Márquez-Crew-Chief: «Rom nicht an einem Tag erbaut»
Neues Duo: Frankie Carchedi mit Marc Márquez
Die MotoGP-Saison 2024 bringt einige spannende Neuerungen mit sich, allen voran natürlich der Wechsel von Marc Márquez ins Ducati-Kundenteam von Gresini Racing. Auch dass der achtfache Weltmeister dadurch auf seinen langjährigen Crew-Chief Santi Hernandez verzichten muss, mit dem er schon seit Moto2-Zeiten erfolgreich zusammengearbeitet hat, ist für Beteiligte und Beobachter gleichermaßen gewöhnungsbedürftig, wie Marc selbst nach dem Valencia-Test eingeräumt hat.
Der neue Cheftechniker an der Seite des 30-jährigen Superstars ist aber auch kein unbeschriebenes Blatt: Frankie Carchedi betreute 2020 noch im Suzuki-Werksteam Joan Mir auf dem Weg zum MotoGP-Titelgewinn und hatte im Vorjahr in der Gresini-Box maßgeblichen Anteil am Durchbruch von Katar-Sieger Fabio Di Giannantonio.
Beim Valencia-Test Ende November arbeitete der Brite erstmals mit Marc Márquez zusammen. «Das war eine wirklich schöne Erfahrung, auch wenn sie ein bisschen kurz war», erzählte er im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Es braucht Zeit, um alles zu verstehen. In Valencia ist das Rennen gerade erst zu Ende gegangen und man beginnt schon mit dem Test… Man hat also nicht wirklich viel Zeit und dazu kommt, dass die Wetterverhältnisse nicht gerade großartig waren. Es war mehr für Marc, damit er sich mit dem Team anfreunden, das Motorrad fahren und ein grundsätzliches Verständnis gewinnen kann. Ich glaube, sobald wir in Sepang sind, werden wir alles besser verstehen. Wir sind auch beide früher zur Gresini-Teamvorstellung angereist, wir haben uns besser kennengelernt – und wir haben bei der Gelegenheit auch Padel-Tennis gespielt, was richtig Spaß gemacht hat. Aber ja, wie sagt man so schön? Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Es braucht Zeit, um alles zu verstehen», bekräftigte er.
Trifft das auf Marc besonders zu, weil er seit seinem MotoGP-Debüt elf Jahre im Repsol-Honda-Werksteam verbracht und noch länger mit seiner Mannschaft gearbeitet hat? «Jede Veränderung ist immer anders, man muss es erst verstehen und keiner weiß, wie es sich entwickeln wird. Das ist eines dieser Mysterien. Das erste Gefühl war aber wirklich gut», versicherte Carchedi betont gelassen. «Dann werden wir mit der Zeit sehen, weil wir uns einfach kennenlernen müssen – nicht nur auf menschlicher Ebene, es geht auch darum, was er vom Motorrad will, was er braucht. Es gibt viele Dinge, die wir verstehen müssen. Das Gute an den nächsten zwei Tests ist auch, dass man in gewisser Hinsicht vom Rest abgeschottet ist, wir sind ja in Sepang und dann in Katar irgendwo im Nirgendwo. Man verbringt viel Zeit zusammen, geht auch zusammen zum Abendessen und bekommt ein klareres Bild von allem.»
Auch während der Winterpause stand das neue Duo in der Gresini-Box in regem Austausch: «Wir waren ziemlich viel in Kontakt, um Informationen auszutauschen. Nicht jedes Feeling und jeder Gedanke kommen direkt, manchmal ist es am Tag darauf oder auch erst in der Woche danach der Fall. Wir standen also den ganzen Winter über in Kontakt und haben auch einfach Ideen ausgetauscht. Er hat jetzt eine bessere Vorstellung von dem, was er brauche könnte, ob es jetzt die Sitzposition oder etwas anderes am Motorrad ist, um einfach alles für Sepang vorzubereiten.»
Schon das Debüt des 59-fachen MotoGP-Siegers auf der Desmosedici GP23 Ende November in Valencia war durchaus beeindruckend. In seinem ersten Acht-Runden-Run kam Marc bis auf 0,314 sec an seinen Bruder und Teamkollegen Alex heran, nach einer zwischenzeitlichen Führung beendete der Ducati-Neuling den Testtag mit gerade einmal 0,171 sec Rückstand auf Aprilia-Werksfahrer Maverick Viñales auf Rang 4.
Carchedi mahnt dennoch zur Ruhe: «Alles, was ich sagen kann – wenn man auf dieses Motorrad steigt, dann dauert es, um alles zu verstehen. Mit seiner Erfahrung und allem sind gewisse Dinge ein bisschen schneller passiert, aber ich denke da an ihn: Er will das Fahren genießen, er will vorne sein, man muss es aber einfach Schritt für Schritt angehen. Wer weiß, wo dieser erste Schritt ist. Man versucht dann einfach, von dort an einen Schritt nach vorne zu gehen und zu sehen, wie weit man kommen kann.»
Viele Beobachter und nicht zuletzt die MotoGP-Fans gehen davon aus, dass Marc Márquez auf einer Ducati und damit dem Referenz-Bike der Klasse sehr weit kommen kann. Bei Gresini Racing steuert er allerdings das Vorjahresmodell der Desmosedici. Ist es möglich, 2024 auf der GP23 gegen die aktuellen Ducati-Werksmaschinen um den Titel zu kämpfen?
«Ich habe noch nicht einmal an Katar gedacht», winkte Carchedi mit Verweis auf den zweiten Vorsaison-Test am 19. und 20. Februar in Doha ab. «Meine Gedanken drehen sich nur um Sepang und darum, ihn so schnell wie möglich zu machen. Es sind dann 42 Rennen und wir haben ja die Liste mit den Verletzungen aus dem Vorjahr gesehen… Bevor nicht drei Viertel der Saison absolviert sind, muss man über diese Dinge gar nicht erst nachdenken. Das Ziel ist für den Moment, für das erste Rennen in Katar auf der bestmöglichen Stufe anzufangen. Danach schaut man von da an weiter und verbessert sich immer weiter – und dann wird man sehen, wo es uns am Ende hinführen wird.»
Ergebnis Valencia-Test (28. November 2023):
1. Viñales, Aprilia, 1:29,253 min
2. Binder, KTM, + 0,028 sec
3. Bezzecchi, Ducati, + 0,093 sec
4. Marc Márquez, Ducati, + 0,171
5. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,263
6. Alex Márquez, Ducati, + 0,385
7. Di Giannantonio, Ducati, + 0,409
8. Bastianini, Ducati, + 0,543
9. Miller, KTM, + 0,648
10. Marini, Honda, + 0,703
11. Bagnaia, Ducati, + 0,717
12. Quartararo, Yamaha, + 0,769
13. Mir, Honda, + 0,798
14. Augusto Fernández, KTM, + 0,824
15. Martin, Ducati, + 0,899
16. Morbidelli, Ducati, + 0,953
17. Zarco, Honda, + 1,030
18. Acosta, KTM, + 1,223
19. Rins, Yamaha, + 1,311
20. Crutchlow, Yamaha, + 1,512
21. Nakagami, Honda, + 1,723
22. Aleix Espargaró, Aprilia, + 3,059
23. Savadori, Aprilia, + 3,431