Marco Bezzecchi: «Nicht nur eine Herzensentscheidung»
Marco Bezzecchi zählte als WM-Dritter mit drei Siegen und total sieben Podestplätzen aus 20 GP-Rennen zu den herausragenden Fahrern des MotoGP-Jahres 2023: Im Regen von Termas de Río Hondo gewann der VR46-Schützling sein erstes MotoGP-Rennen, zwischenzeitlich führte er dadurch sogar die WM-Tabelle an. In Le Mans triumphiert er ein zweites Mal, in Assen erstmals auch über die Sprint-Distanz. Bei der Indien-Premiere war «Bez» im GP-Rennen am Tag nach seiner beeindruckenden Aufholjagd im Sprint eine Klasse für sich.
Der Schlüsselbeinbruch Anfang Oktober, den Bezzecchi beim Training auf der Rossi-Ranch in Tavullia erlitt, kam in der intensiven Schlussphase der Saison zu einem denkbar ungünstigen Moment. Dennoch sicherte der 25-jährige Italiener seinen dritten WM-Rang ab, unter anderem mit einer Sprintmedaille in Mandalika – gerade einmal fünf Tage nach dem Eingriff am gebrochenen rechten Schlüsselbein.
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com blickt der quirlige Lockenkopf auf ein ereignisreiches 2023 zurück und auf die kommende WM-Saison voraus. Wie immer überrascht uns Bez dabei mit der ein oder anderen Aussage.
Marco, auf deinem Misano-Spezialhelm war im September deine persönliche Playlist zum Saisonverlauf zu lesen, mit etwas abgewandelten Ohrwürmern wie «Simply the Bez», «Selber Strand, selbes Team» oder «Räumt mich nicht ab (Again)». Würdest du im Jahresrückblick auf deine gesamte Saison Änderungen an dieser Hitliste vornehmen?
Diese Songs sind auf dem Helm, weil es in dem Moment die richtige Musik war. Jetzt müsste man einen ganz anderen Helm machen. Ändern würde ich die Songs aber nicht.
Welchen Albumtitel würdest du deiner Saison 2023 geben?
Ein Song? Das ist schwierig, eine zu schwierige Frage. (Er lacht.)
Anders gesagt: Welche Momente waren für dich besonders, was waren deine Highlights 2023?
Es gab ein paar richtig coole Momente, zum Glück waren viele schöne dabei. Mit Sicherheit war der Sieg in Indien wunderschön. Ich würde aber auch sagen, dass die Verletzung letzten Endes gute Momente mit sich gebracht hat. Nachdem ich mich verletzt hatte, gab es eine richtige Eskalation an Emotionen: Gleich zu Beginn natürlich die Verzweiflung; dann war ich aber voll motiviert, ich wollte mich gleich operieren lassen – und ich bin direkt in den Gym, ohne überhaupt zu Hause gewesen zu sein; das Blitzcomeback... Das waren vier intensive Tage, aber wenn ich jetzt zurückdenke, waren sie auch cool.
Du bist wahrscheinlich der erste Fahrer überhaupt, der auf die Frage nach den herausragenden Momenten einer Saison eine Verletzung nennt.
Es war natürlich nicht schön, sich zu verletzen. Das Ganze, was danach passiert ist, war aber unglaublich: Um 20 Uhr am Abend ist die Entscheidung gefallen, dass ich es versuchen würde, am Morgen danach ging es nach Bologna zur Kontrolle bei Dr. Porcellini, dann weiter nach Mailand und in den Flieger, ich bin erst am Freitagmorgen um 8 Uhr an der Strecke angekommen… Eine richtig absurde Geschichte – und deswegen war es cool.
Ein cooles Comeback, das mit Platz 3 im Sprint belohnt wurde. Pecco Bagnaia formulierte es in Misano sehr treffend, als er meinte, dass ihr alle Superhelden seid und man sich das manchmal vor Augen halten müsse. Das ist eine Sache, die mir aus der abgelaufenen Saison im Kopf geblieben ist. Genauso die Rituale und Gesten, wenn ihr kurz vor dem Start eins werdet mit euren Bikes. Wird dein Motorrad auch 2024 Marianna getauft?
Ja, das Motorrad ist zwar ein anderes, die Mannschaft bleibt aber immer dieselbe.
Wenn wir von bedeutungsvollen Momenten reden, gehört auch deine Entscheidung dazu, 2024 bei deiner VR46-Mannschaft zu bleiben, obwohl du die Chance gehabt hättest, bei Pramac eine aktuelle Ducati-Werksmaschine zu steuern. Wie wir dich in den vergangenen Jahren kennenlernen durften, scheint das mehr eine Entscheidung zu sein, die das Herz und nicht der Kopf getroffen hat – oder?
Natürlich messe ich dem, was dafür sorgt, dass es mir gut geht, immer die entsprechende Bedeutung bei. Es ist aber nicht nur eine Herzensentscheidung. Dahinter steckt eine genaue Überlegung, die ich – weil ich mich kenne – mit mir selbst ausgemacht habe. Ich habe darüber nachgedacht, was für mich besser sein könnte.
Heutzutage ist es in der MotoGP so, dass man auf Anhieb schnell sein muss. Ich habe in meinem Kopf auf viele verschiedene Weisen versucht zu verstehen, ob ich auch mit anderen Personen sofort auf denselben Speed hätte kommen können – denn man muss im Handumdrehen dabei sein.
Die Entscheidung fiel für deine Leute. Damit wirst du im Pertamina Enduro VR46 Racing Team – wie schon bei deinem dritten WM-Rang 2023 – auf dem Vorjahresmodell der Desmosedici sitzen. Ist es aus deiner Sicht möglich, in der Saison 2024 auf der GP23 den Titel zu holen?
Hoffentlich. Zu Beginn wird das Motorrad sicherlich stark sein.
Machst du dir keine Sorgen, dass die Werksmaschinen im weiteren Saisonverlauf einen Vorteil haben könnten?
Nein, ich mache mir keine Sorgen. Ich bin bereit.