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Ducati: Die Trickserei begann 2014 mit der Open-Class

Von Günther Wiesinger
Johann Zarco: Er verwendete den Front Ride Height Adjuster auch in Indonesien

Johann Zarco: Er verwendete den Front Ride Height Adjuster auch in Indonesien

Gigi Dall'Igna reizt seit seiner Ankunft bei Ducati alle Grauzonen des technischen Reglements schamlos aus. Das Schauspiel begann 2014 mit dem umstrittenen Wechsel in die Open Class.

Als Gigi Dall’Igna im Oktober 2013 von der Piaggio Group (mit den Marken Aprilia, Derbi, Gilera) als General Manager zu Ducati Corse wechselte, war er von der Sehnsucht beseelt, nach zahlreichen WM-Titelgewinnen in der 125-ccm- und 250-ccm-Klasse sowie in der Superbike-WM endlich auch die «Königsklasse» zu gewinnen.
Ducati war zuvor von der Volkswagen Group gekauft und als sportliche Marke wie Lamborghini der Audi Group zugeteilt worden.

Der damalige Audi-Vorstand gab die Devise aus, Ducati müsse zumindest 2015 wieder um den MotoGP-Titel fighten. Nach dem Titelgewinn mit Casey Stoner im ersten Jahr der 800-ccm-Klasse 2007 war Ducati in ein jahrelanges Tief geschlittert. Der Stahlrahmen war durch ein Karbon-Monocoque abgelöst worden. Valentino Rossi verlangte 2011 ein Alu-Chassis nach dem Vorbild der M1-Yamaha. Bald darauf wurde der glücklose Ing. Filippo Preziosi als Chefkonstrukteur durch Dall’Igna abgelöst.

Der ziegenbärtige Italiener verbesserte zuerst einmal die Strukturen und die Zusammenarbeit zwischen den Ingenieuren daheim in Borgo Panigale und den Technikern auf der Rennstrecke. Außerdem suchte Dall’Igna, der beim Aprilia RSV4-Superbike-Motor schon mit dem Kaskadenantrieb eigene Wege gegangen war, im MotoGP-Reglement nach gewissen Lücken und Grauzonen, die er zugunsten von Ducati nutzen konnte.

Der schlaue Fuchs, der später die Winglets einführte, das Holeshot-Device, die abgedeckten Räder, den Hinterradspoiler und den Rear Ride Height Adjuster, wurde rasch fündig.

Denn die MotoGP-Funktionäre hatten zuerst für 2012 wegen der geringen Startfelder die Claiming-Rule-Team-Kategorie (CRT) eingeführt. Sie sollte den armen MotoGP-Privatteams das Näherrücken an die Factory-Teams von Honda, Yamaha und Ducati erlauben.

In der CRT waren in der MotoGP-WM 2012 und 2013 Bikes mit Superbike-Rennmotoren von Honda, Kawasaki, BMW und Aprilia erlaubt; Firmen wie Suter, PBM, IodaRacing und FTR bauten die Fahrwerke dazu.

Statt der CRT-Bikes entstand für 2014 die Open Class, die den finanzschwachen Privatteams preiswertes Material garantieren sollte. Der neue Ducati-Renndirektor Gigi Dall'Igna entdeckte jedoch eine Lücke im Gesetz für 2014, in dem nur erwähnt wurde, dass ein Open-Class-Team die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli benützen müsse, sonst waren keine Details für den Wechsel in die Open Class festgelegt.

Also sagte sich Dall'Igna im Winter 2013/2014: Ich melde die vier Motorräder von Ducati Corse und Pramac Ducati als Open-Class-Teams an und nehme die Einheits-ECU in Kauf.

Dall'Igna betrachtete diese Elektronik-Software, die 2016 sowieso zur Einheits-Elektronik wurde, als das kleinere Übel. Denn im Factory-Status hätte er nur fünf Motoren verwenden dürfen, die Motorentwicklung wäre ab dem ersten Rennen eingefroren gewesen und so weiter.

