Mike Leitner: «Wahnsinnige Unterstützung durch Dani»
Mit Leitner auf der KTM RC16 von Brad Binder
Mike Leitner, seit 2015 bei KTM Factory Racing mit dem Aufbau des MotoGP-Projekts beschäftigt, war davor elf Jahre lang Crew Chief bei Dani Pedrosa (250 ccm und MotoGP). Die dadurch entstandene Freundschaft und gegenseitige Wertschätzung trug maßgeblich dazu bei, dass Dani Pedrosa als Honda-Urgestein nach seinem Rückzug bei Repsol-Honda Ende 2018 bei Red Bull-KTM als Testfahrer anheuerte. Viele Experten schätzten Pedrosas Fähigkeiten als Entwicklungsfahrer gering ein, Leitner war anderer Ansicht. «Dani war immer sehr stark an der Entwicklung der MotoGP-Honda beteiligt», wusste der Oberösterreicher, der bei 28 der 31 MotoGP-Siege des Spaniers mitverantwortlich war.
Jetzt hat KTM die Rückkehr des dreifachen Weltmeisters (125 ccm/2003 und 250 ccm/2004 und 2005) als Rennfahrer mit einer Wildcard bestätigt, was sich allerdings schon seit fast einem Jahr abgezeichnet hat.
«Dani ist gegenüber einem Renneinsatz nicht mehr abgeneigt. Das wird aber erst stattfinden, wenn wir 2022-Material fertig haben, das wir bei einem Grand Prix unter Wettkampfbedingungen testen wollen», kündigte Mike Leitner gegenüber SPEEDWEEK.com bereits im März 2021 an.
Inzwischen steht die Teilnahme des 35-jährigen Routiniers und Edeltesters am Steiermark-GP am 8. August fest. Als Leichtgewicht mit 58 bis 60 kg hat Pedrosa auf dem Red Bull Ring mit seinen vielen Beschleunigungs- und Bremsphasen sicher gute Karten.
Aber wenn die Konkurrenz vermutet, Pedrosa habe in Spielberg als einziger Rennfahrer 2021 schon eifrig getestet, so ist das ein Irrtum. «Denn unsere Teststrecken sind Aragón, Jerez und Misano», hält KTM-Race-Manager Mike Leitner fest.
Das heisst: Auf dem Red Bull-Ring darf KTM vor den beiden Grand Prix nicht testen. Mit dieser Vorschrift wird verhindert, dass die reichen Factory Teams ihre Testfahrer zumindest in Europa vor dem Event auf jede Strecke schicken, um das Bike abzustimmen und dann im FP1 bereits einen klaren Vorteil zu haben.
Dani Pedrosa hat auch für den Misano-GP bereits eine Wildcard-Zusage erhalten. Da auch Michele Pirro (Ducati) und Stefan Bradl (Honda) dort um die Wette fahren, wurde dafür extra das Reglement geändert: Jetzt sind maximal drei statt zwei Wildcards pro MotoGP-Rennen erlaubt.
Mike Leitner beantwortet aktuell die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem mit viel Spannung erwarteten Dani Pedrosa-Comeback.
Beim Heim-GP von Red Bull-KTM werden 2021 erstmals fünf Top-Ten-Kandidaten antreten. 2018 war nur Bradley Smith zu sehen, weil Pol Espargaró und Ersatzmann Mika Kallio verletzt waren.
Mike, der Wildcard-Einsatz von Dani Pedrosa in Spielberg (6. bis 8. August) ist fix. Wie aufgeregt bist du? Welchen Einfluss hat Dani Pedrosa auf die Fortschritte von KTM in der MotoGP?
Es ist natürlich eine große Sache, wenn der Dani jetzt einmal einen Grand Prix fährt. Wir waren selber überrascht, dass er ein Wildcard-Rennen fahren will. Er nimmt diese Herausforderung nach so langer Zeit wieder auf sich. Es wird sicher sehr schwierig sein, in so einem Starterfeld wie heute in der MotoGP mitzumischen.
Aber Dani ist Testfahrer bei uns, und es ist für die Weiterentwicklung der RC16 und die weitere Testarbeit natürlich wertvoll, wenn er sich einmal mit den anderen aktuellen MotoGP-Piloten messen kann.
