Carmelo Ezpeleta versteht Wirbel wegen GASGAS nicht
Manche MotoGP-Fans und Berichterstatter können sich bisher nicht mit der Tatsache abfinden, dass die Pierer Mobility AG 2023 das französische Kundenteam von Hervé Poncharal nach vier Jahren nicht mehr als KTM-Kundenteam in die WM schickt, sondern unter der Bezeichnung GASGAS Factory Racing Tech3 antreten lässt.
Tatsächlich ist die Situation auf den ersten Blick verwirrend: Denn in den Pressemitteilungen werden die Bikes zwar als GASGAS RC16 bezeichnet, in den Ergebnislisten heissen sie aber KTM. Und GASGAS gilt auch in der Konstrukteurs-WM nicht als eigenes Fabrikat.
Der Grund: GASGAS-Team (Stammfahrer: Pol Espargaró, Augusto Fernández) setzt mit der RC16 die baugleichen Motorräder wie das Red Bull KTM Factory Team (Binder, Miller) ein und hat deshalb auch identische Bikes homologiert.
Dadurch gilt GASGAS nicht als Neueinsteiger und nicht als eigene Marke, obwohl dies zum Beispiel in der Moto3-WM möglich ist, wo die Pierer-Gruppe auch Husqvarna und CFMotoGP als eigene Fabrikate bewirbt, obwohl alle vier Fahrzeuge baugleich sind.
Warum das in der MotoGP nicht möglich ist, liegt auf der Hand: GASGAS kann nicht als Neueinsteiger betrachtet werden, weil die Motorräder eine gemeinsame Homologation mit den baugleichen KTM RC16 haben.
Eine eigene MotoGP-Entwicklung für GASGAS lehnt Firmenchef Stefan Pierer ab, weil sie zusätzlich einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen würde.
«Wir setzen bei allen Marken und Serien auf unsere bewährte Plattform-Strategie, die sich ja auch im Automobilsport vielfach bewährt hat», erklärte Stefan Pierer gegenüber SPEEDWEEK.com.
Die Mitbewerber wie Honda, Yamaha, Aprilia und Ducati haben an diesem Konzept nichts auszusetzen.
«Wenn Ducati andere Marken besitzen würde, wie es in der Vergangenheit der Fall war, würden wir heute vielleicht auch mit einem unserer MotoGP-Teams ein zweites Fabrikat promoten. Aber wir haben keine zweite Marke. Für mich ist das Konzept der Pierer-Gruppe in Ordnung; es ist eine Marketing-Entscheidung»», sagt Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti.
Zur Erinnerung: Ducati war in der Vergangenheit eine Zeit lang Bestandteil einer Firmengruppe der Cagiva-Gründer Giovanni und Gianfranco Castiglioni. Sie kauften Ducati 1980 vom staatlichen VM-Konzern und besassen dazu das Cagiva-Werk, das aus der Marke Aermacchi entstanden war. So wurde der Motorradabsatz von 8000 Einheiten (1980) auf ca. 50.000 Einheiten im Jahr 1985 gesteigert.
1987 erwarben die Brüder Castiglioni auch den schwedischen Offroad-Hersteller Husqvarna; 1986 war bereits die Traditionsmarke Moto Morini übernommen worden. 1992 kauften die Brüder auch die Namensrechte an MV Agusta. Doch Ende der 1990er Jahre geriet die Cagiva-Gruppe in eine wirtschaftliche Schräglage, Ducati musste wieder verkauft werden.
Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta hat wenig Verständnis für die Kritiker der Pierer-Gruppe aus Österreich, die jetzt in der MotoGP eine zweite Marke promoten.
«Was gibt es da auszusetzen? Die Pierer Mobility nützt weiter die beiden Teamplätze von Tech3-Chef Poncharal, denn GASGAS gilt nicht als MotoGP-Hersteller. In der Hersteller-Vereinigung wird GASGAS von KTM repräsentiert, nicht von GASGAS. In der Marken-WM werden die Bikes als KTM bezeichnet», betonte Ezpeleta im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Diese Maßnahmen sind eine Entscheidung von Herrn Pierer. Er hat mit uns eine Vereinbarung als Factory Team mit KTM und eine andere mit Tech3 als Independent Team, bei dem GASGAS sozusagen als Sponsor auftritt. Worüber beschweren sich die Leute also?»