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Diskussion zu «track limits»: Kritik ist überflüssig

Von Günther Wiesinger
MotoGP-Finale: Oliveira (li.) gewinnt vor Miller (Mitte), Espargaró auf dem Grün, aber wegen Umwegs nicht bestraft

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Nur wer das FIM-Reglement nicht gelesen hat, kann das Vorgehen der GP-Funktionäre bei den Strafen wegen Missachtung der «track limits» kritisieren. Auch Paolo Simonceli sollte endlich das FIM-Buch studieren.

In den letzten Wochen sind die Entscheidungen des «FIM MotoGP Stewards Panel» (mit Freddie Spencer, Phil Cumbow und Ralph Bohnhorst) manchmal heftig kritisiert worden, zuletzt auch von Moto3-Teambesitzer Paolo Simoncelli. Dabei wissen manche Fahrer und Teamchefs nicht einmal, dass nicht mehr die Race Direction mit Race Director Mike Webb und Deputy Graham Webber die Strafen ausspricht, sondern das Gremium der drei Stewards. Und die meisten Kritiker haben keinen blassen Schimmer von den Einzelheiten des aktuellen Reglements. Dasselbe gilt für etliche Fachjournalisten und vermeintliche Experten vor den TV-Mikrofonen.

Deshalb hat sich SPEEDWEEK.com die Mühe gemacht, ein paar Fakten zusammenzutragen und zu wiederholen, die eigentlich im FIM-Gesetzbuch nachzulesen sind und die von der Teamvereinigung IRTA regelmäßig an die Teams kommuniziert werden.

Wie schlecht sich die Fahrer teilweise über neue Vorschriften informieren, zeigte ja Maverick Viñales im Vorjahr, als er einmal einen «ride through penalty» statt des neuen «long lap penalty» absolvierte.

Wer das Reglement im Detail kennt, kann der Vielzahl von kritischen Stimmen von Crutchlow bis Simoncelli kein Verständnis abringen. Denn ihre zornigen Einlassungen offenbaren in erster Linie Ahnungslosigkeit.

Die Entscheidungen der drei FIM-Stewards in der Steiermark sind absolut nachvollziehbar. Sie waren korrekt. Die Kritiker haben sich jedoch nie bemüht, die FIM Grand Prix Regulations zu studieren.

Und es fehlt ihnen das Bewusstsein, dass die Funktionäre an einem GP-Wochenende nicht stundenlang Zeit haben, jede Entscheidung unmittelbar nach dem Vorfall im Detail zu erklären.

Deshalb zeigten sich einige der Betroffenen verwirrt – und beschwerten sich dann lauthals.

Im Grunde geht es darum: Die Funktionäre der Race Direction haben sich das Problem der «track limits» (Streckenbegrenzung) selber eingebrockt, weil zur Erhöhung der Sicherheit für die Fahrer auf viele Kiesbette und Grasstreifen direkt neben der Piste verzichtet wurde. Sie wurden durch Asphaltflächen ersetzt.

Dadurch wurden allerdings die Strafen für das Überschreiten der «track limits» notwendig. Da der Wettkampf jedes Jahr unbarmherziger wird und der faire Sportsgeist manchmal in den Hintergrund tritt, mussten strikte Vorschriften für alle Sünder beschlossen werden.

Übrigens: Alle Fahrer und Teams haben diese Strafen gefordert und befürwortet.

Inzwischen hat die Dorna eine Menge Geld in modernstes Equipment investiert. Es stehen High-Speed-Kameras mit «image recognition»-Software an allen «track limit»-Stellen zur Verfügung. Auch personell wurde stark aufgerüstet, um alle Vergehen aufmerksam überwachen und ahnden zu können.

Es passiere kaum, dass heutzutage noch ein Vergehen verpasst wird, auch existiere kein Zeitproblem, ist aus der GP-Organisation zu hören. «Wir bekommen sehr klare Bilder und können deshalb sehr exakt strafen», lautet der Tenor der überwachenden Funktionäre.

Die Vorschriften wurden teilweise vom Tennissport (dort geht es um die OUT-Linien) abgeleitet. Sie sind völlig klar und eindeutig.
Beide Räder auf der grünen Streckenbemalung – das bedeutet Strafe.

Irgendeines der beiden Räder berührt immer noch die weiße Linie – das bedeutet, der Fahrer bewegte sich innerhalb des «track limits», also keine Strafe.

