MotoGP: VR46-Team ist nicht einverstanden

Wie kann man in der MotoGP überholen, Jorge Martín?

Von Werner Jessner
Ein Blick in die Feinarbeit zwischen Fahrer und Renn-Ingenieur: Wie werden Bikes abgestimmt, um sich trotz verwirbelter Luft im Feld behaupten und überholen zu können? Jorge Martín erklärt.

Der Holeshot, also die Führung in der ersten Kurve nach dem Start, ist in der MotoGP fast so wichtig geworden wie im Motocross. Wegen ausufernder Aero-Devices und der daraus resultierenden Luftverwirbelungen ist es für die Hinterherfahrenden bekanntlich fast so schwierig geworden, am Vordermann vorbeizukommen wie in den tiefen Spurrillen eines MXGP-Laufes.

Es gibt fast niemanden mehr im Fahrerlager, der diese Entwicklung gut findet, auch nicht Pit Beirer, obwohl KTM von der Partnerschaft mit Red Bull Advanced Technolgies massiv profitiert. Doch so rasch bekommt man die Zahnpasta nicht mehr zurück in die Tube. Est mit der großen Reglement-Änderung ab der Saison 2027, für die Beschneidungen der Aerodynamik, diverser Devices und eine Reduktion des Hubraums auf 850 ccm vorgesehen ist, sollte das Überholen, das Ausbremsen Mann gegen Mann, Ellbogen an Ellbogen wieder mehr in den Vordergrund rücken.

Das begrüßt auch Vize-Weltmeister Jorge Martín, Pramac-Ducati: «Ich freue mich auf 2027, weil sich die Überhol-Problematik in den letzten Jahren dermaßen zugespitzt hat durch all unsere technischen Spielereien. Mit dem neuen Reglement sollten wir die Uhr um zehn Jahre zurückdrehen, als ein guter Fahrer überall überholen konnte und man unterschiedliche Fahrstile sah, die allesamt gut für Siege waren.» Dass die Rundenzeiten damit vermutlich um ein paar Sekunden nach oben gehen werden, sieht der Vize-Champ der letzten Saison unproblematisch für die Show.

Was führt also zu diesen Prozessions-gleichen Rennen gerade zu Rennbeginn? Um das zu verstehen, muss man sich eines vergegenwärtigen: «Selbst der 20. auf der Startaufstellung beschleunigt so aus der Kurve so gut raus wie der Schnellste – zumindest mit neuen Reifen. Hier kann keiner den Unterschied machen. Mit gebrauchten ist es ein wenig anders, da kann man mehr mit der Körperposition spielen, aber das Grund-Phänomen bleibt. Trotzdem ist das einer jener Bereiche, in dem ein guter Fahrer Zeit aufholen kann: Indem er die Reifen besser managt und im Rennverlauf im Kurvenausgang Zehntel um Zehntel gut macht.» Das war in den letzten Jahren eine der auffälligsten Stärken von KTMs Brad Binder. Und doch muss man als schnellerer Fahrer irgendwann am Vordermann vorbei.

Drei Tage für zwei Zehntel

Es geht also nur mehr in der Brems-Phase, und dieser zweite Bereich des Mikro-Managements sei ungleich schwieriger, so Martín: «Du kannst auf der Bremse mehr Risiko nehmen – oder eben weniger. Als Hinterherfahrender hast du den Nachteil der verwirbelten Luft, die du nicht siehst, mit der du aber umgehen musst.» Am Ende einer schnellen Geraden: Wie weit unterscheiden sich die Bremspunkte in ruhiger von verwirbelter Luft mit der aktuellen Aero-Bikes? «Das liegen gut und gern 20 Meter dazwischen,» sagt mit Jorge Martín jemand, der es wissen muss, weil auch er schon den einen oder anderen publikumswirksam verpasst hat, als er 20 Meter auf 19 um-interpretierte.

Sehr viel der Arbeit an einem Wochenende fließt daher in die Abstimmung der Elektronik. Sie sei mittlerweile wichtiger geworden als jene des Fahrwerks selbst, sagt der Spanier, jedenfalls aber Zeit-intensiver. Sein Crew-Chief Daniele Romagnoli bricht dabei jede einzelne Kurve in mehrere Segmente: Bremsphase, Einlenken, Rollphase und Exit. Von jeder verlangt er von seinem Fahrer zwei Aussagen: Wie es sich anfühlt, und wie es sich anfühlen sollte. Demnach werden Wheelie-Control, Traction Control, Motor-Kennlinie und Motorbremse neu justiert. «Dann kommt meistens Gigi (Dall’Igna), und hat noch eine zusätzliche Idee,» lacht Martín über die tägliche Arbeit bei Ducati. «Du denkst das gesamte Wochenende darüber nach, ob du in einer Kurve etwas finden kannst, das den Unterschied macht. Irgendeine kleine Änderung, die eine Zehntelsekunde bringt oder sogar zwei. Es ist mental ziemlich anstrengend, aber ein ganz wichtiger Teil unseres Jobs am Wochenende.»

Das erklärt die Bedeutung von Qualifying und Holeshot in der modernen MotoGP. Denn: Wer von Anfang an vorne liegt, erspart sich die Kopfschmerzen des Überholens.

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