Spielberg: Red Bull KTM-Test mit Pedrosa & Espargaró
Dienstag, 26. Mai 2020: Die KTM-Trucks und der Michelin-Renndienst parken bereits an den Boxen
Die MotoGP-Teams haben in diesem Jahr nur von 7. bis 9. Februar in Sepang/Malaysia und von 22. bis 24. Februar auf dem Losail Circuit in Doha/Katar die beiden IRTA-Tests absolviert. Dann kam die Saison zum Stillstand. Seither sind dem Coronavirus bereits die WM-Läufe in Doha, Buri Ram, Austin, Las Termas de Río Hondo, in Jerez und in Le Mans (17. Mai) zum Opfer gefallen. Kein Wunder, wenn die Teams und Fahrer den Saisonauftakt am 19. und 26. Juli in Jerez kaum erwarten können.
Seit dem Shutdown waren auch die meisten Fahrer zu «Home Office»-Aktivitäten verbannt. Es wurden alternative Trainingsmethoden fällig, Pol Espargaró zeigte sich mit seinem Hund bei einer Bergwanderung, Bruder Aleix verstärkte das Rennradtraining, Fahrer wie Krummenacher und Cortese verordneten sich bei kühler Witterung Online-Rennradtraining mit Zwift.
Für KTM Factory Racing zeichnete sich zumindest bereits Ende April ab, dass die «concessions teams» Aprilia und KTM (beiden gelang kein Podestplatz 2019) ihre «engine specification» nicht nach dem Katar-Test homologiert würden, sondern erst kurz vor dem Saisonstart. Denn Aprilia wollte unbedingt noch Zeit gewinnen für die Entwicklung des neuen RS-GP20-Motors mit 90 Grad-Zylinderwinkel. Und so beschlossen die Hersteller und die Grand Prix Commission: Die Neueinsteiger dürfen die Motoren bis 29. Juni weiterentwickeln. Nur die Siegerteams Honda, Yamaha, Suzuki und Ducati mussten ihre Motoren-Spezifikationen für 2020 schon im März zum Zeitpunkt des geplanten Katar-GP versiegeln lassen.
Obwohl bei Aprilia und KTM ab Mitte März die Werke zugesperrt waren und die Produktion wegen des Shutdowns stillstand, steht den KTM-Ingenieuren von der zweiten April-Hälfte bis Ende Juni noch einige Zeit für die Entwicklung neuen Materials zur Verfügung.
Motoren-Konstrukteur Ing. Kurt Trieb, die Aerodynamiker, die Chassis-Experten, die Elektronik-Spezialisten, die WP-Suspension-Ingenieure und Techniker David Tasch von KTM Technologies in Salzburg, der für die Erzeugung der Karbonschwingen zuständig ist, haben mit den Daten der Wintertests weitere Modifikationen ausgebrütet.
KTM setzt seit November einige neue Stahlchassis-Versionen mit Flachprofilen ein, die inzwischen auf vier Pisten ausprobiert wurden. Es basiert auf frischen Ideen von Testfahrer Pedrosa. Spielberg wird jetzt als fünfte Piste damit befahren.
Trotz der bei den Wintertest erkennbaren Aufwärtstendenz besteht bei der Entwicklung der KTM RC16 weiter Handlungsbedarf. «Wir können in jedem Bereich noch ein bisschen besser werden», sagt Mike Leitner, MotoGP Race Manager von KTM.
Deshalb wollte KTM nicht unnötig Zeit verstreichen lassen und das vorhandene Material so schnell wie möglich auf einer GP-Rennstrecke testen. Und was lag näher, als sich kurzfristig um einen Testtermin auf dem nur 242 km von Munderfing entfernten Red Bull Ring zu bemühen?
Tatsächlich wurden bereits kurz nach den ersten Reiseerleichterungen in Spanien (dort wohnt Pedrosa) und Andorra (wegen Pol Espargaró) und anderen europäischen Staaten der 27. und 28. Mai als private und exklusive MotoGP-Testtage in der Steiermark gebucht.
