Klaus Nöhles: «MotoGP-Testteam hat 2 Jahre Vorlauf»
Klaus Nöhles (li.) mit Stefan Bradl
Klaus Nöhles begleitete und unterstützte letzte Woche seinen Sohn bei dessen ersten Schritten im Motorsport und weilte zu Trackdays am Sachsenring. «Ob da mal was draus wird, kann man noch nicht sagen. Mein Sohn ist 18 Jahre jung und fuhr erst zum dritten Mal bei einem Rennstreckentraining mit. Es sind seine ersten Erfahrungen mit einem Motorrad, denn einen Führerschein hat er nicht», erklärte der Nettetaler.
Dass er einmal in seine Fußstapfen tritt, hält Klaus Nöhles für unwahrscheinlich: «Der Sport kann dir persönlich sehr viel geben, aber nicht finanziell. Um das richtig zu machen, reicht mein Verdienst bei weitem nicht aus. Man kann seinen Lebensunterhalt gut bestreiten, aber keine Rennkarriere des Sohnes davon finanzieren.»
Dennoch fühlt er sich bei Honda sehr gut aufgehoben und pudelwohl. Zum Beispiel haben sie sein Gehalt während Corona voll weiterbezahlt, obwohl in Europa seither noch kein Test stattgefunden hat.
Nöhles selbst hat einst auch nicht am Straßenverkehr teilgenommen («…zu gefährlich…») oder im Pocket- oder Mini-Bike-Sport erste motorsportliche Vorkenntnisse gesammelt. 1995 hat er mit Renntrainings und Langstrecken-Rennen bei Moto-Aktiv angefangen. Dann ging es 1996 in den ADAC Junior Cup und von dort aus direkt weiter ins Hein Gericke Castrol Junior Team mit Teamchef Stefan Kurfiss und Dirk Heidolf als Teamkollegen. «1998 war eigentlich schon Ende für mich, dann bin ich aber glücklicherweise bei UGT reingerutscht», erinnerte sich der heute 43-Jährige. Mit dem Vizetitel in der 125-ccm-Europameisterschaft bedankte er sich für das in ihn gesetzte Vertrauen und toppte dieses Ergebnis 1999 mit dem EM-Titel im Ivetra-Team mit Teamchef Jörg Seel.
Danach ging es rasant weiter. 2000 stieg der Rheinländer mit den tomatenrot gefärbten Haaren nicht nur in die WM auf, sondern gleichzeitig auf eine 250er um. Im unter anderen von Becks gesponserten Aprilia-Team von Dieter Stappert war er als Teamkollege von Ralf Waldmann schnell relativ erfolgreich. «Ich konnte damals gleich zwei fünfte Plätze einfahren und bin auf dem Sachsenring in der ersten Startreihe gestanden. Das war super, zumal mit dem größeren Motorrad, denn es wusste ja keiner, ob das wirklich funktioniert.» Während Waldi in seinem letzten kompletten GP-Jahr Sechster wurde, zog sich der Zögling als WM-Zwölfter ordentlich aus der Affäre.
Danach bekam er einen Drei-Jahres-Vertrag bei Aprilia für deren Nachwuchsprojekt, der aber nach einem halben Jahr gleich wieder gekündigt wurde. «Mitten in der Saison, noch während des Trainings, sagte man zu mir, sie wären mit meinen Leistungen nicht zufrieden und haben mich stehenden Fußes entlassen. Ich war zu dem Zeitpunkt zwar nicht schneller, aber genauso schnell wie zuvor. Sie sagten, ich hätte mich nicht gesteigert – Feierabend. In Wirklichkeit hatten sie wohl einen finanziell sehr gut dastehenden Italiener, der direkt beim nächsten Rennen an meiner Stelle gefahren ist.» Das war in Valencia und Motegi, wo Diego Giugovaz als seine Vertretung die vierte MS-Aprilia neben Tetsuya Harada, Marco Melandri und Jeremy McWilliams pilotierte.
Nach einem halben Jahr Pause wurde er 2002 vom ADAC Sachsen Junior Team in der 125er-WM aufgefangen und Teamkollege sowie GP-Fahrlehrer von Jarno Müller. In einer durchwachsenen Saison brach er sich den Arm, womit seine Grand-Prix-Karriere im Prinzip vorbei war. «Ich habe erkennen müssen, dass es so für mich keinen Sinn macht. Für 2003 hat sich für mich nichts Attraktives in der 250er-WM aufgetan. Da hatte ich die Schnauze vom Motorsport komplett voll und habe in einem Drei-Schicht-Betrieb in der Produktion als Teileeinleger an Maschinen gearbeitet», beschreibt Nöhles seine rennfreie Zeit.
