
Viñales verlor 2019 in der Startphase meistens wertvolle Plätze, deshalb ist der Start bei Yamaha mehr in den Fokus gerückt. Weil Maverick in den ersten Runden oft zurückfiel, verlor er auf die Chance auf einen Podestplatz oder einen Sieg. «Ich glaube, wir haben beim Motorrad einen guten Kompromiss gefunden. Seit August sind wir auf fast allen Strecken schnell. Unser Chassis ist fantastisch. Unser Top-Speed ist nicht der Beste, aber damit können wir leben», meint der Spanier.
Viñales weiter: «Für mich hat Vorrang, dass wir die Starts verbessern. Alle Yamaha-Fahrer verlieren beim Start kostbare Positionen. Deshalb arbeitet Yamaha an einer Startvorrichtung. Entweder an so etwas, wie es die Gegner haben – oder an einen eigenen System. Wir bemühen uns, es in Sepang testen zu können. Wir haben zwei Ziele für 2020: Wir müssen die Starts verbessern und versuchen, im Top-Speed etwas aufzuholen.»
Honda hat mit so einer Vorrichtung in der MotoGP-WM schon vor zwölf Jahren experimentiert. Aber damals wurde wie beim Motocross die Gabel abgesenkt. In der Superbike-WM kam das «holeshot device» bei Honda zum Einsatz, als sich HRC zuletzt um diese Rennserie kümmerte. Auch in der BSB wurde damit gefahren.KTM-Teammanager Mike Leitner kennt die Schwachstelle des damaligen Systems. «Der Clou bei diesen Startvorrichtungen, die ich kenne: Sie machen ein Motorrad schwerfälliger. Beim Motocross stehen und starten alle auf einer Linie. Es geht nur darum, wer aus dem Startgatter besser herausschießt. Wenn die Gabel aber beim GP-Start durch einen mechanisch betätigten Hebel abgesenkt wird, wird das Manövrieren der Rennmaschine schwerfällig. Wenn du zum Beispiel in der vierten Reihe losfährst und unmittelbar nach dem Start einem Vordermann ausweichen musst, musst du eventuell mit so einer Startvorrichtung Nachteile in Kauf nehmen.»
Das hat auch Gigi Dall’Igna, der schlaue Fuchs, mitbekommen. Deshalb hat er das alte Honda-System nicht nachgeahmt – und sein «launch device» statt mit der Gabel mit dem Federbein hinten verknüpft. Als das System 2018 bei Miller mehrmals zu sehen war, hat sich niemand so richtig darum gekümmert. Beim Sepang-Test Sepang und beim Doha-GP 2019 war das System auch beim Werksteam an den GP19-Maschinen von Dovizioso und Petrucci in Betrieb. So sprach es sich herum…
«Bei den Motocross-Motorrädern ist es üblich, dass man beim Start vorne für den Start die Gabel zusammendrückt, um den Schwerpunkt runterzukriegen, das geht bei den Motocross-Bikes mechanisch. Da musst du wirklich einen Haken einhaken», bestätigt Ing. Sebastian Risse, der Head of Factory Road Racing bei KTM. «Das geht bei einer MotoGP-Startprozedur nicht. Ducati hat sich irgendetwas ausgedacht, was das den Fahrer machen lässt. Denn laut Reglement darf nur der Fahrer mechanisch in das Fahrwerk eingreifen. Ich habe mir das System von außen einmal angeschaut. Ich würde mir wie Mike Leitner auch vorstellen, dass eine MotoGP-Maschine schwerfälliger wird, wenn du die Gabel runterdrückst. Es kommt darauf an, wie das System ausgelöst wird. Irgendwo muss man es ja nach dem Start auch wieder deaktivieren.»
Welchen Vorteil hat eine Absenkung des Schwerpunkts beim Start? Ing. Risse: «Grundsätzlich ist es so: Je weiter du den Schwerpunkt absenkst, desto härter kannst du beschleunigen und desto höher ist das Wheelie-Limit. Aber dafür musst du auch den richtigen Schritt tun. Da geht es nicht um drei Millimeter, sondern um einiges mehr.»
KTM-Ingenieur Sebastian Risse. «Wir haben bei KTM mit Startvorrichtungen schon 2010 am Superbike experimentiert. So gesehen brauchten wir nichts nachzubauen. Aber so ein System erhöht Gewicht und Komplexitiät und kann in einigen Situationen Probleme verursachen, was die Manövrierfähigkeit und Fahrstabilität angeht. Die Entwicklung des ‚holeshot device‘ verfolgen wir aber natürlich aufmerksam.»
Gigi Dall’Igna, General Manager von Ducati Corse, widersprach nicht, als sich SPEEDWEEK.com bei ihm erkundigte, ob die Startvorrichtung bei der GP19 auf das Federbein statt auf die Gabel einwirke.
Der «launch button» ist nichts anderes als eine simple große Drehschraube auf der linken Seite der Gabelbrücke, die der Fahrer mit der linken Hand betätigt. Diese Startvorrichtung sollte im Regelfall bereits beim Anfahren zur ersten Kurve deaktiviert werden.
Ein ähnliches System mit so einem mechanischen «pull rod» (Zugstange) wurde in der MotoGP-Klasse auch schon probiert, um beim heftigen Bremsen das Federbein hinten abzusenken und so ein Abheben des Hinterrads zu verhindern.
Jack Miller erlebte aber wegen des «holeshot device» 2019 in Silverstone bange Momente. «Ich hatte nach dem Start meine Probleme. Ich bin gut gestartet, aber dann ließ sich mein ‚holeshot device‘ vor der ersten Kurve nicht deaktivieren. Mein Bike war also tiefergelegt, so bin ich durch die ersten drei Kurven getuckert… Ich saß auf der Ducati wie auf einem Chopper. Ich tat alles, um das blockierte Federbein wieder in Aktion zu bringen, in dieser Phase sind die Gegner links und rechts an mir vorbei geflitzt. Das war nicht ideal.»
Jack Miller versicherte, er habe bis zum British Grand Prix bisher noch nie Probleme mit dem «holeshot device» gehabt. «Denn auf solchen Pisten wie Silverstone verwende ich es normalerweise nicht, weil dort die erste Kurve zu nahe am Startplatz ist… In Phillip Island kann man deshalb diese Startvorrichtung auch nicht einsetzen… Als sich das Ding dann nicht ausschalten ließ, war es ziemlich furchterregend, besonders bei der schnellen Anfahrt zum Turn 3. Ich war dann mit meinem Chopper bei 300 km/h unterwegs und bremste dauernd ein bisschen, um die Blockade des Federbeins zu lösen. Am Ende musste ich weit neben der Ideallinie ein Stoppie fabrizieren und das Problem auf diese Weise lösen.»