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Pit Beirer (KTM): «Ducati soll sich nicht beschweren»

Von Günther Wiesinger
Pit Beirer mit den MotoGP-Siegern Brad Binder und Miguel Oliveira

Pit Beirer mit den MotoGP-Siegern Brad Binder und Miguel Oliveira

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer über die Sinnhaftigkeit und die Kosten der Nachwuchsförderung und den beispielhaften Weg der Talente-Förderung der Österreicher.

Ducati beteiligt sich als Werk nur an der MotoGP- und an der Superbike-WM, ab 2023 liefert der Hersteller aus Borgo Panigale auch die Einheits-Motorräder für den MotoE-Weltcup. KTM hingegen nimmt an allen erdenklichen Rennserien und Meisterschaften teil, von der CEV-Repsol-Moto3-Junioren-WM über die Moto2 und MotoGP bis zur Supersport-300-WM, zur Motocross-WM, US Supercross Championship, Dakar-Rallye, Cross Country-WM und allen namhaften Enduro-Championships, teilweise auch mit Werksteams der Marken Husqvarna und GASGAS.

Die Pierer Mobility beschäftigt mit den drei Fabrikaten nicht weniger als 55 Werksfahrer und weltweit in den Factory Teams ca. 500 Teammitglieder. Allein KTM hat mit dem Slogan «Ready to Race» bereits 328 Weltmeistertitel gewonnen.

Deshalb ärgerte sich KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer, als sich der Ducati-MotoGP-Teamkoordinator Davide Tardozzi im Herbst darüber aufreget, dass KTM über eine unrechtmäßige Vormachtstellung bei der Verpflichtung von Nachwuchspiloten verfüge, weil die Österreicher die Talente schon im Red Bull Rookies Cup und in der Moto3-WM unter Vertrag nehmen und quasi durch Knebelverträge für alle Zukunft an die österreichische Marke binden.

Doch bei genauer Betrachtung entsprechen diese Aussagen Tardozzis nicht den Tatsachen. «Erstens machen wir keine Knebelverträge», hält Pit Beirer fest. «Zweitens kannst du keinen Fahrer mit Gewalt festhalten, wenn er in ein anderes Team wechseln will. Deshalb ist es völliger Schwachsinn zu sagen, wir setzen irgendwelche Knebelverträge auf. Im Red Bull Rookies Cup liefern wir zwar die Motorräder, aber wir machen mit den Fahren keine Verträge, weil sie noch gar nicht volljährig sind.»

Die von den Eltern unterschriebenen Verträge verlieren beim Erreichen der Volljährigkeit ohnedies ihre Wirksamkeit.

«Anscheinend sind wir bei KTM doch so anständige Menschen, dass manche Fahrer nach drei Jahren im Rookies-Cup bei uns freiwillig Verträge zum Beispiel für die Moto3-WM unterschreiben», hält Beirer fest. «Ich weiß nicht, was der Herr von Ducati an dem Morgen zu sich genommen hat, als er das alles behauptet hat. Wenn Herr Tardozzi etwas von einem unfairen Wettbewerb behauptet, kann ich Ducati nur herzlich einladen, sich an der Jugendarbeit zu beteiligen. Ich kann ich mich aber nicht erinnern, bei Ducati ein Moto3-Motorrad gesehen zu haben. Bei KTM bauen wir seit 2013 ein eigenes Production-Moto3-Motorrad für die Teilnehmer des Rookies-Cups.» Vorher war es von 2007 bis Ende 2012 eine 125-ccm-Zweizylinder-Zweitaktmaschine.

Beirer weiter: «Die Jugendarbeit kostet relativ viel Geld, das geht bei uns jedes Jahr in die Millionen. Wenn sich dann ein Hersteller mit ein bisschen Extra-Geld unsere Talente angelt, ist das eher unanständig. Ducati soll sich lieber überlegen, wie sie sich an der Jugendarbeit beteiligen.»

«Wenn sich Ducati jetzt regelmäßig Fahrer aus Valentino Rossis VR46 Riders Academy holt, ist das schlau und gescheit», meint Beirer. «Aber sie sollen das einfach machen und sich nicht über unser aufwändiges Nachwuchsprogramm beschweren.»

«Ducati ist mit dieser Kritik gegenüber KTM auf dünnem Eis unterwegs», betont Pit Beirer, der 250-ccm-Motocross-Vizeweltmeister von 1999.

Der KTM-Stratege nennt ein ganz einfaches Rechenbeispiel. «Ein professionelles Moto2-WM-Team kostet für zwei Fahrer um die 3 Millionen Euro im Jahr. Wenn ich das pro Fahrer rechne, ist so ein Fahrerplatz 1,5 Millionen Euro wert. Wenn das ein Hersteller wie KTM macht, obwohl wir in dieser Klasse kein eigenes Motorrad mehr verkaufen, mieten wir zwei GP-Plätze, um Fahrer auszubilden, auf die wir später womöglich in der MotoGP-Klasse zurückgreifen und sie weiter beschäftigen. Wir haben Jorge Martin zwei Jahre bei uns in der Moto2-WM im Ajo-Team beschäftigt. Er hatte einen gültigen Vertrag für 2021 bei uns, wollte aber zu Ducati. Wir haben ihn dann für 80.000 Euro Ablöse freigegeben, um bei einem anderen Hersteller in der MotoGP zu fahren. In diesem Zusammenhang möchte ich Ducati bitten nachzudenken, ob das eine anständige oder eine unanständige Aktion war. Jorge Martin hat bei uns ein Jahressalär bekommen, das natürlich höher war als die 80.000.- Aber er wollte für seine erste MotoGP-Saison nicht bei uns bleiben. Wir haben gekämpft darum. Aber wenn er nicht will, musst du ihn gehen lassen. Das ist keine Frage.»

Übrigens: Ducati Corse hatte letztes Jahr fünf MotoGP-Werksfahrer unter Vertrag, drei davon waren vorher bei Red Bull KTM: Jack Miller, Johann Zarco sowie Jorge Martin, und Enea Bastianini kommt aus dem Red Bull Rookies-Cup. Pecco Bagnaia bildet die einzige Ausnahme, er kommt aus der VR46 Riders Academy.

«Das Fahrerlager ist voll von Teams in der Moto3 und Moto2, die finanzielle Schwierigkeiten haben. Du musst einfach irgendwo hingehen, dem Team das Jahresbudget garantieren, dafür lässt du dir den Zugriff auf die zwei Fahrer sichern», sagt Beirer. «Das Team freut sich, die Fahrer freuen sich – und du hast als Werk den direkten Zugriff.»


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