Ein Dilemma für Dorna, IRTA und FIM, als sich plötzlich ein hochkarätiges Werksteam unter die Open-Class-Teams von Forward, Avintia, Gresini-Honda, Drive M7 Aspar-Honda und so weiter mischte, um ihnen die Lorbeeren zu stehlen und unter diesem Schutzschirm die Weiterentwicklung voranzutreiben.

Deshalb sollte zuerst eine Factory-2-Meisterschaft eingeführt werden, also eine Drei-Klassen-Gesellschaft, ein heilloses Durcheinander drohte.

Ein fauler Kompromiss wegen Ducati

Neun Tage vor dem Beginn der MotoGP-Saison 2014 wurde ein seltsamer Kompromiss gefunden. Ducati wurden die Open-Class-Vorteile zugestanden, auch eine Ausrede war rasch zur Hand: Sie hatten 2013 kein MotoGP-Rennen gewonnen und sollten als Dank für diese Meisterleistung 2014 und 2015 mit allen vier Piloten von Ducati Corse und Pramac die Vorzüge der Open Class genießen dürfen.

Zur Erinnerung: Ducati hat auch 2011 und 2012 kein Rennen gewonnen. Damals kam jedoch niemand auf die Schnapsidee, dieses Versagen auch noch zu belohnen.

Um diese merkwürdige Situation 2014 halbwegs plausibel machen zu können, wurden die Konkurrenz-Teams mit einer scheinheiligen Klausel getröstet: Wenn Ducati mit irgendwelchen Fahrern auf trockener Fahrbahn («wet races» zählten nicht) drei dritte Plätze, zwei zweite Plätze oder einen Sieg erreichen würde, und zwar saisonübergreifend vom Auftakt 2014 bis zum Saisonende 2015, würde für die Roten zuerst der Tankinhalt (wie bei den Factory-Status-Teams) von 24 auf 22 Liter begrenzt. Und wenn Ducati 2014/2015 insgesamt drei GP-Siege im Trockenen erreicht hätte, wären auch noch die weicheren Hinterreifen verloren gegangen, die damals den Open-Class-Piloten sowie den Neueinsteiger-Werksteams von Suzuki und Aprilia zustanden.

Mit Platz 3 in Texas (durch Dovizioso) hat Ducati 2014 nur einen Podestplatz im Trockenen erreicht. Denn der 2. Platz in Assen durch Dovi und der 3. Platz durch Crutchlow in Aragón wurden als «wet races» deklariert.

Die Ducati-Factory-Fahrer hatten also im Trockenen nicht genug Podestplätze errungen, um für 2015 auf zwei Liter Treibstoff verzichten zu müssen.

Das Ducati-Werk durfte also 2014 sieben Motoren (!) mehr verwenden als die Siegerteams Honda und Yamaha. Sie durften während der Saison die Power und die Drehzahl beliebig erhöhen und mussten auf den Verbrauch keine große Rücksicht nehmen, denn 2013 kamen die Ducati-Asse mit den damals erlaubten 21 Litern gut über die Runden. Und ohne rigoroses Verbrauchslimit (und wegen der zwölf statt fünf Motoren) konnte Ducati die 1000-ccm-V4-Motoren hemmungslos tunen. So kam 2014 der neue MotoGP-Top-Speed-Rekord von Andrea Iannone in Mugello mit 349,6 km/h zustande.

Und was unterschied Ducati von den armen, benachteiligten Open-Class-Teams?

Nichts, sie hatten nur Vorteile!

Ducati durfte nämlich bei den vier Factory-Piloten obendrein die hauseigene Elektronik-Software benützen, das galt auch für die Pramac-Piloten Yonny Hernandez und Danilo Petrucci auf ihren vorjährigen Ducati GP14.2 und GP14.

Warum die Grand Prix Commission alle diese Ducati-Vorteile auch für 2015 festschrieb, war schwer – oder gar nicht – nachzuvollziehen. Auch Gegner wie Rossi und Crutchlow und gegnerische Teamchefs wie Jorge Martinez wunderten sich längst darüber.

«Die Vorschriften sind die Vorschriften», zuckte Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti damals die Schultern.

