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Marc Márquez und Honda: The Power of Dreams?

Von Günther Wiesinger
Honda verfügt in der MotoGP über das größte Budget, baut aber seit drei Jahren die erfolglosesten Motorräder. Eine Revolution wäre dringend nötig, aber es wird einfallslos weitergewurstelt.

Einem echten Honda-Fan zerreißt es das Herz, wenn er beobachtet, wie dilettantisch die Honda Racing Corporation den wichtigen Dreitage-Test auf dem Sepang-Circuit abgewickelt hat. Die vier Honda-Werksfahrer Marc Márquez, Joan Mir, Alex Rins und Taka Nakagami und Taka Nakagami landeten unter 22 Stammfahrern auf den Rängen 10, 12, 19, und 21.

Angesichts dieser Performance nach drei Jahren mit insgesamt drei GP-Siegen (durch Márc Marquez 2021) und zwei kargen Podestplätzen in der desaströsen Saison 2022 kann man sich eigentlich jeden weiteren Kommentar ersparen. Die Resultate sprechen Bände; sie sind zum Haareraufen.

Man kann sich ausmalen, was Marc Márquez momentan den Honda-Ingenieuren nach jedem Testtag bei den Technical Debriefs erzählt, wie stark er da auf den Tisch haut, wenn er sich schon vor der Presse kein Blatt mehr vor den Mund nimmt und alle nötigen Wahrheiten recht gnadenlos ausspricht.

Mit dieser Kritik hat Marc Márquez bereits beim Mugello-GP 2022 begonnen, weil er damals wusste: «Diese vierte Operation ist meine letzte Chance.»

Wäre der Eingriff in Amerika nicht erfolgreich gewesen, hätte Marc seine Karriere vermutlich Ende 2022 beenden müssen, weil er auf die Dauer kein Interesse daran hat, dauernd hinter der Konkurrenz herzufahren und siebte oder zehnte Plätze einzuheimsen.

Einem Superstar und Ausnahmekönner wie Marc Márquez, der vielleicht der beste Motorradrennfahrer aller Zeiten ist und unbestritten zu den All-time-Top-3 gehört, vielleicht gemeinsam mit Hailwood und Rossi, kommt das Grauen, wenn er wie am Samstag in Sepang nur eine Position vor dem namenlosen Italiener Fabio Di Giannantonio liegt, der bei Gresini Racing eine Gebraucht-Ducati aus der Saison 2022 steuert.

«Auf einer Ducati kann jeder schnell fahren», klagte Marc schon in der Saison 2022. Jetzt macht es auch sein kleiner Bruder Alex vor.

Während bei Ducati allein in den letzten zwei Jahren jeweils drei verschiedene Fahrer siegten (2021: Bagnaia, Miller, Martin, dann 2022: Bagnaia, Bastianini, Miller), hat bei Honda seit 2017 immer nur Marc Márquez gewonnen, mit Ausnahme der drei Siege von Cal Crutchlow, die meist auf nasser Fahrbahn stattfanden.

Eigentlich hätte den Honda-Managern schon 2019 ein Licht aufgehen sollen: Damals verlor Crutchlow in der Moto-GP-WM als zweitbester Honda Fahrer 287 Punkte auf Weltmeister Marc Márquez.

Damit war klar: Die Honda ist auf den Spanier zugeschnitten. Und außerdem lässt die Qualität des Fahrerreservoirs bei Honda stark zu wünschen übrig.

Honda ohne Winglets: «Back to the future» 

«Honda hat lange gebraucht, um auf dieses tiefe Niveau abzusinken», bemerkte ein Ingenieur in Sepang. «Sie werden genauso lange brauchen, um wieder an die Spitze zu kommen.»

Die Gründe für das unterirdische Gebaren von Honda in der MotoGP-WM sind mannigfaltig.

Man weiß, dass es vor ein paar Jahren Budgetkürzungen für die MotoGP gab, weil 250 Millionen Euro im Jahr in die Entwicklung der Formel-1-Motoren investiert wurden.

Aber Honda verfügt immer noch über das größte Budget aller MotoGP-Hersteller. Doch langjähriger Erfolg macht träge.

Wenn die Japaner so weitermachen, bekommen sie für 2024 sogar die «Concessions»-Privilegien, die eigentlich den Neueinsteigern vorbehalten sein sollten. «Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird», sagte ein Honda-Mann in Malaysia im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Zitieren lässt sich inzwischen keiner mehr, der seinen Job behalten will, denn die HRC-Manager mit dem grantigen Kuwata an der Spitze haben allen Teammitgliedern einen Maulkorb umgehängt.

Bisher sind die MotoGP-Bikes durch diese Maßnahme, die im ganzen Fahrerlager vorrangig Belustigung hervorruft, aber noch nicht wesentlich schneller geworden.

Ich bin zwar kein ausgesprochener Communications- und Marketing-Experte. Aber ich habe bisher immer gehört, die Werke betrachten den Motorsport als Plattform zur Imagepflege und zur Erhöhung des Markenwerts.

Bei HRC hat in all den Jahrzehnten offenbar nie jemand begriffen, dass das Budget für die Rennabteilung im Grunde von den Landesimporteuren bezahlt wird und von den Händlern, die durch unermüdliches Rackern in einem erbarmungslosen Marktumfeld die Honda-Produkte mühsam an den Mann bringen.

Nur bei HRC werden fast 100 Millionen Euro im Jahr verpulvert, um sich lächerlich zu machen und den Ruf des Hauses aufs Spiel zu setzen.

«Honda enters, Honda wins.» Wer erinnert sich noch an diesen langjährigen Erfolgsslogan? Heute wirkt er makaber. «The Power of Dreams», auch diese Werbebotschaft hat zumindest in der MotoGP und Moto3 seit drei Jahren keine Berechtigung mehr. 

Marc Márquez beklagte sich in Sepang, weil sich sein Motorrad in den drei Monaten seit dem Valencia-Test kaum verändert hat. Er verlor 0,777 Sekunden auf die Bestzeit. Honda schickte ihn sogar einmal mit einer Verkleidung ohne Flügel auf die Piste, man fühlte sich ins Jahr 2016 zurückversetzt. «Back to the future», lautet die neue Honda-Devise.

Firmengründer Soichiro Honda, dessen Fahrzeuge im Motorsport alles gewonnen haben, was es zu gewinnen gab, würde sich im Grab umdrehen. Der Sohn eines Schmieds investierte mit 31 Jahren seine ganzen Ersparnisse von $ 3200.- in eine Kolbenringfirma und gründete später einen Weltkonzern. Er kam 1985 noch zum Jarama-GP, bewunderte dort Freddie Spencer beim Titelkampf (250 und 500 ccm) und starb 1991 mit 84 Jahren. 

«Warum bestreiten wir Rennen», fragte Mr. Honda in den 1960er-Jahren seine Mitarbeitenden. «Es geht nicht nur um den Wettbewerb. Wir betreiben ein rollendes Labor. Das ist die Grundlage, um die besten Fahrzeuge der Welt zu erschaffen. Sie müssen von Honda sein, etwas anderes ist unvorstellbar.»

Was ist nur aus dieser bewundernswerten Honda-Philosophie geworden? 

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