Rücktritt des Jahres: Mit Dovi ging eine Ära zu Ende
Nach den Rücktritten von Pedrosa, Lorenzo, Rossi und Co. war der Schritt von Andrea Dovizioso sinnbildlich für den Generationswechsel, den die MotoGP-WM in den jüngsten Jahren erlebte.
«Ja, übrig ist nur Aleix Espargaró, der ein gewisses Alter hat, aber Aleix ist auch erst in diesem Jahr so richtig explodiert», gab «Dovi» zu bedenken. «Man kann also schon sagen, dass ich der Letzte aus der Generation war. Das lässt einen nicht kalt… Es ist aber auch ein natürlicher und normaler Wechsel, der Teil des Spiels ist.»
Für den 125er-Weltmeister von 2004 und total 24-fachen GP-Sieger (15 Siege allein in der MotoGP-Klasse) ist es eine Freude, dass sich sein Weg in der Motorrad-WM mit solch großen Namen gekreuzt hat. Er erinnert sich aber auch an die Schattenseiten dieses Privilegs: «Es war mühsam, es war sehr kompliziert, mit diesen Champions in der WM zu fahren. Ich habe deshalb viele schlaflose Nächte verbracht», schmunzelte der dreifache MotoGP-Vizeweltmeister. «Gleichzeitig haben sie mich aber auch angespornt, mich immer weiter zu verbessern. Dass ich dann auch und vor allem gegen Ende meiner Karriere noch Ergebnisse eingefahren habe, bedeutet, dass ich nie aufgegeben und gut gearbeitet habe.»
Tatsächlich erlebte Dovizioso seine erfolgreichsten MotoGP-Jahre nach seinem 30. Geburtstag: 2017, 2018 und 2019 musst er sich jeweils nur einem Marc Márquez in Bestform geschlagen geben. Einige spannende Duelle der beiden bis auf die letzten Meter (Stichwort Spielberg) werden den Fans noch lange in Erinnerung bleiben.
Im Rückblick sieht Dovizioso aber nicht nur Marc Márquez als seinen großen Gegner. «Es gab viele, in unterschiedlichen Momenten und Kategorien», erklärte der Italiener. «Simoncelli war der erste, weil wir schon mit acht Jahren gegeneinander angetreten sind. Dann kam Lorenzo, auf den ich schon in der Europameisterschaft getroffen bin. Dazu Dani Pedrosa, Casey Stoner, Valentino Rossi und Marc Márquez – das waren meine größten Gegner, aber es waren eigentlich noch viel mehr. Und es war immer gegen alle sehr kompliziert.»
Von wem lernte Dovi denn am meisten? «Von allen», erwiderte er ohne zu zögern. «Ich habe von allen sehr viel gelernt. Ich habe immer versucht, viel zu analysieren. Du kannst einen Champion nicht kopieren, aber du kannst versuchen, sie zu verstehen. Das hat mir in sehr vielen Aspekten sehr viel gebracht. Denn jeder hat seine charakteristischen Eigenschaften, jeder ist irgendwo besonders stark und irgendwo schwächer.»
Als technisch versierter und analytischer Tüftler und Arbeiter, dessen nie banale Erklärungen ihm den Spitznamen des MotoGP-Professors einbrachten, trug Dovizioso in acht Ducati-Jahren seinen Teil zum Aufstieg des italienischen Herstellers bei. Allerdings kam es spätestens 2020 zu unüberbrückbaren Differenzen mit der Spitze in Borgo Panigale, statt der Vertragsverlängerung legte der dreifache Vizeweltmeister ein Sabbatjahr ein.
Bemerkenswert: Seit seinem WM-Debüt als Stammfahrer im Jahr 2002 hatte Dovi bis zum Saisonfinale 2020 kein einziges Rennen verpasst und 326 Grand Prix in Serie bestritten!
Als sich im Sommer 2021 die Wege von Yamaha und Maverick Viñales trennten, bot sich für Dovizioso die Chance auf ein Comeback. Zur Erinnerung: 2012 hatte der Italiener die WM auf der Tech3-Yamaha noch als Gesamtvierter beendet.
Der Neuanlauf war allerdings nicht von Erfolg gekrönt, ganz im Gegenteil: Dovizioso gelang auf der aktuellen M1 kein einziger Top-10-Platz. Das darf – neben der Performance seines Yamaha-Markenkollegen Franco Morbidelli – getrost als die Enttäuschung des Jahres 2022 betitelt werden. Immerhin träumten Razlan Razali und Co. zu Beginn der Saison noch von Top-3-Ergebnissen.
In der Sommerpause zog Dovi schließlich die Reißleine und einigte sich mit Yamaha und RNF auf ein frühzeitiges Saisonende: Mit Platz 12 beim Heimrennen in Misano am 4. September beendete er seine 20-jährige GP-Karriere.
Ein zweites Comeback ist kein Thema mehr. «Nein, nein», winkte der mittlerweile 36-Jährige entschlossen ab. Mit seinem eigenen «04 Park – Monte Coralli» erfüllt sich Dovizioso stattdessen nun in Faenza seinen persönlichen Offroad-Traum.
Die MotoGP-Karriere von Andrea Dovizioso
2008: WM-5. auf SCOT-Honda, 174 Punkte
2009: WM-6. auf Repsol-Honda, 160 Punkte, 1 GP-Sieg
2010: WM-5. auf Repsol-Honda, 206 Punkte
2011: WM-3. auf Repsol-Honda, 228 Punkte
2012: WM-4. auf Tech3-Yamaha, 218 Punkte
2013: WM-8. auf Ducati, 140 Punkte
2014: WM-5. auf Ducati, 187 Punkte
2015: WM-7. auf Ducati, 162 Punkte
2016: WM-5. auf Ducati, 171 Punkte, 1 GP-Sieg
2017: WM-2. auf Ducati, 261 Punkte, 6 GP-Siege
2018: WM-2. auf Ducati, 245 Punkte, 4 GP-Siege
2019: WM-2. auf Ducati, 269 Punkte, 2 GP-Siege
2020: WM-4. auf Ducati, 135 Punkte, 1 GP-Sieg
2021 (mit nur 5 von 18 Rennen): WM-24. auf Yamaha, 12 Punkte
2022 (mit 14 von 20 Rennen): WM-21. auf Yamaha, 15 Punkte