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Parallelen? Honda am Tiefpunkt, Yamahas One-Man-Show

Kolumne von Michael Scott
Fabio Quartararos Aus in Assen, links Márquez-Ersatz Stefan Bradl

Fabio Quartararos Aus in Assen, links Márquez-Ersatz Stefan Bradl

Vor der MotoGP-Sommerpause erlebten mit Honda und Yamaha zwei Giganten innerhalb kürzester Zeit historische Nullnummern. Die Einschätzung von SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott.

Es ist eine besonders geschichtsträchtige Saison. Nicht alle Meilensteine waren aber positiv. Zwei Ikonen des Motorradsports sehen sich mit historischen Misserfolgen konfrontiert, die im krassen Gegensatz zu den Errungenschaften vergangener Jahrzehnte stehen.

Allen voran Honda – und ausgerechnet auf dem Sachsenring, wo der größte Motorradhersteller der Welt in der «premier class» noch vor der seit 2013 währenden Siegesserie von Marc Márquez Eigentumsansprüche erhoben hatte. Denn schon in den drei Jahren zuvor hatte Dani Pedrosa triumphiert. Von Doohan über Rossi und Barros bis hin zu Gibernau hatten die Honda-Piloten auf dem verwinkelten deutschen GP-Kurs seit 1998 insgesamt 17 Siege gefeiert – mehr als jede andere Marke.

Bis 2022. An einem heißen Juni-Nachmittag, als Rivale Yamaha mit Quartararo einen überlegenen Sieg in Márquez-Manier feierte, räumten die Honda-Teammitglieder die Boxen mit langen Gesichtern aus. Keiner der vier Honda-Piloten hatte auch nur einen einzigen Punkt gesammelt.

Nakagami stürzte, Espargaró gab unter Schmerzen auf. Das Ride Height Device von Alex Márquez streikte und obwohl sich Stefan Bradl trotz Verbrennungen ins Ziel kämpfte, wurde er als 16. und Letzter mit keinem Punkt belohnt.

Das passierte zum ersten Mal seit 1982. Dem Jahr, als sie nach dem Debakel mit dem Ovalkolben der NR500 mit dem Dreizylinder-Zweitakter zurückkehrten. Neuankömmling Freddie Spencer fuhr neben Titelverteidiger Marco Lucchinelli und HRC-Schützling Takazumi Katayama – und Freddie stand beim ersten Anlauf in Argentinien auf dem Podest. Einzig im dritten Grand Prix war keine Honda in den Top-10 zu finden (wie laut damaligen Punktesystem erforderlich). Von da an sollte es aber vier Jahrzehnte lang kein einziges Rennen mehr geben, bei dem nicht mindestens eine Honda in die Punkteränge fuhr.

Um das in Relation zu setzen: In derselben Zeit gewann Honda 24 Konstrukteurs-Titel (und überholte MV Agusta) und den Löwenanteil der Rennsiege. Das waren keine Glückstreffer.

Die Freude währte bei Yamaha aber nicht lange, denn nur eine Woche später ereilte sie in Assen dasselbe Schicksal. Quartararo stürzte in einem verkorksten Rennen gleich zwei Mal und seine drei Markenkollegen setzten einfach ihre individuell und kollektiv katastrophale Saison fort. Zum dritten Mal in dieser Saison holte keiner von ihnen – Morbidelli, Dovizioso und Darryn Binder – auch nur einen Punkt.

Für das Yamaha-Werksteam war das der erste Totalausfall seit 1985 (wenn man die Rennen nicht zählt, in denen ROC- oder Harris-Yamaha einsprangen).

So fielen also beide Giganten des modernen Rennsports in kürzester Zeit. Keiner in den japanischen Rennabteilungen, beide mit einer langen und stolzen Tradition, wird dies auf die leichte Schulter nehmen. Ganz besonders nicht jene Ingenieure, die inzwischen ernsthaft Gefahr laufen, versetzt zu werden, und ihre Karrieren in der Abteilung für das Design von Ersatzteilen für Gepäck-Befestigungen zu beenden.

In beiden Fällen sind die Gründe dieselben. Natürlich, die Wiederauferstehung des europäischen Designs, das nicht nur von Ducati und KTM, sondern in diesem Jahr noch viel mehr von Aprilia verkörpert wird; und die Übermacht mit acht Ducati im Feld sind klarerweise wichtige Faktoren.

Was aber wirklich zählt: Honda und Yamaha verschwanden im selben Design-Loch. Sie bauten erlesene Renn-Bikes, mit denen nur ein Fahrer Rennen gewinnen kann.

Bei Honda war es schon in den vergangenen sieben Jahren so. Verständlicherweise. Denn Marc war von Anfang an brillant und die gesamte Entwicklung wurde auf ihn konzentriert. Es war aber gerade seine Brillanz, die vertuschte, dass die RC213V immer mehr verkümmerte.

Eine Reihe von erstklassigen Fahrern, deren Fähigkeiten außer Frage standen, litten in der Folge. Cal Crutchlow war einer davon, der einzige andere Honda-Pilot, der nach 2017 noch Rennen gewann. Er und andere – darunter kein Geringerer als Jorge Lorenzo – landeten mit schmerzhafter Regelmäßigkeit im Kiesbett. Beim verspäteten Saisonstart 2020 biss das Bike dann auch Marc – und seither ist Honda verloren. Das zeigen auch die trostlosen Mühen und die vielen Stürze der anderen Honda-Piloten in diesem Jahr.

Yamaha hat denselben Weg eingeschlagen. Quartararo besitzt – wie Rossi oder Lorenzo vor ihm – die besondere Fähigkeit, den Kurvenspeed und seine sanfte Technik so einzusetzen, um den Mangel an Beschleunigung und Top-Speed zu kompensieren. Er ist aber einzigartig. Weder Morbidelli noch Dovizioso, beides ehemalige MotoGP-Vizeweltmeister, kommen auch nur in seine Nähe. Sie fahren in der Folge hinterher.

Diese Entwicklung erfolgte Stück für Stück. 2020 gewann Morbidelli noch drei Rennen und wurde Vizeweltmeister – auf einem bereits ein Jahr alten Motorrad. 2022 sitzt er wie Quartararo auf der aktuellen Factory-spec M1, hat aber Mühe, überhaupt in die Punkteränge zu kommen.

Ein Glück, dass Yamaha «Fabio Fantastique» davon überzeugen konnte, den Vertrag um zwei weitere Jahre zu verlängern. Und was für ein Glück, dass Marc nächstes Jahr geflickt und herausgeputzt wieder angreifen soll.

Sonst wären die ehemaligen Leader der «premier class» in ernsthaften Schwierigkeiten.

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Von Ivo Schützbach
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