Pit Beirer (KTM): «Jetzt trägt unser Projekt Früchte»
Gestern nach dem ersten Trainingstag zum Andalusien-GP trauten einige Journalisten ihren Ohren nicht, als sie die Zielsetzungen der Red Bull-KTM-Werksfahrer hörten. Pol Espargaró und Migel Oliveira, letzten Sonntag auf den Rängen 6 und 8, machten kein Geheimnis aus ihrer Absicht, am Sonntag um einen Podestplatz zu kämpfen. Und Rookie Brad Binder ließ nach dem großartigen dritten Gesamtrang am Freitag so beiläufig fallen: «Ich möchte in eine der ersten zwei Startreihen fahren.» Beim zweiten MotoGP-Event seiner Karriere, wohlgemerkt.
Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, kennt seine Pappenheimer Oliveira und Binder schon aus der Moto3 und Moto2-WM im Ajo-Team. Sie haben zusammen 27 GP-Siege errungen und haben noch nie einen Mangel an Kampfgeist und Selbstvertrauen erkennen lassen. Pol Espargaró hat 13 der 23 MotoGP-Ten-Ten-Ergebnisse von KTM eingefahren, er hat sich im Team gegen Smith und Zarco durchgesetzt, an seinem Können besteht längst kein Zweifel mehr.
Pit, Pol hat gesagt, er will die WM 2020 unter den Top-5 oder Top-6-beenden Den ersten Schritt hat er schon gemacht. Er ist WM-Sechster.
(Er lacht). Ja, Sechster ist er schon mal. Gott sei Dank haben wir die Situation mit Pol jetzt so gut gelöst. Wir marschieren trotz seines Angangs bis zum letzten Rennen in diesem Jahr. Er ist der Fahrer, der die Messlatte im Team setzt, und er ist trotzdem der stabilste MotoGP-Fahrer in unserem Aufgebot.
Aber mit Brad Binder wächst da etwas nach, was sehr erfreulich ist. Er hat jetzt in Jerez schon am ersten Wochenende einzelne Rundenzeiten gefahren, die sich sehen lassen konnten. Und er schafft diese Zeiten ganz allein, ohne Windschatten. Er wartet nicht die ganze Zeit, bis er jemand hinterher fahren darf.
Brad ist am Sonntag im Rennen unglaubliche Rundenzeiten gefahren. Er hat ja bei seinem Ausritt 26 Sekunden verloren, lag aber im Ziel nur 29 Sekunden hinter dem Sieger. Was er zwischendurch an Fahrqualität gezeigt hat, das hat uns überzeugt. Sa wird in nächster Zeit noch einiges kommen. Platz 3 gestern in Jerez war ja wieder ein kräftiges Lebenszeichen.
Jetzt fängt das ganze Projekt an, Früchte zu tragen. Wir haben vier gleiche Motorräder im Feld.
Miguel Oliveira hat Freitag und Samstag letzte Woche brutal gestrauchelt. Er ist einfach nicht auf den richtigen Speed gekommen. Aber wenn Brad Binder am Freitagabend im FP2 auf Platz 3 steht und Pol vorne dabei ist, kann Miguel nicht das Motorrad anzweifeln. Er überlegt dann, ob er seine Linie oder sein Set-up verändern kann. Er ist dann am Sonntag im Rennen von Startplatz 17 auf Platz 8 vorgefahren. Er hat sich am Samstagabend besonnen und am Sonntag den Faden erwischt. Wir können jetzt für jeden Fahrer ein starkes Paket schnüren. Das macht sehr viel Spaß.
Und Iker Lecuona hat auch schon einige Highlights gezeigt.
Brad Binder ist eigentlich die größte Überraschung bei KTM. Er geht ziemlich respektlos ans Werk. Heute brillierte er mit Platz 7 im FP3 vor Rossi!
Es hilft uns, den Brad Binder seit vielen Jahren so gut zu kennen. Er lag im November noch 3 bis 4 Sekunden hinter der Bestzeit. Er war langsamer als Iker Lecuona und Alex Márquez. Aber er war nie nervös, er hat nie an irgendetwas gezweifelt. Er hat seine Arbeit gemacht. Und seit er die Dinge versteht, ist er schnell. Ja, Respekt hat er anscheinend wirklich nicht viel vor den andern. Denn er ist am Sonntag im Rennen als 17. losgefahren und war nach einer oder zwei Runden am Hinterrad von Pol, der als Siebter weggefahren ist.
Brad hat sich nicht lang warmgefahren, sondern ist gleich losmarschiert. Er scheint ein gutes Gefühl für unser Motorrad zu haben.
Vor einem Jahr beim Jerez-GP gab es weniger Grund zur Freude, Pol landete auf Platz 13, Zarco bekam eine Verwarnung, weil er über das Material lästerte.
Erfreulich ist, dass jetzt aus allen verschieden Ecken der Box positive Aspekte kommen.
Wir haben jetzt eine viel bessere Stimmung. Wir haben in den ersten drei Jahren in der Box neben Pol Espargaró eine schlechte Stimmung gehabt, weil dort die Resultate zu wünschen übrig ließen. Wenn jetzt das gesamte Team lacht und Spaß macht, dann erzeugt das natürlich auch Energie für die ganze Mannschaft.
Es ist schön zu sehen, dass alle vier Fahrer in jeder Session motiviert zu Werke gehen.