Deshalb wurde Jorge Martin am Ende des Moto2-Rennen am Sonntag bestraft, Marco Bezzecchi nicht.

Eine weitere Regel besagt: Außerhalb des «track limits», aber unter Inkaufnahme eines Nachteils und Zeitverlusts (zum Beispiel bei Pol Espargaró in der letzten Runde in der Zielkurve )– kein Penalty!

Fahren außerhalb des «track limits», aber mit einem klaren Zeitgewinn – sofortige Strafe (zum Beispiel Joan Mir in Runde 1).
Wenn jemand die Streckenbegrenzung überfährt, aber keinen Vor- oder Nachteil erwirtschaftet, befüllt er sein Strafkonto. Im Rennen wird nach dem dritten solchen Vergehen eine «track limit»-Warnung aufs Dashboard geschickt. Fünf Vergehen im Rennen ziehen eine Strafe nach sich. Wer sichtbar abgedrängt wurde, bekommt keine Strafe.

Das bedeutet also: Nicht alle «track limits»-Sünden werden im Rennen geahndet. Bei einem Nachteil beim Verlassen der Strecke (weil man zum Beispiel nach einem Bremsfehler rausgetragen wurde, Plätze oder Zeit verliert), zählt das Vergehen nicht.
Teambesitzer Paolo Simoncelli sollte sich also bis Misano lieber das gelbe FIM-Büchlein ansehen statt ungerechtfertigt über das System zu lästern.

Der Italiener bemängelte, das Regelwerk zum Umgang mit den Grünstreifen sei falsch und müsse angepasst werden, sonst würden die Arbeit vieler Teams und die Träume der Fahrer zunichte gemacht, die jedes Wochenende um Spitzenergebnisse kämpfen. Der Chef der SIC58 Squadra Corse sagte den Funktionären Arroganz und Oberflächlichkeit nach, ihre absurden Entscheidungen würden die Rennen aller Klassen verfälschen.

Simoncelli weiter: «‘Die Unantastbaren‘ bleiben selbst mit allen negativen Testergebnissen ‚die Erreger‘, die unseren wundervollen Sport kontaminieren.»

Doch bei genauem Hinsehen zeigt sich: Die Stewards handeln nicht willkürlich, unberechenbar und überheblich, wie ihnen Simoncelli vorwirft. Sondern die GP-Ordnungshüter handeln nach dem Buchstaben der FIM-Gesetze.

Wenn man die einzelnen «umstrittenen» Fälle ansieht, wird die Logik des Systems offenkundig und eindeutig. Alle veröffentlichten Merkmale werden befolgt. Ohne klaren Filmbeweis wird niemand bestraft. Und wenn keine «film footage» existiert, wird auch nicht bestraft.

Deshalb hat weder das Red Bull-Ajo-Team Team von Jorge Martin gegen die Strafversetzung protestiert noch das Suzuki-Ecstar-Team von Joan Mir offiziell gegen Platz 3 von Pol Espargaró Protest eingelegt.

Denn es stand fest: Es wäre Zeit- und Geldverschwendung gewesen.

Die Art der Strafe wird elektronisch kommuniziert, denn es wäre zu zeitraubend, jeden Fahrer in einem persönlichen Gespräch über seine Verfehlung aufzuklären.

Wer sich ungerechtfertigt behandelt fühlt, kann jederzeit mit den Stewards diskutieren und seine Sicht der Dinge erläutern. In Ausnahmefällen wurde dann die Strafe sogar schon erlassen.
Die sicherlich sachkundigen Stewards und auch die Race Direction äußern sich nicht zur Kritik, sie sind zum Schweigen verpflichtet.
Deshalb beherrschen die Meinungen von Crutchlow und Simoncelli die Schlagzeilen.

Dabei haben die Verantwortlichen viel Zeit damit verbracht, ein faires und akkurates System zu installieren.

Aber jetzt lamentieren die Beteiligten, weil sie sich nicht für die Vorschriften interessieren.

Und während sich Simoncelli lautstark über jede Strafe aufregt, plädieren die MotoGP-Fahrer in der Safety Commission jeden Freitag für null Toleranz und mehr Penaltys.

Aber eines ist klar: Bei einer toleranten Auslegung der Gesetze würde den Rennen jede Fairness genommen.

«Die Stewards müssen eine Balance finden und kommen fast immer zu treffsicheren Entscheidungen», stellte ein Teammanager fest.

«Was immer ein Funktionär tut, er kann es nie allen recht machen», sagte uns ein altgedienter GP-Funkionär.

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