DucatI: Durststrecke erst 2016 beendet

Tatsächlich war Ducati kein Vorwurf zu machen. Aber zumindest jenen Funktionären und Managern, die diese Vorteile der Roten in einem Anflug von geistiger Umnachtung oder jugendlichem Leichtsinn auch gleich für 2015 abgesegnet haben. Da gehörten natürlich die Befehlshaber von Honda und Yamaha dazu, die sich durch diese Zugeständnisse der Hersteller-Vereinigung MSMA das Leben für 2015 schwer gemacht haben.

Übrigens: Es dauerte dann bis ins Jahr 2016, bis die Ducati-Werksfahrer Andrea Iannone in Spielberg und Andrea Dovizioso dann der erwähnten Privilegien mit zwei Siegen die Ducati-Durststrecke beendeten und wieder in den Factory-Status zurückkehren mussten.

Aber nicht immer haben sich alle Innovationen bei Ducati auf Dauer bewährt. Den seit 2019 umstrittenen Hinterradspoiler («Spoon») verwenden die Desmosedici-Fahrer nicht mehr. Und in Mandalika wurden bei den GP22-Piloten Miller, Bagnaia, Martin und Marini die Front Ride Height Devices vorläufig deaktiviert, sie werden nach 2022 verboten sein.

Dafür experimentierte Ducati bei Pramac-Pilot Johann Zarco in Indonesien mit einer Weiterentwicklung dieses Systems, mit dessen Hilfe beim Fahren die Front abgesenkt werden kann.

Ergebnisse MotoGP Mandalika/IND:

1. Miguel Oliveira, KTM, 20 Runden in 33:27,223 min
2. Fabio Quartararo, Yamaha, +2,205 sec
3. Johann Zarco, Ducati, +3,158
4. Jack Miller, Ducati, +5,663
5. Alex Rins, Suzuki, +7,044
6. Joan Mir, Suzuki, +7,832
7. Franco Morbidelli, Yamaha, +21,115
8. Brad Binder, KTM, +32,413
9. Aleix Espargaró, Aprilia, +32,586
10. Darryn Binder, Yamaha, +32,901
11. Enea Bastianini, Ducati, +33,116
12. Pol Espargaró, Honda, +33,599
13. Alex Márquez, Honda, +33,735
14. Luca Marini, Ducati, +34,991
15. Pecco Bagnaia, Ducati, +35,763
16. Maverick Viñales, Aprilia, +37,397
17. Raúl Fernández, KTM, +41,975
18. Fabio Di Giannantonio, Ducati, +47,915
19. Takaaki Nakagami, Honda, +49,471
20. Marco Bezzecchi, Ducati, +49,473
21. Remy Gardner, KTM, +55,964
– Jorge Martin, Ducati
– Andrea Dovizioso, Yamaha

WM-Stand nach 2 von 21 Grands Prix:

1. Bastianini, 30 Punkte. 2. Brad Binder 28. 3. Quartararo 27. 4. Oliveira 25. 5. Zarco 24. 6. Pol Espargaró 20. 7. Aleix Espargaró 20. 8. Rins 20. 9. Mir 20. 10. Morbidelli 14. 11. Miller 13. 12. Marc Márquez 11. 13. Darryn Binder 6. 14. Nakagami 6. 15. Marini 5. 16. Viñales 4. 17. Alex Márquez 3. 18. Dovizioso 2. 19. Gardner 1. 20. Bagnaia 1.

Konstrukteurs-WM:

1. KTM 45 Punkte. 2. Ducati 41. 3. Yamaha 27. 4. Suzuki 21. 5. Honda 20. 6. Aprilia 20.

Team-WM:

1. Red Bull KTM Factory 53 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 41. 3. Suzuki Ecstar 40. 4. Repsol Honda 31. 5. Gresini Racing 30. 6. Pramac Racing 24. 7. Aprilia Racing 24. 8. Ducati Lenovo 14. 9. LCR Honda 9. 10. WithU Yamaha RNF 8. 11. Mooney VR46 Racing 5. 12. Tech3 KTM Factory, 1.

 

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