Jack Miller (KTM): «44 Rennen? Werde dafür bezahlt»
2023 erlebten wir die erste GP-Saison mit dem neuen Sprint-Format, ganze 39 Rennen (ausgerechnet der Sprint beim Miller-Heimspiel auf Phillip Island fiel Wind und Wetter zum Opfer) standen für die MotoGP-Asse an 20 GP-Wochenenden auf dem Programm. 2024 erwartet die Motorrad-WM mit 22 Grands Prix der bisher längste Kalender überhaupt, damit sind für die Königsklasse 44 Starts geplant.
Es ist kein Geheimnis, dass einige Fahrer diese Entwicklung kritisch sehen. Red Bull-KTM-Pilot Jack Miller (28) gehört nicht dazu, er verließ seine Heimat Australien bereits mit 15 Jahren, um seinen Traum als Rennfahrer zu leben.
Jack, im ersten Teil unseres Interviews zu deiner ersten Saison auf der KTM RC16 hast du erklärt: Je mehr man auf dem Motorrad sitzt, umso besser wird man. Sind 44 Rennen pro Saison für dich also okay?
Klar. Nach der Saison bin ich müde, aber ich werde dafür bezahlt, auf diesem Bike 44 Mal im Jahr Rennen zu fahren.
Es ist interessant, dass MotoGP-Fahrer bei diesem Thema ganz unterschiedliche Ansichten haben. Fabio Quartararo zum Beispiel findet, dass man nicht an jedem Wochenende einen Sprint braucht. Brad Binder antwortet auf dieselbe Frage: «Ich verlasse Südafrika Ende Januar und komme am 1. Dezember wieder nach Hause zurück. Warum glaubst du, mache ich das? Um Rennen zu fahren.»
So ist es. Ich komme während der Saison nicht nach Andorra, um auf meinem Sofa zu sitzen, Rad zu fahren, zu joggen oder was auch sonst immer… Ich mache es, um Rennen zu fahren. Das ist, was ich liebe, und aus meiner Sicht ist das Jahr umso schneller rum, je mehr Rennen wir fahren. Wenn du eine freie Woche hast und in Andorra sitzt, dann ist eine Runde mit dem Fahrrad oder das Training im Gym das Highlight deines Tages. Das macht keinen Spaß, es ist langweilig für uns als Ausländer.
Das soll man nicht falsch verstehen, ich habe zum Beispiel Brad dort und das ist schön, aber er ist nicht meine Familie. Wir sind Kumpel, wir sind gute Freude, aber ich habe auch Freunde, die ich seit meiner Kindheit kenne, ich habe meine Familie und ich freue mich am meisten darauf, mit ihnen Zeit zu verbringen.
Alle sagen, dass du ein guter Teamkollege bist, der für gute Stimmung sorgt.
Es kann sein, dass ich von einigen anders wahrgenommen werde also von anderen. Viele Leute halten mich für den verrückten Kerl aus Australien, aber letzten Endes verbringen wir im Team viel Zeit miteinander. Am Ende werden diese Leute zu deiner Familie, weil man lange gemeinsam unterwegs ist. Man muss sich also wohl fühlen und sich darauf freuen, jeden Tag in die Box zu kommen, anstatt zu sagen: «Die schon wieder.»
Ich bin auch mit vielen Leuten um mich herum aufgewachsen – Freunde, Familie und Leute, die für meine Eltern gearbeitet haben und in unserem Haus gewohnt haben… Und wenn man nach Europa kommt und bei anderen Leuten zu Hause lebt, lernt man keine unnötigen Probleme zu schaffen, weil du sonst aus dem Haus fliegen könntest und keinen Platz zum Schlafen mehr hast. Man lernt also, nicht auf jede Kleinigkeit zu reagieren, weil man es zehn Minuten oder eine halbe Stunde später ohnehin vergessen hat.
So ist mein Charakter. Ich möchte, dass es alle genießen können. Wir haben ein fantastisches Leben, in dieser Welt und vor allem mit diesem Job. Probleme zu schaffen bringt nichts. Wenn man alles negativ betrachtet, wäre es eine ziemlich beschissene Situation.
Nochmal zurück zu den 44 Rennen, die 2024 geplant sind. Was würdest du von einem Streichresultat halten, damit zum Beispiel der Faktor Reifen neutralisiert werden könnte. Auch für Fahrer, die nach einer Verletzung zurückkommen, würde es das Comeback einfacher machen.
Eine Art Joker… Ich verstehe, dass manchmal ein Reifen schlechter funktioniert als ein anderer, so ist es im Leben. Das kann auch passieren, wenn du ein Auto oder sonst etwas kaufst. Wenn Leute Dinge von Hand fertigen, wird es immer Unterschiede geben.
Ich habe einen sehr schwierigen Moment durchgemacht, als ich die Weltmeisterschaft an Alex Márquez verloren habe [2014 in der Moto3] und viel Zeit damit verbracht habe, viele Leute dafür verantwortlich zu machen – außer mich selbst. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass es in Wahrheit ich war, der die WM verloren hatte, und niemand sonst. Es war meine Schuld. Es gab so viele Rennen, in denen das Motorrad funktioniert hat, in denen ich einen guten Job gemacht habe – bis dann ein dummer Fehler passiert ist.
In dieser Welt ist es manchmal schwierig, es zuzugeben, wenn die Dinge funktionieren. Jeder hat aber auch einmal den Tag, an dem der Reifen schlecht ist. Manchmal hat man Glück, weil es im FP2 passiert, ein anderes Mal passiert es im GP-Rennen.