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Pit Beirer/KTM: «Der Sieg von Brad war nicht geplant»

Von Günther Wiesinger
KTM feiert, Pol Espargaró umarmt Brad Binder

KTM feiert, Pol Espargaró umarmt Brad Binder

«Ohne Pol Espargaró wäre dieser Sieg in Brünn nicht möglich gewesen», sagt KTM-Rennchef Pit Beirer. «Aber Brad hatte die Renn-Coolness, Pol hatte sie nicht.»

Nach dem ersten MotoGP-Sieg von KTM wirkte die ganze Mannschaft erleichtert und aufgekratzt. Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta marschierte vor der Siegerehrung schnurstracks auf KTM Race Manager Mike Leitner zu und gratulierte. Und Brad Binder musste sich von den TV-Reportern fragen lassen, ob er sich jetzt bereits zu den Titelkandidaten 2020 zähle, denn er hatte in den letzten Runden alle Verfolger deklassiert.

Rookie Binder, der in den ersten zwei Rennen dank einiger Fehler nur drei Punkte kassierte, will on den Titelchancen in diesem Jahr nichts wissen. «Ich bin schon erschrocken, als ich am Sonntag im Warm-up auf Platz 5 gelandet bin», kennt der 25-jährige Südafrikaner seine Position in der WM recht genau.

Auch Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, will die Ziele für 2020 auf keinen Fall revidieren oder zu hoch ansetzen. Pol Espargaró hat sich ja ohnedies viel vorgenommen, er will die Fahrer-WM unter den Top-5 oder Top-6 beenden. Stefan Pierer gab als Zielsetzung für die Saison 2020 «einstellige Ergebnisse» vor.

Beirer: «Also den Titelkandidaten möchte ich jetzt einmal ganz weit von uns wegweisen. Wir freuen uns definitiv ab jetzt über jedes Top-5 Resultat. Das wäre die nächste Stufe, wenn uns regelmäßig Top-5-Ergebnisse gelingen. Und wir haben jetzt mit Pol, Brad und Miguel drei Fahrer, die so etwas schaffen können. Wir bleiben mit beiden Füßen fest auf dem Boden. Denn Marc Márquez wird irgendwann zurückkommen; die vier Yamaha sind alle verdammt stark. Ducati wird das Brünn-Ergebnis auch nicht so stehen lassen. Der Sieg von Brad ist jetzt eine Momentaufnahme, die genießen wir. Aber das wird für uns keine Einbahnstraße.»

Bei Red Bull-KTM ist trotzdem viel Genugtuung zu spüren, denn die vermeintlichen Offroad-Spezialisten aus dem Innviertel haben auf ihren Weg zum MotoGP-Triumph viel Kritik einstecken müssen, nachdem sie beim Debüt in Doha/Katar im März 2017 mehr als 3 Sekunden verloren hatten und mit Pol Espargaró und Smith auf den letzten Startplätzen standen.

Als ahnungslose Kürbis-Truppe wurden die Orangen aus Oberösterreich von Hatern im Internet beschimpft, obwohl der Rückstand auf die Spitze von Jahr zu Jahr sichtbar verringert wurde.

Das V4-Konzept bewährte sich. In Jerez 2018 wurde der Screamer durch den Big Bang ersetzt, dann folgten die Motoren mit der gegen die Drehrichtung laufenden Kurbelwelle, mit der Testfahrer Mika Kallio 2018 in Jerez Platz 10 erkämpfte. Die Stammfahrer bekamen diese Triebwerke in Misano 2018. Nachher wurde das «engine mapping» konstant verbessert, in Le Mans kam die bei «KTM Technologies» in Salzburg selbst gebaute Karbonschwinge, im November 2019 das neue Stahlchassis mit den einzelnen Vierkantrohren, zuletzt eine neue Airbox und viele andere wertvolle Komponenten.

