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Maverick Viñales: Aprilia als letzte Rettung

Von Günther Wiesinger
Maverick Viñales: Licht und Schatten

Maverick Viñales: Licht und Schatten

Einen Tag nach dem Doppelsieg in Assen bestätigte Yamaha die frühzeitige Trennung von Maverick Viñales am Ende der laufenden MotoGP-Saison. Wie geht es für den 26-jährigen Spanier weiter?

Eine richtig aufgeräumte Stimmung kam beim Monster Energy Yamaha Factory Team in Assen trotz der glanzvollen Leistungen am vergangenen Wochenende nicht auf. Yamaha feierte zwar im Qualifying und im Rennen einen Doppelsieg, doch der offen zutage getretene Zwist mit dem wankelmütigen und undurchschaubaren Maverick Viñales trübte die Feierlaune zumindest in der einen Hälfte der Yamaha-Box gewaltig.

Aprilia-Renndirektor Massimo Rivola hatte schon am Donnerstag in Assen durchblicken lassen, dass er nicht ewig auf eine Einigung mit Andrea Dovizioso warten werde und sich eventuell bereits bei der Dutch-TT am Wochenende eine «sehr interessante Lösung» anbahnen könnte.

Jetzt steht fest: Maverick Viñales und sein Manager Paco Sanchez haben spätestens seit dem Sachsenring-GP mit Aprilia verhandelt.
Beim deutschen WM-Lauf war Viñales in der Quali und im Rennen auf dem letzten Platz gelandet, während Teamkollege Quartararo im Q2 in Hohenstein-Ernstthal immerhin Platz 2 hinter Johann Zarco erreicht hatte – mit einem lächerlichen Rückstand von 0,011 Sekunden.

Im Rennen hielt der Franzose den Schaden ebenfalls in Grenzen – Platz 3.

Was der hoch bezahlte Viñales hingegen in Sachsen aufführte, grenzte an Arbeitsverweigerung.

Die Jahresgage von Viñales liegt bei 6,5 Millionen Euro. Sein Vorgänger Jorge Lorenzo hat bekanntlich 2017 und 2018 bei Ducati sogar 12,5 Millionen pro Jahr kassiert.

Jetzt deutet alles auf einen Wechsel zu Aprilia hin. Ob sich das Werk aus Noale mit der geplanten Verpflichtung von #12 einen Gefallen tut, lässt sich schwer vorhersagen.

Die Fahrkünste von Maverick sind unbestritten. Aber er kann mit unvorhersehbaren Situationen und Rückschlägen nicht umgehen, das hat er schon in der Moto3-Klasse bewiesen. Er ist kein Teamleader, kein Problemlöser, er sucht die Schuld immer nur bei den andern.

Erinnerungen an Zarco und Lorenzo

Die Situation erinnert an den Österreich-GP 2019, als sich Johann Zarco vorzeitig von KTM trennte und gleichzeitig Jorge Lorenzo statt der zweiten Honda-Saison mit einer Rückkehr zu Ducati liebäugelte.
Lorenzo betrieb nach einer Brustwirbelverletzung so lange Arbeitsverweigerung, bis die HRC-Manager einer Vertragsauflösung zustimmten.

Lorenzo spielte damals ein übles Spiel. Denn er ließ sich beim Valencia-GP für seinen Rücktritt trösten, aber zwei Monate später wurde er feierlich als neuer Yamaha-Testfahrer präsentiert.

Zarco (Jahresgage: 1,8 Mio Euro) wollte damals für Red Bull-KTM die verpatzte Saison 2019 noch irgendwie zu Ende bringen. Aber als er nach Platz 11 beim Misano-GP wieder über die MotoGP-Maschine aus Österreich lästerte, die Pol Espargaró dort auf den zweiten Startplatz stellte, beurlaubte ihn KTM-Firmenchef Stefan Pierer für den Rest der Saison.

«Zarco war für uns ein Reinfall. Mehr gibt es nicht zu sagen», stellte Pierer damals gegenüber SPEEDWEEK.com fest.

Doch während Lorenzo nach seinem vorzeitigen Abgang bei Repsol-Honda in die Frührente schlitterte, kam Zarco wieder auf die Beine. Er erlebt als WM-Zweiter bei Pramac-Ducati die beste MotoGP-Saison seiner Karriere.

Wie es mit der Rennfahrerkarriere von Viñales weitergeht, wissen die Götter.

Die italienischen Fans würden bei Aprilia eine Rückkehr des beliebten Andrea Dovizioso bevorzugen, der vom Temperament her berechenbarer und wohl auch bei der Motorradentwicklung hilfreicher wäre.

Viñales muss erst noch beweisen, dass er zur Nummer 1 eines Werksteams, zum Titelanwärter und zum Motorradentwickler taugt.

Dabei bestreitet er 2021 bereits seine siebte MotoGP-Saison. Er hat bisher 13 Pole-Positions errungen und nur neun MotoGP-Siege, einen davon auf Suzuki. Die MotoGP-WM hat er noch nie auf Platz 1 oder 2 beendet.

Bei Yamaha herrscht einerseits Enttäuschung, weil man Vinãles nie die Möglichkeit bieten konnte, sein unbestrittenes Können optimal zu entfalten.

Anderseits hat der Spanier den Managern des ruhmreichen Rennstalls viel Kopfweh verursacht.

