Gino Borsoi: «Das nächste Jahr wird schwieriger»
Gino Borsoi
Nach 17 Jahren, total 84 GP-Siegen und sechs WM-Titeln im spanischen Aspar Team erreichte Gino Borsoi (49) gleich in seiner ersten Saison als MotoGP-Teammanager von Prima Pramac Racing einen historischen Meilenstein: Erstmals sicherte sich mit der Ducati-Kundenmannschaft von Paolo Campinoti ein Independent Team die Krone in der Teamwertung.
Bis zum Saisonfinale in Valencia wahrte Jorge Martin auch die Chance darauf, als erster Fahrerweltmeister aus einem Kundenteam in der MotoGP-Viertakt-Ära ein weiteres Kapitel Geschichte zu schreiben. Zwar verlor er den WM-Kampf im letzten Rennen gegen Ducati-Werksfahrer und Titelverteidiger Francesco «Pecco» Bagnaia, die Bilanz des 25-jährigen Spaniers war mit vier Erfolgen in den GP-Rennen und neun Siegen über die kurze Sprint-Distanz dennoch bemerkenswert.
Dazu triumphierte auf Phillip Island in seinem 120. MotoGP-Rennen erstmals auch der zweifache Moto2-Weltmeister Johann Zarco in der Königsklasse, ehe der 33-jährige Franzose nach der Saison von Pramac zu LCR Honda wechselte. Seinen Platz übernimmt der 29-jährige Franco Morbidelli, Moto2-Champion von 2017 und MotoGP-Vizeweltmeister von 2020.
Im Interview mit SPEEDWEEK.com blickt Gino Borsoi zurück und voraus.
Gino, 2023 war eine sehr erfolgreiche Saison für Prima Pramac Racing. Im Hinblick auf 2024 steigen damit die Erwartungshaltung und Druck automatisch an. Bereitet dir das – bei all der Freude über das Erreichte – auch ein bisschen Kopfzerbrechen?
Die Messlatte haben wir dieses Jahr tatsächlich etwas höher gelegt. Es ist nie leicht, die Erfolge zu wiederholen. Im nächsten Jahr wird es auch andere konkurrenzfähige Fahrer auf der Ducati geben, es wird also schwierig werden.
Ich muss aber sagen, dass wir eine großartige Mannschaft haben, die einen unglaublichen Job gemacht hat – angefangen bei Campinoti, der große Boss des Teams und eine herausragende Persönlichkeit, dessen Herangehensweise sich auch in der Arbeitsweise aller Jungs widerspiegelt. Alle haben dieses Jahr immer 100 Prozent gegeben und nie nachgelassen. Es hat Rennen gegeben, in denen wir gefallen sind, danach sind wir aber wieder aufgestanden – mit dem Willen zu zeigen, dass wir dabei waren. Mein Dank geht daher an die Mannschaft. Wenn wir diese Ziele erreicht haben, dann verdanken wir das vor allem einem großartigen Chef wie Paolo Campinoti, der mir die Chance gegeben hat, in der MotoGP mit Ducati und Prima Pramac zu arbeiten, den Jungs und den Fahrern, die eine unglaubliche Saison hingelegt haben.
Ist es möglich, die Erfolge zu wiederholen? Ich glaube schon. Es fehlt uns an nichts, wir haben zwei großartige Fahrer, ein großartiges Motorrad und die komplette Unterstützung von Ducati, die uns in der gesamten Saison nie gefehlt hat. Das war einer der Schlüssel, um bis Valencia um den WM-Titel zu kämpfen.
Dass auch ein Kundenteam den MotoGP-Weltmeister stellen kann, scheint spätestens nach dieser Saison bewiesen.
Wir waren nahe dran. Das letzte Puzzlestück hat im letzten Rennen gefehlt, wir haben aber – gemeinsam mit Ducati – bewiesen, dass auch ein nicht offizielles Team um einen WM-Titel kämpfen kann. Es war bis zum Schluss greifbar. Warum sollten wir es im nächsten Jahr also nicht wieder versuchen?
Jorge Martin präsentierte sich gerade in der zweiten Saisonhälfte in bestechender Form. Wie beurteilst du seine Entwicklung und wie schätzt du ihn auch im Hinblick auf 2024 ein?
Jorge hat vom Anfang der Saison an eine große Steigerung gezeigt. Ich sage das mit dem größten Respekt vor Pecco, zur Hälfte der Saison war Jorge der konkurrenzfähigste Fahrer. 66 Punkte Rückstand haben wir in sieben Punkte Vorsprung umgewandelt. In dieser Phase der WM war Jorge mit Sicherheit der kompletteste Fahrer. In der letzten Phase haben auch andere Elemente mitgespielt, aber Jorge wird für nächstes Jahr sicherlich einer der Fahrer bleiben, die um die WM kämpfen werden.
Es wird an uns liegen, keine Fehler zu machen. Ein paar kleine Fehler sind uns unterlaufen. Wir haben verstanden, was wir falsch gemacht haben, und werden versuchen, diese Fehler nicht zu wiederholen.
Apropos finale WM-Phase: Die Antwort von Michelin bezüglich des viel diskutierten Katar-Hinterreifens von Jorge Martin, mit dem er als Titelanwärter einen Tag nach seinem Sprintsieg im GP-Rennen von Doha als Zehnter viele Punkte liegen gelassen hat, lässt weiter auf sich warten?
Ganz ehrlich, ich möchte nicht weiter Öl ins Feuer gießen. (Er schmunzelt.)
Ich will keine Diskussionen über Dinge anzetteln, die wir ehrlich gesagt noch nicht wissen, weil die letzte Überprüfung – eine sehr wichtige – noch aussteht. Ich hoffe, dass wir schnellstmöglich eine Antwort bekommen werden. Zu Beginn des Jahres 2024 ist schon ein weiteres Treffen zwischen Michelin, Ducati und uns angesetzt, um die Daten der Analyse des Reifens besser zu beurteilen und zu verstehen, dann werden wir sehen.