Ducati in der MotoGP: Der mühsame Weg an die Spitze
In der MotoGP hat sich Ducati über die Jahre als unangefochtener Maßstab etabliert. Der italienische Hersteller dominiert die WM-Wertung, und die vier besten Piloten fahren derzeit ein Bike aus Bologna. Der Blick zurück zeigt ein völlig anderes Bild: Vor einem Jahrzehnt galt jeder Podestplatz für Ducati als ein hart erkämpfter Erfolg. Davide Tardozzi, seit 2014 Manager des Ducati-Werksteams, reflektierte im Ducati-Diaries-Podcast über die turbulenten Zeiten der 2010er-Jahre.
«Die Saisons 2011 und speziell 2012 waren ein Desaster», urteilte Tardozzi und erinnerte sich an eine der schwierigsten Phasen des Herstellers. Ein entscheidender Faktor für Ducatis damalige Krise war laut Tardozzi der Eigentümerwechsel im Jahr 2012. «Audi übernahm die Marke Ducati und Filippo Preziosi verließ das Unternehmen. Man stellte einen Deutschen an (den früheren BMW-Rennchef Bernhard Gobmeier – der Autor), der Ducati Corse aber nicht richtig leiten konnte.» Die darauffolgende Saison 2013 brachte erneut keine MotoGP-Siege.
Der Wendepunkt kam, als Ducati 2014 Technik-Guru Gigi Dall’Igna verpflichtete, der zuvor bei Aprilia gearbeitet hatte. «Ich kannte Gigi damals nur von Aprilia. Mit ihm zusammenzuarbeiten war anfangs merkwürdig», gestand Tardozzi.
Ducati nutzte ab 2014 das Reglement, um in der Open-Class anzutreten, was ihnen erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffte. Dies war nur aufgrund der Erfolgslosigkeit des Herstellers möglich. Ducati durfte sieben Motoren mehr einsetzen als Honda und Yamaha und mit 24 statt 22 Litern Kraftstoff fahren. Tardozzi beschrieb 2014 als ein Übergangsjahr, in dem sich das Team vollständig auf die Entwicklung des Nachfolgemodells, der Desmosedici GP15 konzentrierte – ein Motorrad, das eine vollständig neue Kreation war.
Auch 2015 konnte Ducati von den Vorteilen der Open-Class profitieren. Beim ersten offiziellen Test der GP15 in Malaysia kam Andrea Dovizioso nach dem ersten Rollout mit ernster Miene an die Box zurück und äußerte laut Tardozzi: «Das ist der Weg.» Diese Worte lösten bei den Ingenieuren Erleichterung aus, da die GP15 die Basis für die zukünftigen Erfolge bilden sollte. Dieses Modell ist noch heute der Grundstein des aktuellen Motorrads, das im Laufe der Jahre mit Updates weiterentwickelt wurde.
Andrea Dovizioso war es schließlich, der in den folgenden Jahren die größten Erfolge einfuhr. Zwischen 2017 und 2019 wurde er dreimal Vizeweltmeister, nur geschlagen von einem überragenden Marc Marquez auf Honda. «Das Leben war zu Dovi hart. Ich denke, Andrea hat das Beste aus dem Material herausgeholt. Er konnte 13 Mal im direkten Duell gegen Marc gewinnen», blickte Tardozzi auf den langjährigen Ducati-Piloten zurück.
2017 gelang es, den dreifachen Weltmeister Jorge Lorenzo mit einem fantastischen Zweijahresvertrag ins Werksteam zu locken. Doch der Spanier tat sich schwer, sich an die GP17 zu gewöhnen, und zeigte keine konstanten Leistungen. «Lorenzo wollte aus der Ducati eine Yamaha machen. Wir sollten seiner Meinung nach den Yamaha-Weg einschlagen», berichtete Tardozzi. Lorenzo argumentierte damals, er könne seinen Fahrstil nur auf einem der Yamaha ähnlichen Bike umsetzen.
Die Spannungen spitzten sich zu, und bei einer weiteren Aussprache in Le Mans 2017 hielt Tardozzi ihm unmissverständlich vor Augen: «Ich sagte ihm, dass wenn er Reifen und Benzin verbrauchen will, er woanders hingehen kann. Wir haben ihn fürstlich bezahlt, nicht Yamaha, also sollte er seinen Fahrstil an die Ducati anpassen.» Diese klare Ansage zeigte Wirkung: Lorenzo änderte seinen Fahrstil, begann intensiv mit den Ingenieuren zusammenzuarbeiten und gab wertvolles Feedback, was zur Weiterentwicklung des Motorrads beitrug.
Nach der Saison 2018 endete die Beziehung zwischen Ducati und Lorenzo. Zu diesem Zeitpunkt war die Desmosedici bereits auf Augenhöhe mit den japanischen Herstellern. Der Rest ist Geschichte: Ducati perfektionierte technische Innovationen, inklusive der Aerodynamik. In den vergangenen beiden Saisons sicherte sich Francesco Bagnaia den Weltmeistertitel.