Immer wieder meinten die Besserwisser: Mit Stahlrahmen und WP Suspension werde KTM keinen Blumentopf gewinnen, und Dani Pedrosa sei als Testfahrer einfach viel zu leicht. Aber der dreifache Weltmeister genießt einen riesigen Anteil an der Schlagkraft der KTM RC16 des Baujahrs 2020.

Red Bull und KTM investieren ca. 30 Millionen Euro im Jahr in die Königsklasse. Beim Sepang-Test im Februar und in Katar standen 15 Tonnen Material in den KTM-Boxen. Es wurde 2020 trotz Corona ein privates Testprogramm durchgezogen, wie es sich kein anderes Team geleistet hat. Zweimal Spielberg, einmal Brünn, einmal Misano, dazu der Jerez-Testtag am 15. Juli.

Beirer: «Von einem Sieg hat keiner geträumt»

«Es gibt im Leben eines Motorsportlers nicht so viele Tage, an denen du am Sonntag in der Früh aufstehst und überzeugt bist – heute geht was. Denn wir haben an diesem Wochenende in Brünn so viele schnelle Runden gehabt», rechnete Pit Beirer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com vor. «In jedem Training war einer von uns Vierter, Zweiter, Dritter oder Erster. Wir haben gesehen, dass wir einen guten Rennspeed haben und uns deshalb einiges erwartet. Dass es ein Sieg wird, davon hat trotzdem keiner geträumt.»

Brad Binder hatte bei den ersten zwei Grand Prix in Jerez zahlreiche starke Zwischenergebnisse geerntet. Aber während Pol Espargaró und Miguel Oliveira im ersten Jerez-GP die Plätze 6 und 8 erkämpften, leistete sich Rookie Brad Binder einen wilden Austritt, der 26 Sekunden kostete, so blieb ihm nur noch den 13. Rang. Doch er kam nur 29 sec hinter Sieger Quartararo ins Ziel. Sein Rennspeed hätte also für die Top-3 gereicht.

Der Moto3-Weltmeister von 2016 peilte dann eine Woche später schon einen Startplatz unter den Top-4 an, und Brad sprach von Podesthoffnungen, als sei das eine Selbstverständlichkeit für einen Rookie beim zweiten Rennen.

Doch dann krachte er Oliveira in Kurve 1 gegen das Hinterrad, und bei der Aufholjagd flog er durch einen wilden Highsider ab.

«Dem Brad haben wir seit Jerez eingeredet, er soll in Ruhe fahren und ein Ergebnis heimbringen, und das müsse kein Podium sein», erzählte Pit Beirer. «Wir haben ihm eingeschärft, er darf nicht gleich ein Podium anpeilen. Wir haben uns trotzdem am Sonntag ein Podium erhofft. Wir haben geahnt, das müsste drin sein. Aber dass es der Brad mit einem Sieg macht, das war nicht geplant.»

Während Binder unaufhaltsam Richtung Platz 1 stürmte, wurde Pol Espargaró immer wieder im Scharmützel verwickelt. Als sich Pol mit Zarco in die Haare bekam, lag Binder schon auf Platz 2. Beirer: «Pol hat sich hinter seinem Bruder festgebissen. Pol und Aleix haben einmal gleichzeitig einen Fehler gemacht, dadurch hat sie Brad beide gleichzeitig überholt.»

«Aber es ist mit einen Herzensangelegenheit, nach Brads Sieg auch Pol zu erwähnen», hält Beirer fest. «Denn Pol hat mit seinem Speed über dreieinhalb Jahre hinweg die Grundlage für diesen Erfolg miterarbeitet. Dieser Sieg wäre am Sonntag ohne Pols vorbildlichen jahrelangen Einsatz nichtmöglich gewesen. Eigentlich hätte auch Pol am Sonntag ein Podium verdient. Denn die Performance, die unser Motorrad heute leistet, haben wir uns gemeinsam erarbeitet. Aber die nötige Renn-Coolness, die hat am Sonntag der Brad gehabt, und Pol hat sie leider nicht gehabt.»

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