Die Planung fand unter strengster Geheimhaltung statt. Nach außen hin wurde die Buchung von KTM als Testsession für den x-bow-Sportwagen dargestellt, um der Konkurrenz den zeitlichen Vorsprung für die Rennstrecken-Rückkehr der Österreicher zu verheimlichen.
Aber bei Race-Director Mike Webb musste der Testplan gemeldet und abgesegnet werden, was auch zeitgerecht geschehen ist.
«Concession Teams» dürfen nämlich auch mit den Stammfahrern auf jenen GP-Pisten trainieren, auf denen später im Jahr noch MotoGP-WM-Läufe stattfinden.
Der Moto2-Vizeweltmeister und Espargaró-Teamkollege Brad Binder fehlt allerdings beim Spielberg-Test. Er bemüht sich seit zwei Wochen vergeblich, aus Südafrika nach Europa fliegen zu können. Aber die Reisebeschränkungen wurden erst am Samstag erleichtert. Deshalb blieb die Binder-Technik-Mannschaft daheim.
Zur Erinnerung: Beim letzten Test in Katar war Brad Binder auf Platz 9 bester KTM-Pilot. Der letztjährige WM-Gesamtelfte Pol Espargaó peilt für 2020 einen Platz unter den Top-5 oder Top-6 der WM an.
Deshalb suchte KTM seit Wochen nach Möglichkeiten, um diese Neuheiten auch auf der Rennstrecke einem Eignungstest zu unterziehen. Seit einigen Tagen steht fest: Testfahrer Dani Pedrosa und Pol Espargaró werden die neuen KTM RC16 am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche (27./28. Mai) auf dem Red Bull Ring in Spielberg testen. Da zwischen dem KTM-Hauptsponsor und dem Rennstreckenbetreiber in der Steiermark erfreulicherweise ein enger Zusammenhang besteht, konnte kurzfristig ein Termin frei gemacht und gebucht werden.
KTM wird also als erster MotoGP-Rennstall seit dem Katar-Test auf eine MotoGP-Rennstrecke gehen. Die Siegerteams dürfen das nicht mit den Stammfahrern, sondern nur mit dem Testteam. Deshalb wird zum Beispiel Stefan Bradl im August in Misano testen. Das geht aber auch nur, weil Honda Jerez, Misano und Motegi als offizielle Teststrecken gemeldet hat.
KTM darf als «concession team» überall vorher testen.
Bisher waren zwar bereits Rennfahrer auf Rennstrecken zu sehen, aber nicht mit ihren GP-Maschinen. So wurden zum Beispiel bereits auf dem Sachsenring, in Spielberg (mit Folger und Schrötter) und in Misano (mit Rossi, Morbidelli, Pirro & Co.) Racing-4-Fun-Fahrten mit verkappten Superbike-Rennmaschinen abgewickelt.
Aber die Italiener dürfen ihre Region noch nicht verlassen, deshalb kreisten in Misano nur 13 Rennmaschinen. Auch auf dem engen «Andorra Circuit» wurde bereits wieder trainiert – die ortsansässigen Steuerflüchtlinge waren am Werk. Stefan Bradl hat sich mit seinem Honda CBR1000RR-R SP-Superbike für 15./16. Juli beim Racing-4-Fun-Anbieter «Race Camp» auf dem Sachsenring angemeldet.
Österreich bot sich wegen der geringer Infektionslage (gestern 36 Neuinfektionen, bisher nur 641 Todesfälle) und der geografischen Situation für KTM an.
Da auf dem Sachsenring alle Lärmtage bis zum Saisonende verplant sind, kommt am ehesten das Automotodrom Brno für einen weiteren MotoGP-Test für KTM in Betracht. Auch weil in Tschechien bei der Einreise für dringende geschäftliche Zwecke die Grenzen bereits geöfnet sind.
«Unsere GP-Mannschaft wird sowieso bereits regelmäßig auf den Virus getestet», betont KTM-Manager Mike Leitner.