Dreimal in zwei Jahren wurde ihm ein neuer Crew-Chief serviert. Der erste (Ramon Forcada) wurde übrigens mit Franco Morbidelli 2020 Vizeweltmeister. Und er gewann mit Lorenzo für Yamaha drei Weltmeistertitel.

Die Aprilia hat ihre Tücken

Wenn sich Viñales mit Aprilia Racing einigt, warten dort neue Herausforderungen auf ihn. Das Budget beträgt einen Bruchteil von dem, was Maverick von Suzuki und Yamaha gewöhnt ist. Aprilia ist seit 2002 in den MotoGP-Rennen über sechste Plätze nicht hinausgekommen. Am neuen V4-Motor der RS-GP 21 beklagt Aleix Espargaró immer wieder den PS-Mangel, manchmal über Getriebeprobleme, auch die Zuverlässigkeit des Motors gibt immer wieder Anlass zur Kritik.

Am Samstag jammerte Viñales nach der Pole-Position in Assen: «Die Yamaha ist nur viermal im Jahr konkurrenzfähig.»

Aber Yamaha gewann 2020 sieben von 14 Rennen. In der laufenden Saison hat Quartararo bei neun Grand Prix bereits sechs Podestplätze errungen. Ohne Armpump-Probleme und ohne defekten Reißverschluss wären es acht.

Viñales hat das erste Rennen 2021 gewonnen, dann hielt er sich dem Podest sieben Mal fern.

Vielleicht blüht Maverick in einem neuen Umfeld auf. Aber das haben die Yamaha-Verantwortlichen auch mehrmals gehofft. Nach jedem Crew-Chief-Wechsel, nach den zwei zweiten Plätzen bei den zwei Jerez-GP 2020 und nach den Erfolgen bei den Wintertests 2021 sowie der WM-Führung und dem sauberen Sieg beim Katar-GP am 28. März.

Aber der 26-jährige Spanier hat nie eine Saison konstant an der Spitze durchgehalten.

Am Motorrad allein liegt es nicht, am Team ebenfalls nicht.

Denn der 22-jährige Quartararo hat in den letzten elf Monaten sieben MotoGP-Rennen für Yamaha gewonnen; Viñales brauchte für seine acht Yamaha-Siege viereinhalb Jahre!

Maverick Viñales muss irgendwann in sich gehen und auch an sich selbst arbeiten. Es liegt nur an ihm, dass er auf Fabio bereits 61 Punkte verloren hat! Das Material ist identisch.

Meistens ist es der Fahrer, der den Unterschied ausmacht.

Gut möglich, dass Quartararo auf lange Sicht sogar erfolgreicher sein wird als Marc Márquez, denn er ist genauso schnell, aber gelassener, weniger hitzköpfig und macht deshalb weniger Fehler.

«El Diablo» ist ein fahrerisches Genie, unbestritten.

Und Fabio hat aus den Fehlern von 2020 gelernt. «Im Vorjahr war ich nach den zwei Siegen in Jerez WM-Leader. Ich habe dann zu viel an die WM gedacht», räumte er ein. «Jetzt sage ich mir vor jedem Grand Prix, die Saison beginnt von Neuem. Und ich versuche, jedes Rennen zu genießen.»

So wie Rossi einst zu seiner besten Zeit bei Honda und Yamaha den Unterschied zu den Teamkollegen ausmachte, so wie Marc Márquez ihn heute noch bei Honda ausmacht, so überlegen und wertvoll ist Fabio Quartararo bei Yamaha.

Der Franzose hat als Rookie im Petronas-Kundenteam zwei Jahre lang das Werksteam mit Rossi und Viñales an der Nase herumgeführt.

Jetzt hat er im Yamaha-Werksteam seinen Teamkollegen Viñales innerhalb weniger Monate zur Verzweiflung und in die Flucht getrieben.

Stand Fahrer-WM nach 9 Rennen von 19 Rennen:

1. Quartararo, 156 Punkte. 2. Zarco 122. 3. Bagnaia 109. 4. Mir 101. 5. Miller 100. 6. Viñales 95. 7. Oliveira 85. 8. Aleix Espargaró 61. 9. Binder 60. 10. Marc Márquez 50. 11. Nakagami 41. 12. Pol Espargaró 41. 13. Morbidelli 40. 14. Rins 33. 15. Alex Márquez 27. 16. Bastianini 27. 17. Petrucci 26. 18. Martin 23. 19. Rossi 17. 20. Marini 14. 21. Lecuona 13. 22. Bradl 11. 23. Savadori 4. 24. Pirro 3. 25. Rabat 1.

Stand Konstrukteurs-WM:

1. Yamaha, 184 Punkte. 2. Ducati 167. 3. KTM 114. 4. Suzuki 105. 5. Honda 86. 6. Aprilia 62.

Stand Team-WM:

1. Monster Energy Yamaha, 251 Punkte. 2. Ducati Lenovo 209. 3. Pramac Racing 149. 4. Red Bull KTM Factory Racing 145. 5. Suzuki Ecstar 134. 6. Repsol Honda 98. 7. LCR Honda 68. 8. Aprilia Racing Team Gresini 65. 9. Petronas Yamaha SRT 57. 10. Esponsorama Racing Ducati 41. 11. Tech3 KTM Factory Racing 39.

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