Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Paolo Ciabatti: «Sitzen im selben Boot wie Formel 1»

Von Günther Wiesinger
«Sobald die Formel 1 wieder die Möglichkeit von Rennen sieht, müssen wir uns auch bewegen», sagt Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti. Aber die Corona-Zahlen machen ihm weiter große Sorgen.

In Italien bahnt sich zwar eine leichte Abschwächung bei der Verbreitung des Coronavirus ab, auch die Opferzahlen nehmen langsam ab: Am 27. März verloren noch 919 Italiener ihr Leben, am 1. April 727, am 2. April 760. Aber in Frankreich stieg die Anzahl der Toten gestern auf beängstigende 1355 Menschen, am 1. April waren es noch 509. Aber inzwischen weiß man: Gestern wurden erstmals die 884 Toten aus Pflegeheimen in die Statistik übertragen.

Zum Vergleich: In China mit ca. 1,3 Milliarden Einwohnern starben maximal 150 Menschen am Tag, das war am 23. Februar. Frankreich hält jetzt bei 83 Toten pro Million Einwohner, Frankreich bei 83, Italien bei 230.

Inzwischen steigen die Fallzahlen auch in Ländern wie Brasilien, in der Türkei, in Kanada und Algerien stark an. Auch in Schweden wird die Kritik an der Strategie der Herden-Immunität und der nicht vorhandenen strikten Maßnahmen in der Bevölkerung immer lauter. Am 31. März starben in Schweden 34 Menschen am Coronavirus, gestern 69.

Mittlerweile rechnet in Europa niemand mehr ernsthaft mit einer kurzfristigen Rücknahme der Beschränkungen, und vor August wird auch kaum eine Großveranstaltung stattfinden.

Das war Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti schon vor einer Woche bewusst; er trägt die Verantwortung für 110 Beschäftige bei Ducati Corse in Borgo Panigale und für Dutzende freie Mitarbeiter, die nur zu den Tests und Rennen kommen – in der MotoGP- und Superbike-WM. In der MotoGP-Klasse hat Ducati die WM 2007 mit Casey Stoner gewonnen; zuletzt war Andrea Dovizioso dreimal in Serie WM-Zweiter. In der SBK hat Ducati 14 Fahrer- und 17 Marken-WM-Hersteller-Titel gewonnen.

Jetzt sind alle Motorsportler mit einer langen Pause konfrontiert, dazu wird die Anzahl der Rennen stark reduziert werden.

Die älteren Semester kennen das aus der Vergangenheit: Nach der Saison 1979 gab es eine achtmonatige Motorrad-GP-Winterpause, das war damals an der Tagesordnung. 1979 fand auch kein einziger Übersee-GP statt, insgesamt standen nur acht Grand Prix auf dem Kalender.

Ciabatti ist sich längst im Klaren darüber, dass 2020 nur noch ein Notprogramm gefahren werden kann. «Wir müssen die Situation dauernd neu bewerten. Irgendwann wird es möglich sein, über einen sicheren Neustart nachzudenken. Dann kann man entscheiden, ob man das Publikum aussperren muss, ob man nur in Europa fahren kann, dann wird man überlegen, was Sinn macht und wie man in diesem Jahr zumindest einige Rennen in einer anständigen Anzahl über die Bühne bringen kann. Mehr kann man bisher nicht dazu sagen. Ich bin überzeugt, dass Dorna und FIM alle möglichen Optionen prüfen. Aber auch sie können vorläufig keine Entscheidungen treffen, weil die Fallzahlen überall unglaublich schlecht sind. In Amerika nimmt die Situation üble Ausmaße an.»

Bei der Dorna hat bereits ein Umdenken eingesetzt. Denn Mitte März bekam jeder abgesagte Grand Prix sofort ein neues Datum, Valencia wurde in 24 Stunden zweimal verschoben. Jetzt wird abgewartet: Die neuen Termine werden erst verkündet, wenn mehr Überblick herrscht.

«Vor einigen Wochen war für die Menschen in manchen Ländern noch schwer vorstellbar, dass bei ihnen das gleiche schlimme Szenario passieren kann wie in Italien», sagt Ciabatti. «So funktioniert der Mensch. Als wir uns am 3. März unterhalten haben, war ich am Flughafen in Frankfurt. Damals hatten wir in Italien 2200 Infizierte und total 79 Tote. Jetzt sind es 83.000. Und wir halten jetzt bei 14.000 Toten. Die Fallzahlen sind seither überall gestiegen, auch in Deutschland. Zum Glück ist die Anzahl der Todesopfer in Deutschland gering geblieben. Aber bei der Anzahl der Infizierten liegt Deutschland an vierter Stelle vor China.»

Das kann übrigens auch mit der hohen Anzahl an Covid-19-Test zu tun haben.

Der Motorsport selbst ist momentan in den Hintergrund gedrängt worden. Geradezu lächerlich mutet heute die Diskussion um den Hinterradspoiler von Ducati an, der beim Katar-GP 2019 zu einem Protest der Werke Honda, Suzuki, KTM und Aprilia geführt und inzwischen das Hersteller-Bündnis MSMA entzweit hat. Seither hat jedenfalls keine einzige MSMA-Sitzung mehr stattgefunden.

Ciabatti beobachtet auch die Corona-Situation in Japan, wo vier wichtige Player für MotoGP und SBK beheimatet sind. Und er blickt auf die Situation in der Formel-1-WM. «Denn die Formel 1 ist ein viel größeres Business als MotoGP», hält der Ducati-Stratege fest. «Dort sind die Investments der Werke viel größer, die Kosten betreffen ein Vielfaches der MotoGP-Budgets. Deshalb ist klar: Sobald in der Formel 1 die Möglichkeit besteht, wieder Grand Prix zu organisieren, werden sich auch alle anderen Serien bewegen. Wir sitzen momentan alle im selben Boot.»

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