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Pit Beirer (KTM): «Stehen da, wo wir hingehören»

Von Nora Lantschner
Die KTM-Werksmaschinen von Pol Espargaró und Brad Binder für die MotoGP-Saison 2020

Die KTM-Werksmaschinen von Pol Espargaró und Brad Binder für die MotoGP-Saison 2020

Red Bull KTM ist bereit für das vierte Kapitel in der MotoGP-WM. «Das Einser-Team ist absolut platziert und strukturiert», unterstrich KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer.

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer zog anlässlich der MotoGP-Teamvorstellung, die am Dienstagabend in virtueller Form vollzogen wurde, eine Zwischenbilanz und blickt auf die anstehende WM-Saison voraus.

KTM geht 2020 in die vierte Saison in der Königsklasse MotoGP: Pol Espargaró (28), 2019 mit 100 Punkten WM-Elfter, bekam im Red Bull-KTM-Werksteam den Moto2-Vizeweltmeister Brad Binder (24) zur Seite gestellt. Bei Red Bull KTM Tech3 werden Miguel Oliveira (25) und Iker Lecuona (20), ein zweiter Rookie, aufgeboten.

Pit, wie wurde die MotoGP-Struktur von Grund auf erschaffen? Und wie hat sie sich seither entwickelt?

Es ist natürlich so, dass wir im Off-Road-Sport wirklich, man kann sagen, jahrzehntelange Erfahrung haben und unsere Serienmotorräder auch sehr nah an den Rennmotorrädern sind. Wir haben also eine sehr große Entwicklungsabteilung, die schon mal ein wahnsinnig gutes Serienmotorrad auf die Beine stellt. Von dort übernehmen wir und gehen dann Rennen fahren. Das war so ein Spiel, das sich über Jahre gegenseitig gepusht hat, weil alles was wir im Rennsport erfahren haben, geht natürlich zurück in die Entwicklungsabteilung. Dort werden gute Motorräder gebaut. Wir veredeln sie ein bisschen für unsere Rennfahrer, stimmen sie genau ab, bauen das Ganze auf.

Auf der Straße war es für uns schon absolutes Neuland. Der erste große Unterschied ist, dass wir nicht – wie in der Rallye oder im Enduro oder im Motocross – auf ein Serienmotorrad aufbauen können, sondern du baust wirklich einen Prototypen. Hier haben wir sehr viel gelernt, beim Einstieg in die Moto3 Weltmeisterschaft 2012, weil wir dort dann zum ersten Mal darauf angewiesen waren, unser eigenes Rennmotorrad zu bauen. Dass das die Grundlage werden sollte, um später ein MotoGP Team aufzubauen, haben wir natürlich damals nicht gewusst. Aber im Rückblick war genau das einer der wichtigsten Schritte überhaupt, als wir das Moto3-Projekt aufgebaut haben, indem wir wirklich gesagt haben: Wir machen alles hier zu Hause am Standort in Mattighofen, heute in Munderfing, um wirklich das Wissen hier im Haus zu haben und darauf aufzubauen.

Wir haben natürlich, seit wir das Thema MotoGP einfach in unseren Köpfen mal ans Tageslicht gebracht haben, uns eigentlich ständig verändert. Wir hatten noch nicht einen Moment im Projekt, wo man sagen kann – ich nehme jetzt wieder Motocross als Beispiel – wir lassen das Team wie es ist, es ist ein Winning-Team, es ist der richtige Fahrer.

Wir mussten uns hier ständig verändern. Wir haben aus der anfänglichen Moto3-Truppe ein MotoGP-Team geformt. Das Test-Team von 2016 wurde dann zum GP-Team. Als diese Mannschaft Rennen gefahren ist, brauchten wir im Hintergrund ein neues Test-Team. Als das Rennteam wirklich Flügel bekommen hat und jetzt mal zwei Jahre in der Weltmeisterschaft dabei war, während im Hintergrund ein Test-Team gelaufen ist, haben wir uns nach zwei Jahren ein Satelliten-Team ins Haus geholt, um mit ihm sehr eng zusammenzuarbeiten, um einfach auch vier Fahrer zu haben, die wertvolle Daten bringen, sich gegenseitig pushen und ergänzen.

Das hat uns aber wieder an die Leistungsgrenze gebracht, weil wieder alle Lagerkapazitäten, alle Herstellungsmöglichkeiten von Material, unsere Lieferanten, alle wurden wieder ans Limit gepusht. Ich würde sagen: Im Moment haben wir eigentlich die maximale Flughöhe erreicht.

Denn das Einser-Team ist absolut platziert, strukturiert, super Leute im Team. Wir haben ein Satelliten-Team, das in der kurzen Zeit nach einem Jahr schon nicht irgendein Satelliten-Partner ist, sondern das ist Freundschaft, es ist ein Team, das ist «Ready to Race», das sind wir. Da hat man nicht mehr das Gefühl, man redet über einen Fremden, sondern die reden jetzt schon über uns als KTM, über uns als Gemeinschaft.