Dann kennt er das Level und weiß, wie man im Jahr 2021 einen Grand Prix angeht, von den freien Trainings über das Quali bis zum Rennen. Das wird uns sicher bei der Testarbeit sehr helfen.
Was bringt es KTM, wenn Dani Pedrosa am Steiermark-GP teilnimmt – nach einer Rennpause von 955 Tagen? Zählt das Ergebnis? Oder konzentriert er sich auf die Entwicklung der 2022-Werksmaschine?
Dani hat bei der Weiterentwicklung der KTM sehr viel geleistet. Das ist klar. Er hat 2019 vom ersten Moment an ganz klar die Schwachstellen identifiziert und genannt. Er hat uns genau gesagt, wo er sich Änderungen wünscht, das hat uns zu diesem frühen Zeitpunkt bei unserem Projekt sehr geholfen.
Wir haben dann natürlich bei uns im Haus die geeigneten technischen Lösungen finden müssen. Aber es ist eine Riesenhilfe, wenn ein Testfahrer so präzise Kommentare abgibt.
KTM hat mit dem Finnen Mika Kallio (38) einen zweiten MotoGP-Testfahrer, er war bereits im Herbst 2015 beim ersten Rollout dabei. Er wurde aber durch Pedrosa aus dem Rampenlicht verdrängt.
Mika leistet für uns weiter eine ausgezeichnete Testarbeit. Und er hat in den ersten Jahren eine gute Basis erarbeitet.
Wir haben unser Testteam immer so betrieben, dass Mika neue Teile zuerst getestet hat, Dani hat sie danach bestätigt, ehe sie ans Werksteam ausgeliefert worden sind. Die endgültige Bestätigung haben dann die aktiven Stammfahrer erledigt. Die aktiven GP-Fahrer sagen dann, wie die Weiteretwicklung vor sich gehen soll. Das war bis Ende 2020 Pol Espargaró, jetzt sind es Miguel Oliveira und Brad Binder.
Dani Pedrosa hat das Factory Team bei dieser Aufgabe wahnsinnig gut unterstützt und uns auf die richtige Fährte gebracht. Das sehen wir jetzt an den Ergebnissen von Miguel und Brad, in der Vergangenheit sahen wir das oft bei Pol. Insgesamt leistet Dani eine super Testarbeit.
Was erwartest du von Dani beim Spielberg-GP?
Das Ergebnis wird bei so einem einzelnen Event Nebensache sein, das ist klar. Wir werden beim Motorrad von Dani einen Teil unserer Ideen für 2022 einfließen lassen. Es ist eine große Hilfe, wenn wir diese Komponenten in diesem Startfeld benutzen dürfen. Es gibt keine Riesenänderungen, aber sehr viel Details die wir für die Zukunft entwickeln. Wir können jetzt an einem GP-Wochenende im direkten Kampf gegen die Konkurrenz eine super Bestätigung für unseren Weg bekommen. Wenn der Fahrer sagt, die Richtung hilft mir dort, aber die Konkurrenz ist in einem anderen Bereich stärker, dann wissen wir, wo wir den Hebel ansetzen sollen.
Das Rennergebnis von Dani werden wir so nehmen, wie es kommt. Es wäre ein bisschen unverfroren, wenn wir nach einer so langen Rennpause große Erwartungen beim Ergebnis hätten.
Aber Dani ist ein spezieller Rennfahrer. Besonders im Rennen kann er immer etwas rauszaubern. Wir werden sehen, wo er am Ende ankommt.
Werden wir Dani 2021 bei anderen Grands Prix sehen? Es wurde auch für Misano eine Wildcard beantragt.
Generell ist jetzt einmal Spielberg geplant. Wir haben eine zweite Wildcard-Nennung für dieses Jahr abgegeben. Was am Ende entschieden wird, wird man nach dem Spielberg-Event beurteilen. Wir müssen bewerten, was uns diese Wildcard gebracht hat und wo sich Dani wohler fühlt.
Bei einem Rennen nimmt man ein gewisses Risiko in Kauf. Er hat ja seine Rennkarriere offiziell beendet.
Deshalb finden wir es wirklich stark, dass er jetzt gesagt hat: «Okay, ich lass' mich auf dieses Abenteuer bei einem GP-Wochenende wieder ein.»
Nach Spielberg werden wir entscheiden, ob wir mit Dani in diesem Jahr noch einen zweiten Wildcard-Einsatz absolvieren.