Andrea Dovizioso: Gibt keinen Grund, 2023 zu fahren
Andrea Dovizioso (36)
In den elf bisherigen Rennen der Saison sammelte Andrea Dovizioso auf der Factory-spec M1 des WithU Yamaha RNF MotoGP Teams gerade einmal zehn Punkte. «Nicht konkurrenzfähig zu sein, ist eine komplett andere Geschichte als meine [restliche] Karriere. Das ist das Schwierige», räumte «Dovi» im MotoGP.com-Interview ein. «Dass ich nicht dabei bin, passiert mir zum ersten Mal, und es ist schwierig, damit umzugehen. Rennen für Rennen und Session für Session wurde es aber immer mehr die Realität. Ich schaffe es nicht, konkurrenzfähig zu sein.»
Der 15-fache MotoGP-Sieger hatte sich seine Rückkehr zum japanischen Hersteller ganz anders vorgestellt, zumal er 2012 auf der Tech3-Yamaha noch WM-Vierter war. «Zum Glück fuhr ich 2012 eine Yamaha, sonst würde jetzt jeder sagen: ‚Mit der Yamaha kannst du nicht konkurrenzfähig sein.‘ Das ist aber nicht die Wahrheit», betonte Dovi. «Es sind andere Gründe. Die MotoGP hat sich verändert, das Motorrad hat sich verändert. Die Konkurrenz hat sich verändert und die Art und Weise, auf die du das Motorrad fahren musst, ist anders. Es gibt viele große und kleine Gründe – und wenn man alles zusammennimmt, passiert das, was ich jetzt erlebe.»
«Die Yamaha ist im Moment ziemlich ungewöhnlich, aus vielen Gründen. Du hast ein sehr gutes Gefühl, du kannst sehr gut Einlenken und Bremsen. Es gibt aber andere Aspekte, die nicht so gut sind. Wenn du nicht wie Fabio fährst, ist es sehr schwierig, konkurrenzfähig zu sein», verwies der 36-jährige Italiener auf WM-Leader Fabio Quartararo. «Wenn Fabio gewinnt, hat das einen Grund. Das bedeutet, dass es eine Möglichkeit gibt, schnell zu sein. Wenn die anderen Fahrer sich aber beklagen, wie es in den letzten paar Jahren der Fall war, dann heißt das, dass es nicht mehr Wege gibt, um konkurrenzfähig zu sein.»
Dovizioso nannte auch Franco Morbidelli als Beispiel, 2020 auf der Petronas-Yamaha noch Vizeweltmeister und jetzt als Yamaha-Werksfahrer zur Halbzeit der Saison enttäuschender 19. der WM-Tabelle.
«Wir fahren auf eine komplett gegensätzliche Weise», erklärte Dovi. «Franky fährt mehr und länger in Schräglage und bremst nicht so hart – also komplett das Gegenteil. Das Ergebnis ist aber sehr ähnlich. Das Motorrad ist nur eines und das bedeutet, dass es vielleicht nur einen Weg gibt, um konkurrenzfähig zu sein.»
«Alle japanischen Hersteller haben Mühe», gab Dovizioso zu bedenken. «Aber klar, Yamaha hat im Vorjahr die WM gewonnen. Wenn man zurückschaut, dann sind es am Ende normalerweise immer die Japaner, die den Titel holen. Wir reden aber nur von einem Fahrer und es geht immer um das Match aus Fahrer und Bike. Der zweite Fahrer ist aber sehr weit weg. Aus meiner Sicht bedeutet das, dass die Basis des Motorrads ein bisschen schwierig und speziell ist. In den letzten acht Jahren war das Honda – und jetzt Yamaha.»
Die MotoGP habe sich stark verändert, beobachtete Dovizioso. «In der Vergangenheit, vor zehn Jahren, waren für gewöhnlich immer dieselben Fahrer an der Spitze. Es ging nicht um das Motorrad, sie konnten sich mehr oder weniger dort halten. Jetzt ist es anders, weil die mechanische Seite ein bisschen wichtiger ist als in der Vergangenheit. Alle sind auf einem guten Level und kleine Dinge können sich stark auswirken.»
2023 wird Dovizioso im MotoGP-Feld, das wieder auf 22 Fahrer schrumpft, keinen Platz mehr finden. Das stört ihn nicht, ganz im Gegenteil: «Ich werde sicherlich nicht fahren, dafür gibt es keinen Grund. Ich habe immer gesagt: Wenn ich nicht konkurrenzfähig bin, will ich nicht hier sein. Denn man genießt es wirklich nicht, wenn man Mühe hat. Du musst am Ende pushen und wenn du nicht das Gefühl hast, dass du gut sein kannst, gibt es keinen Grund mehr – vor allem nicht nach 20 Jahren. Ich habe nie versucht, einen Platz für nächstes Jahr zu bekommen. Denn ich denke, dass du im Mittelpunkt eines Projekts sein und große Unterstützung genießen musst, weil in diesem Moment alle so konkurrenzfähig sind.»
«Klar will ich die Saison nicht so beenden, weil es so schön ist, wenn du konkurrenzfähig bist, wenn du fühlst, dass du eine wirklich gute Zeit fährst oder um eine gute Position kämpfst, wie ich es immer getan habe. Aber man kann nicht alles kontrollieren – und das kann passieren», zuckte der routinierte Italiener mit den Schultern.
Die Rücktrittsgedanken quälen den 125er-Weltmeister von 2004 auf jeden Fall nicht. «Ich bin ganz entspannt, ich war schon im Vorjahr ein halbes Jahr ohne Rennen zu Hause. Ich habe das also schon getestet», erinnerte Dovi mit einem angedeuteten Schmunzeln an sein Sabbatjahr nach der Trennung von Ducati.
MotoGP-Fahrer-WM nach 11 von 20 Grand Prix:
1. Quartararo 172 Punkte. 2. Aleix Espargaró 151. 3. Zarco 114. 4. Bagnaia 106. 5. Bastianini 105. 6. Brad Binder 93. 7. Miller 91. 8. Mir 77. 9. Rins 75. 10. Oliveira 71. 11. Martin 70. 12. Viñales 62. 13. Marc Márquez 60. 14. Bezzecchi 55. 15. Marini 52. 16. Nakagami 42. 17. Pol Espargaró 40. 18. Alex Márquez 27. 19. Morbidelli 25. 20. Di Giannantonio 18. 21. Darryn Binder 10. 22. Dovizioso 10. 23. Gardner 9. 24. Raúl Fernández 5.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati 246 Punkte. 2. Yamaha 172. 3. Aprilia 155. 4. KTM 121. 5. Suzuki 101. 6. Honda 85.
Team-WM:
1. Aprilia Racing 213 Punkte. 2. Monster Energy Yamaha 197. 3. Ducati Lenovo Team 197. 4. Prima Pramac Racing 184. 5. Red Bull KTM Factory 164. 6. Suzuki Ecstar 152. 7. Gresini Racing 123. 8. Mooney VR46 Racing 107. 9 Repsol Honda 100. 10. LCR Honda 69. 11. WithU Yamaha RNF 20. 12. Tech3 KTM Factory 14.