Giacomo Agostini: «Armee-Lastwagen holen Särge ab»
Giacomo Agostini
Mit seinen 77 Jahren gehört Rekordweltmeister Giacomo Agostini zur Risikogruppe, die besonders durch die Covid-19-Ausbreitung bedroht wird. Der Italiener, der in seiner beachtlichen WM-Karriere 15 Titel und 122 GP-Siege errungen hat, ist dennoch nach Bergamo zurückgekehrt, obwohl die Gegend besonders stark von der Coronakrise betroffen ist.
«Es ist fürchterlich», erzählt der GP-Veteran im SkySport.it-Interview, und erklärt: «Ich habe entschieden, nach Bergamo zurückzukehren und mich unter ‚Hausarrest’ zu stellen, denn hier lebe ich nun schon seit vielen Jahren und alle meine Sachen sind auch hier. Ich wollte nicht weggehen.» Und das, obwohl die Lage sehr kritisch ist.
«Ich habe nachts einen Kloss im Hals, wenn ich die Sirenen der Ambulanz höre. Es ist eine sehr traurige Situation, vor allem hier in Bergamo, dem Epizentrum der Krise», fügt Agostini an, und erzählt: «Es ist erschreckend, die Armee-Lastwagen zu sehen, die die Särge abholen. Wir hätten nie gedacht, dass wir 2020 eine solche Situation erleben würden.»
Und «Ago» gesteht: «Ich habe ein wenig Angst, angesichts des Leidens, das die Kranken empfinden, und die Art und Weise, wie sie sterben.» Dennoch habe er auch Vertrauen, weil er sich isoliert habe und alle Regeln befolge. «Jeder sollte diese Regeln respektieren», appelliert die MotoGP-Legende. Er weiss: «Es ist ein grosses Opfer, aber wenn wir das zusammen bringen, kommen wir wieder da raus.»
Für die Uneinsichtigen, die weiterhin nach draussen gehen, um im Park zu spazieren oder an den Strand zu gehen, hat er wenig Verständnis. «Sie sind dumm», schimpft Agostini. «Es spielt keine Rolle, ob sie sagen, sie seien alleine, deshalb sei es auch okay. Sie sind nur alleine, weil jemand anderes im Gegensatz zu ihnen die Regeln respektiert! Ich glaube, das ist nicht richtig.. Jeder von uns muss ein persönliches Opfer bringen. Nur wenn wir vereint bleiben, werden wir diesen Krieg gewinnen.»
Die Zeit vertreibt sich der erfolgreichste Motorrad-WM-Teilnehmer aller Zeiten mit dem sortieren von Tausenden von Fotos aus seiner Rennkarriere. «Es ist schön, sich an einige Orte und Menschen aus längst vergangenen Tagen zu erinnern», erzählt er, und mahnt, dass es noch eine Weile dauern werde, bis die aktuellen MotoGP-Asse wieder gegeneinander antreten werden: «Wir müssen verstehen, dass dies ein unvorstellbares Unglück ist. Ich hätte nie gedacht, dass uns ein Virus angesichts unseres hohen medizinischen und technologischen Niveaus in die Knie zwingen könnte. Wir werden ihn besiegen können, aber im Moment sehen wir nur Tote, jeden Tag. Es ist eine grosse Trauer.»
Italien ist nach China das am zweitstärksten von der Coronavirus-Ausbreitung betroffene Land der Welt. Bisher wurden fast 64.000 Infektionen bestätigt, mehr als 6000 Todesopfer forderte die Covid-19-Krankheit bereits. Die Krankenhäuser sind angesichts der vielen aktiven Fälle (mehr als 50.000), von denen knapp 3200 in ernstem oder kritischem Zustand sind, komplett überlastet.