Glücklicherweise tat sich für ihn bald wieder eine Chance im GP-Paddock auf. Als Data-Recording-Mann kehrte der gelernte Zweiradmechaniker ins Team von Dieter Stappert zurück und arbeitete mit den damaligen Fahrern Dirk Heidolf und Chaz Davies. «Ich habe mich immer fürs Data-Recording interessiert und mich selbst so analysiert. Ich glaube, es gab damals einige Fahrer, die nicht wussten, was man im Data-Recording sieht und wie man sich das zunutze machen kann. Ich wollte alles ganz genau wissen», verriet er mit einem Schmunzeln.
Inmitten der Saison 2005 kehrte Klaus Nöhles auch als Fahrer in die Grand-Prix-Szene zurück und ersetzte Mitte der Saison Christian Gemmel bei Kiefer Racing. Mit seinem Arbeitgeber Dieter Stappert gab es keinerlei Probleme. «Mit ihm einigte ich mich schnell, dass ich nicht mehr fürs Data-Recording zuständig sein kann. Aber ich war nicht fit und hatte keinerlei Vorbereitung. Auch dadurch hatte ich viele Stürze und zog mir in Sepang dann eine Handverletzung zu. Danach wollte ich das nicht mehr halbherzig machen, zog einen Strich drunter und konzentrierte mich auf die Technikseite.»
So kam der Linkshänder 2006 als Reifentechniker zu Bridgestone, wo später auch Steve Jenkner dazukam. «Bridgestone vertrat damals die Philosophie, Ex-Rennfahrer einzubinden und deren Potenzial zu nutzen.» Zehn Jahre machte er diesen Job, bis Michelin Bridgestone in der MotoGP-Klasse als alleinigen Reifenlieferanten ablöste. Die ersten zwei Jahre war Klaus Nöhles für Ducati-Teams zuständig, dann wurde Honda sein Aufgabengebiet. Das war gleichzeitig sein erster Kontakt zu HRC, zu denen er nach und nach ein sehr gutes Verhältnis aufbaute. «Somit haben sie mich nach dem Ausstieg von Bridgestone als Techniker behalten. Als Reifentechniker bekommt man ja auch Einblicke in die Technik, die Mechanik und die Elektronik, sprich ins Set-up auf der Fahrwerksseite, aber auch in Sachen Motor-Management. Das Ganze muss man natürlich auch immer in Kombination betrachten. Die Honda hatte ich schon acht Jahre beobachten können. Also habe sie mich genommen.»
Als HRC-Techniker betreute Nöhles fortan in der MotoGP-WM das Marc-VDS-Team, in das er sich natürlich auch bezüglich der neuen Michelin-Pneus mit seiner Erfahrung als Reifentechniker einbringen konnte.
Ab 2018 baute Klaus Nöhles parallel das HRC-Testteam mit auf und ist seit 2019 für dieses als Crew-Chief zuständig. «Von dort an war ich fast nur noch unterwegs und habe viel Zeit in Japan verbracht, um die Tests in Europa vorzubereiten.»
Nach einem Jahr Doppelbelastung war ihm selbige zu groß, weshalb er im MotoGP-Einsatzteam aufhörte und sich seither aufs Testteam konzentriert.
Zu Stefan Bradl als Testfahrer findet Klaus Nöhles nur lobende und zur Arbeit eines Testteams folgende Worte: «Man braucht Top-Testfahrer, die 1 bis 1,5 Sekunden an den Top-Fahrern dran sind. Erst dann kommen brauchbare Daten zusammen. Mit dem Testteam ist man ein bis zwei Jahre voraus. Was Marquez also fährt, ist schon lange vorher durch unsere Finger gegangen. Von der Manpower her ist ein Testteam mindestens genauso aufgestellt wie die MotoGP-Teams. Honda hat das erst relativ spät erkannt. Ducati war Vorreiter und hat richtig viel Geld investiert. Aber wir sind jetzt auch bestens aufgestellt. Ich hoffe, dass es so weitergeht und wir das Honda-Werksteam weiterhin sehr gut aufstellen können.»