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Márc Márquez: Ist Honda-Abschied nach 2023 denkbar?

Von Günther Wiesinger
Lorenzo, Zarco und Viñales haben ihre Verträge bei Honda, KTM und Yamaha in den letzten drei Jahren frühzeitig beendet. Folgt Marc Márquez nach 2023 diesen Beispielen?

Die angespannte Situation bei Honda war beim MotoGP-Test vor einer Woche auf dem Sepang Circuit mit den Händen greifbar. Denn der sechsfache MotoGP-Weltmeister Marc Márquez (29) hat nach dem Valencia-Test im November klargestellt, dass der erste Prototyp kein Sieger-Motorrad für 2023 sei, er erwarte klare Verbesserungen für Sepang.

Doch die seit mehr als drei Jahren ratlosen Ingenieure der Honda Racing Corporation haben für den wichtigen Dreitage-Test in Malaysia keine sehenswerten Neuigkeiten entwickelt. Es ist ihnen sogar gelungen, den Rückstand vom Sepang-GP im Oktober 2022 noch ein bisschen zu vergrößern. Damals verlor Márquez mit der Honda mit 1:58,454 min genau 0,664 Sekunden auf die Bestzeit. Jetzt fehlten ihm 0,777 Sekunden.

Und man muss kein Spitzentechniker sein, um festzustellen: Wenn Honda außer einer deutschen Aluschwinge und Akropovič-Auspuffanlagen nichts einfällt, dann wird der sechste und letzte Platz in der Marken-WM des weltgrößten Herstellers nicht so rasch in Gefahr kommen.

Denn auch auf dem wichtigen Feld der Aerodynamik ist Honda bisher nichts anderes eingefallen, als mit einem gewissen Zeitabstand Aprilia und Ducati zu kopieren.

Und den Gipfel der Ratlosigkeit stellte die Verzweiflungstat dar, Stefan Bradl und Marc Márquez am letzten Nachmittag gleich ohne Winglets auf die Piste zu schicken.

Der 59-fache MotoGP-Sieger Marc Márquez machte aus seinem Herzen in Malaysia keine Mördergrube. Er stellte klar, dass sich am Motorrad in den drei Monaten seit Valencia nichts verändert hat. Und vom neuen Technical Manager Ken Kawauchi ist er bisher offenbar nicht sonderlich beeindruckt.

Honda braucht nach der katastrophalen Saison 2022 (kein Sieg, nur zwei Podestplätze bei 20 Rennen) dringend eine technische Revolution. Aber die Einfallslosigkeit ist so immens, dass nach drei mageren Jahren noch keine Richtung definiert wurde.

Die Japaner und Teammanager Alberto Puig wissen immerhin inzwischen: «Wir sind in allen Bereichen im Rückstand.»

Marc Márquez grübelt: «Die Motorleistung stimmt, aber wir bringen sie nicht auf die Fahrbahn. Es fehlt ganz klar an Traktion, wir erreichen den Top-Speed viel später als die Gegner.»

Es wird also weitergewurstelt und der Rückstand gewissenhaft verwaltet.

An den Boxen rennen die japanische HRC-Bosse Kuwata, Kokubu und Kawauchi mit mürrischen Mienen herum. Wie lang sich HRC-Präsident Wakaibayashi auf seinem Posten halten kann, ist offen.

Dabei sind bei HRC auch Fortschritte zu sehen. Immerhin gelang es den Logistik-Experten von HRC diesmal, das Motorrad von Testfahrer Stefan Bradl rechtzeitig von Jerez nach Sepang zu befördern.

Letztes Jahr schaffte es HRC nicht. Bradl verpasste den ersten Shakedown-Testtag, seine Crew musste aus Ersatzteilen ein neues Bike aufbauen.

2022 hatte sich Honda eingebildet, man könnte die Fracht aus Jerez innerhalb von 24 Stunden von Andalusien nach Kuala Lumpur transportieren. Ducati hatte Testfahrer Michele Pirro im Vorjahr entgegen den Gepflogenheiten nicht zum SBK-Test in Jerez geschickt, weil jedem halbwegs aufgeweckten Menschen klar sein musste: Die Bikes treffen nie rechtzeitig in Sepang im Fahrerlager ein.

Honda muss 2023 liefern, sonst ist Márquez weg

Die düsteren Mienen bei den Honda-Managern haben handfeste Ursachen. Im Repsol-Team ist jedem Beteiligten klar: Wenn Honda 2023 nicht liefert, hört Marc Márquez nach 2023 auf – oder er geht zur Konkurrenz.

Seinen Bruder Alex hat er schon mal als Vorboten zu Ducati geschickt. Der ehemalige Moto3- und Moto2-Weltmeister hatte schon für 2020 ein Moto2-Angebot vom Petronas-Sprinta-Team, 2021 sollte er für Petronas-Yamaha in der MotoGP fahren.

Doch Yamaha wollte Alex Márquez-Manager Emilio Alzamora nicht als Spion in der Box dulden, weil er von dort schnurstracks zu seinem zweiten Schützling Marc Márquez in die HRC-Box wechseln würde und der spanische Fahrer-Manager immer als Honda-Mann galt. Er gewann die 125er-WM 1999 auf Honda und bildete dann mit starkem Honda-Support ein Moto3-Team, in dem Alex Márquez 2014 die WM gewann.

Heute agiert der junge Spanier Jaime «Jimmy» Martinez als Manager von Marc und Alex Márquez. Er arbeitet im Vergleich zu Alzamora sehr im Hintergrund. Und als ehemaliger Weltklasse-Wakeboarder und Red Bull-Marketing-Experte ist er eher nicht dazu prädestiniert, nach einem Boxenbesuch technische Geheimnisse auszuplaudern, für die sich außerdem kein Mensch interessiert, solange Honda hinterherfährt.

Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass auch Marc Márquez 2024 das Fabrikat wechselt, ist schwer zu beurteilen. Sie wird mit jeder Niederlage wechseln und mit jedem Ergebnis außerhalb der Top-3 wachsen.

Die HRC-Manager haben sich bei Marc in den letzten Jahren auf vielfache Weise unbeliebt gemacht. Zum Beispiel, als sie Alex für 2020 ins Repsol-Team holten, ihn aber dann vor dem ersten Rennen für 2021 und 2022 schon durch Pol Espargaró ersetzten, der in zwei Jahren mit der Honda RC213V zwei Podestplätze erzielt hat, gleich viele wie Alex in seinem Rookie-Jahr 2020!

In einem DAZN-Interview erklärte Marc Márquez kürzlich, er habe in seinem HRC-Vertrag kein Schlupfloch entdeckt, das ihm einen Ausstieg aus dem Deal zum Saisonende 2023 erlauben würde.

Dann ergänzte er, er wolle sich nicht schon zwei Monate vor dem ersten Rennen mit einer vorzeitigen Vertragsauflösung beschäftigen.

Aber spätestens Ende April in Jerez oder im Mai in Le Mans wird dieses Thema akut werden, wenn der Honda-Superstar dann ähnliche Ergebnisse einfährt wie 2022 und keine Titelchance hat.

Dann wird abgeklärt, welche Hersteller sich eine Zusammenarbeit mit dem erfolgreichsten GP-Fahrer der letzten 15 Jahre vorstellen könnten.   

Das wäre für Honda der Größte Anzunehmende Unfall, ein SuperGAU.

Kein Wunder, wenn bei den HRC-Managern die Nerven blank liegen.

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