Gigi Dall’Igna: «Dann können wir daheim bleiben…»
Gigi Dall’Igna hat mit seiner Ducati Corse-Mannschaft für die MotoGP-Saison 2022 unbestritten das beste MotoGP-Rennmotorrad gebaut. Denn die Desmosedici hat in diesem Jahr bei elf MotoGP-Events schon acht Pole-Positions erreicht, es wurden drei Siege durch Pecco Bagnaia gefeiert und drei weitere durch Enea Bastianini auf der letztjährigen Desmosedici GP21. Dazu ist Ducati auf dem besten Weg, zum dritten Mal in Serie die Konstrukteurs-WM zu gewinnen.
Aber zu Saisonbeginn offenbarte die Desmosedici GP22 einige Tücken. Vizeweltmeister Pecco Bagnaia verlangte sogar eine Homologation der Motoren-Spezifikation von 2021, weil ihm dieses Triebwerk bei den letzten sechs Rennen im Vorjahr vier Siege eingebracht hat.
Aber Ducati-Corse General-Manager Gigi Dall’Igna hat sich bei den gegnerischen Herstellern in den letzten dreieinhalb Jahren durch seine technischen Innovationen alles andere als beliebt gemacht. Das begann beim Katar-GP im März 2019 durch die Verwendung des umstrittenen Hinterradspoilers, gegen den Honda, Suzuki, KTM und Aprilia protestierten, weil er als unerlaubtes aerodynamisches Hilfsmittel betrachtet wurde, das für Downforce am Hinterrad sorgt. Dall’Igna argumentierte, er diene nur der Kühlung des Hinterreifens – und kam damit durch.
Auch beim Saisonstart 2022 und bei den Wintertests in Sepang gab es wieder Aufregung. Denn Ducati setzte erstmals auch ein «Front Ride Height Device» ein, das nach heftigen Diskussionen für die Zeit nach 2022 verboten und von keinem anderen Hersteller kopiert wurde.
«Wir brauchen nichts, was die Kosten und den Top-Speed in die Höhe treibt», stellte Dorna-CEO Carmelo Ezepleta vor dem Saisonstart fest.
Und KTM-Ingenieur Sebastian Risse bezeichnete dieses mechanische System als «Steinzeit-Technologie».
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer stellte fest: «Wir geben unser Geld lieber dafür aus, bereits 2026 statt 2027 mit 100 statt 40 Prozent synthetischem Treibstoff fahren zu können, das planen wir freiwillig.»
Inzwischen kann sich auch Aprilia-Renndirektor Massimo Rivola so eine Maßnahme vorstellen.
«Es gab einige Fahrer, die haben das ‘Front Device’ bereits bei den ersten Rennen verwendet, andere erst später», bestätigte Dall’Igna jetzt im Interview mit SPEEDWEEK.com. Manche Werke und Fahrer meinten, sie hätten schon bis zu elf Knöpfe im Cockpit, die im Rennen bedient werden müssen. Die vielen Devices würden vom Fahren am Limit ablenken.
«Ich stimme da nicht zu», entgegne Dall’Igna, der in der WM 2022 acht Fahrer ausrüstet, drei davon (Bastianini, Di Giannantonio und Bezzecchi ) mit vorjährigen GP21-Maschinen.
«Es geht nicht um die Anzahl der Knöpfe», ergänzte er. «Für die Fahrer macht ein zusätzlicher Knopf keinen Unterschied bei der Beanspruchung des Piloten.»
Doch Dall’Igna widerspricht Ezpeleta nicht, wenn der Spanier betont, man brauche weder höhere Kosten, noch mehr Top-Speed. «Da stimme ich zu», räumt der Ducati-Rennchef ein, der im Oktober 2013 von Aprilia nach Borgo Panigale kam. «Aber es ist unsere Aufgabe, die Rennmotorräder jedes Jahr besser und konkurrenzfähiger zu machen. Dazu haben wir die Entwicklungsabteilung. Wenn wir nichts mehr entwickeln dürfen, was laut Reglement erlaubt ist, können wir gleich daheim bleiben», lacht der erfolgreiche Konstrukteur.
Kann sich Gigi Dall’Igna vorstellen, bei Ducati schon 2026 mit 100 Prozent «Bio Fuel» zu fahren?
Dall’Igna weicht aus: «Ich hätte einige Restriktionen hingenommen, wenn wir dafür für das Verbot des ‘Front Ride Height Devices’ vermeiden hätten können. Aber am Ende wollte in der MSMA niemand unseren Vorschlägen folgen. Ich würde es gerne weiterverwenden.»
Ducati hat bereits Berechnungen für den «Bio Fuel» angestellt. «Wir werden damit nicht viel Motorleistung verlieren», sagt Dall’Igna. «Der PS-Verlust wird unter 10 Prozent liegen.»