Im Hintergrund hat sich das Test-Team nochmal ein bisschen neu formiert. Wir konnten mit Dani Pedrosa einen absoluten Edelhelfer ins Haus holen. Gleichzeitig wurde hier überall noch an strategischen Stellen die Mannschaft ein bisschen umgeformt. Wie gesagt, das Wort Flughöhe gefällt mir eigentlich ganz gut.

Ich habe das Gefühl, jetzt ist so eine Größe erreicht, jetzt können wir anpacken, jetzt wurde das Motorrad auf eine sehr gute Basis gestellt. Wir schaffen es erstmalig, vier Fahrer mit dem gleichen Material auszurüsten.

Dani Pedrosa und Mika Kallio werden im Hintergrund weiter permanent testen, sie haben exklusiv ihr Test-Team, können mindestens einmal im Monat irgendwo auf eine Strecke und das ganze Bike weiterentwickeln. Wir sind jetzt langsam in so einem Rhythmus, wo wir mit dem Test-Team wirklich vorarbeiten können.

Wir haben in Valencia nach dem Rennen am Dienstag zum ersten Mal eigentlich ein Bike rausgeschoben, das sechs, sieben Monate Entwicklungszeit hatte. In der ganzen Zeit davor sind wir eigentlich von Rennen zu Rennen gefahren und haben neue Teile direkt wieder an der Strecke ans Motorrad geschraubt.

Somit hat sich jetzt schon sehr viel verändert und wir stehen jetzt eigentlich auf einer stabilen Basis, um die nächsten zwei Jahre in dieser Liga wohl mit voller Kraft anzugehen.

Der permanente Einstieg von KTM in die MotoGP erfolgt in der Saison 2017. Wie steht es nach drei Jahren in diesem hoch kompetitiven Umfeld um das Projekt?

Ich würde sagen, wir stehen ziemlich genau da, wo wir hingehören. Alles ander, was drüber wäre, wäre einfach vermessen. Wir haben alles auf eine Karte gesetzt und sind da jetzt mit 100 Prozent Unterstützung der Firma, des gesamten Vorstands reingestartet.

Und es lief am Anfang extrem schwer. Dann kamen die ersten Erfolge natürlich relativ schnell. Dann war eine gewisse Euphorie zu spüren, aber Mike und ich waren nie ganz so euphorisch, weil wir wussten, wir haben vielleicht den ein oder anderen WM-Punkt bekommen, weil vielleicht fünf Fahrer gestürzt sind oder weil irgendwas passiert ist. Aber, dass die Kurve nicht einfach so steil weitergeht, das war uns schon klar. Und somit war die dritte Saison schon ein hartes Brot für uns, in der Form, dass wir einfach auch verletzte Fahrer hatten zum falschen Zeitpunkt und das nächste Entwicklungsteil dann nicht am Rennen glänzen konnte, weil die Fahrer gerade nicht fit waren oder so. Hier haben wir natürlich jetzt im dritten Jahr schon nicht alles auf die Rennstrecke gebracht, was wir uns vorgenommen haben.

Aber es ist einfach normal in der Liga, weil die anderen Werke pushen natürlich genauso mit maximaler Kraft, haben einen enormen Entwicklungsvorsprung, Erfahrungsvorsprung
und da gibt es einfach keinen Shortcut.

Es wäre vermessen nach drei Jahren MotoGP davon zu träumen, dass du hier die ganz Großen wirklich herausforderst. Es macht uns natürlich unheimlich Spaß, wenn wir sie ab und zu ein bisschen ärgern können und auch ein bisschen die Öffentlichkeit auf uns aufmerksam machen.

Wir standen in der ersten Reihe in Misano, das ist natürlich ein Highlight. Aber das wir auch brauchen, weil es sind so viele Leute im Hintergrund, die da oft Tag und Nacht ganz, ganz hart dafür arbeiten für diesen Erfolg und auch dran glauben, dass wir das Projekt ganz nach vorne bringen. Das tun wir natürlich.

Der Mike Leitner und ich an der Frontlinie, wir sind ja völlig überzeugt, aber wir werden auch ein bisschen Zeit brauchen und deshalb sind so kleine Erfolge, wie erste Reihe Misano oder der sechste Platz in Le Mans, das sind natürlich schon die Highlights, wo man dann sieht: Okay, es ist machbar. Man kann da hinkommen. Aber genauso kriegst du natürlich dann die Woche drauf wieder irgendwie eine drüber gebraten, weil es halt dann doch nicht so funktioniert und, weil uns die Erfahrung fehlt, weil wenn dann alles passt, die Temperatur zum Motorrad passt, der Fahrer gerade einen guten Tag hat, da können wir glänzen.

Nächste Woche bei ganz anderen Bedingungen wird es vielleicht wieder schwieriger. Und das sind natürlich jetzt die Aufgaben, die jetzt kommen müssen, dass wir hier einfach stabiler werden und stabiler Top-10-Ergebnisse abliefern können, ohne, dass du dann wirklich so viel Glück im Spiel hast, weil du mit Glück nie eine Meisterschaften holen wirst, das ist harte Arbeit, aber ich glaube, wir haben einen ganz guten Plan und die Richtung stimmt.

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