MotoGP: Marc Márquez versus Francesco Bagnaia
Wie jedes MotoGP-Rennen war auch die jüngste Veranstaltung in Portugal nicht von Langeweile getragen. Alleine der Tanz des jungen Pedro Acosta auf der GASGAS-roten KTM RC16 war es wert, den zweiten Grand Prix des Jahres zu verfolgen.
Für das Tagesgespräch sorgten dann aber doch die Piloten der Bikes aus Bologna. Die starke Leistung von Sieger Jorge Martin, der für seinen Start-Ziel-Sieg hart kämpfen musste, fiel aber genauso aus dem Scheinwerferlicht wie die beeindruckende Verfolgungsjagd von Enea Bastianini.
Alle Kameras beschäftigten sich mit der Kollision zwischen Pecco Bagnaia und Marc Márquez in Rennrunde 23. Für alle, die den Niedergang der beiden MotoGP-Starts live verpasst haben, gibt es hier den offizielle Zusammenschnitt, inklusive Stellungnahme der Piloten.
Für alle Zuschauer mit Motorsport-Hausverstand handelte es sich um einen vergleichsweise harmlosen Vorfall, der vor allem durch die Beteiligten und weniger durch die Situation an sich zur großen Nachricht wurde.
Sofern sich ein Rennverlauf nüchtern betrachten lässt, mit drei Tagen Abstand mag das vor allem aus der Zuschauerperspektive besser gelingen, war es vor allem Pech, dass die beiden Helden stürzten. Nicht ganz unschuldig ist daran auch die Kurve selbst. Kurve fünf ist eine fast 180 Grad Kehre, die bergab angebremst und bergan verlassen wird. Bei wechselndem Gefälle und kurzem Radius gilt es, die Maschine hart zu «wenden». Kurve fünf ist die klassische Unfallstelle auf der ohnehin herausfordernden Piste. Noch weniger Spielraum gibt es dann im Zwei- oder Mehrkampf.
Zu dem Zeitpunkt als Pecco Bagnaia realisiert, dass Márquez durchsticht, dabei aber die Linie nach Lehrbuch nicht halten kann, befinden sich beide Ducati-Piloten noch vor dem Scheitel der Linkskurve. Als Bagnaia rein intuitiv die Lücke sucht und auch findet, versucht die 93 zeitgleich möglichst schnell wieder auf Kurs zu kommen. Beide Fahrer kommen erst dadurch in ihre maximalen Schräglagen, der Grip-Spielraum geht gegen Null. Die Berührung der beiden Desmosedici fällt weich aus, ist aber zu hart für die jetzt instabilen Renngeräte. Die Front der roten Ducati quittiert den Dienst und wischt den Ex-Weltmeister mit von der Bahn.
Keine Schuldzuweisung
Dass sich die beiden nach dem Vorfall nicht um den Hals fallen, ist nachvollziehbar. Der Crash wäre vermeidbar gewesen. Entweder durch ein besseres Timing von Marc Márquez in der Vorbereitung, oder durch Bagnaia, der sich sofort gegen den sofortigen Konter entschlossen hätte.
Marc Márquez wusste bereits, wie es sich auf der Ducati in Kurve anfühlt, wenn das Limit überschritten wird. Im Training ging die 93 hier zu Boden. Trotzdem hatte Márquez genug Mumm und Vertrauen, sich genau hier auch Jorge Martin im Sprint zu schnappen. Das gab Selbstbewusstsein für die Attacke gegen Pecco. Genau dafür werden Werksfahrer gut bezahlt.
Wie gewöhnlich der Doppel-Crash war, zeigt auch, dass der Italiener und der Spanier nicht mit Fäusten aufeinander losgingen. Sie wussten genau, dass beide nur ihren Job erledigt haben.
Bagnaia ist ein bekannter Großmeister im Ausnützen kleinster Fehler der Konkurrenten. Sein Meisterstück lieferte der Italiener erst letzten Herbst in Australien. Im spannendsten Rennen der Saison nutze er ein Getümmel von fünf Piloten um sich durch einen superschnellen Richtungshaken von Platz vier auf zwei zu schießen. Auch deswegen klebt die Nummer auf der seiner GP24.
Fazit: Zurückstecken wäre hier weder für Pecco Bagnaia noch für Marc Márquez eine Option gewesen. Denn beide Profis haben nur ihr normales Renn-Repertoire eingesetzt. Den Rest hat die Physik erledigt.