Kevin Schwantz: Der ganze Streit aus seiner Sicht
Kevin Schwnatz im Four Season’s Hotel
Kevin Schwantz, der 500-ccm-Weltmeister von 1993, hatte mit der Dorna einen langfristigen Vertrag zur Austragung eines Motorrad-GP in Texas auf dem Circuit of the Americas. Doch als seine Ansprechpartner dort wechselten, fand er bis zur von der Dorna gesetzten Frist mit den Streckeneigentümern keine Vereinbarung als Promoter des WM-Laufs. Jetzt steht ein Gerichtsverfahren bevor, das COTA-Management und die Dorna müssen aussagen. Es ist von Vertragsbruch die Rede; Schwantz dürfte Schadenersatz fordern. Wegen des schwebenden Verfahrens machen die Beteiligten wenig konkrete Aussagen. Wir haben Kevin Schwantz im «Four Season’s Hotel» in Austin zu einem köstlichen Frühstück besucht. Er wurde am Rennwochenende von den Streckenbetreibern wie schon beim Test im März nicht auf das COTA-Areal gelassen. Seine Eltern Jim und Shirley kamen auf Einladung von LCR-Honda-Teamchef Lucio Cecchinello an die Strecke und trugen T-Shirts mit der Aufschrift: «Free Kevin», befreit Kevin. Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta hat eine Zwangsvorladung erhalten und soll am 8. Mai in Austin um 9 Uhr vor Gericht eine Aussage machen.
Kevin, ein grosser Teil deiner Familie war am Freitag an der Strecke – Vater Jim und Mutter Shirley. Irgendwie traurig, dass ausgerechnet du keinen Zutritt bekommen hast. Sogar dein Hund durfte am Donnerstag an die Strecke...
(Er lacht). Ja, aber am Freitag musste sogar mein Hund daheim bleiben... Meine Eltern können nicht jedes Jahr nach Laguna Seca oder Indianapolis reisen. Deshalb haben sie die Gelegenheit wahrgenommen, beim Texas-GP viele alte Bekannte zu besuchen. Wir haben im Paddock Freunde, die wir seit 25 Jahren kennen.
Jetzt gastiert der GP-Zirkus in unserem Hinterhof. Deshalb wollten es sich wenigstens meine Eltern nicht nehmen lassen, mal im Fahrerlager vorbeizuschauen.
Du hast grossen Anteil daran, dass hier ein Motorrad-GP stattfindet.
Ja, ich habe viel Zeit und viel Arbeit ins Design dieser Piste und in das ganze Projekt investiert. Ich habe alle Verhandlungen mit der Dorna geführt.
Vielleicht ist es gut, dass ich jetzt nicht hingehe. Vielleicht würde ich den Leuten von COTA oder Dorna irgendetwas sagen, was ich nachher bereue. Oder vielleicht würde ich etwas tun, was...
Ich habe so viel Intensität und Mühe in dieses Projekt investiert wie früher in den Rennsport. Ganz am Schluss wurde mir alles aus den Händen gerissen.
Fahrer wie Rossi, Márquez und Lorenzo sind traurig, dass du nicht vorbeikommen kannst. Keiner von ihnen kennt die Hintergründe des Rechtsstreits.
Die einfachste Erklärung, die ich geben kann: Ich half bei diesem Projekt vom ersten Tag an mit. Ich habe bei der Dorna die Begeisterung für Texas entfacht. Carmelo Ezpeleta und Javier Alonso von der Dorna sind mir zuliebe hierher gekommen, um zu verhandeln. Ich habe für ihren Aufenthalt bezahlt, als sie hier waren.
Ich habe hier in Texas die Kontakte geknüpft, zwei Jahre bevor für den Streckenbau grünes Licht gegeben wurde. Ich habe immer gesagt: Es wird passieren, es wird passieren. Fünf Jahre lang habe ich an diesem Projekt gearbeitet. Dauernd habe ich zu Carmelo gesagt: Du musst 2013 einen Platz im Kalender finden!
Ich war knapp davor, mit den COTA-Managern einen Vertrag zu machen, damit ich den WM-Lauf gemäss meiner Dorna-Vereinbarung hier austragen kann.
Aber die COTA-Manager sind mir in den Rücken gefallen. Das war aus unserer Sicht illegal. Sie haben den Dorna-Leuten irgendwelche Geschichten erzählt, die Dorna hat sie geglaubt. Das schmerzt.
Aber ich kenne diese COTA-Leute noch nicht sehr lange. Sie wollten immer wieder Hilfe von mir, sehr viel und sehr oft. Sie baten mich, ich solle in Videos auftreten und bei der Finanzierung der Piste mithelfen. Sie baten mich, an Pressekonferenzen teilzunehmen.
Dazu wurde ich beim Design der Piste um Rat gefragt, bei den Sicherheitsvorkehrungen; ich habe den Kontakt zu Franco Uncini und Claude Danis von der FIM aufrechterhalten für sie. Ich habe Javier Alonso hier rumgefahren. Jahr um Jahr habe ich mich bemüht.
Dass mir COTA dann den Grand Prix gestohlen hat, war schlimm. Aber dass ihnen die Dorna dabei assistiert hat, schmerzt mehr als alles andere.
Und jetzt ist ein Rechtsstreit im Gange?
Ich habe eine sehr umfangreiche Dokumentation. Ich kann den Geschworenen zeigen, was ich alles gemacht habe. Lange Zeit hat Dorna meine Arbeit gelobt, COTA wollte mich und meine Firma «3fourTexas GP» als Partner. Durch diese Vorkommnisse ist mir der Appetit auf den Motorradrennsport vergangen. Ich liebe die Motorräder noch immer. Aber ich habe das Vertrauen zu gewissen Leuten verloren, auch zu Leuten bei der Dorna, die ich seit 20 Jahren kenne. Da erzählt ihnen jemand 20 Minuten lang ein paar Unwahrheiten über mich – und eine langjährige Bekanntschaft wird wertlos.
Welche Funktion hättest du bei diesem WM-Lauf gehabt, wenn nicht alles zerplatzt wäre?
Ich wäre Promoter gewesen und hätte Geld investiert, um ein paar amerikanische Fahrer für dieses Rennen zumindest mit Wildcards in die Moto2 und Moto3 zu bringen. Jetzt haben wir drei WM-Läufe in Amerika, aber keine Fahrer in den kleinen Klassen. Wir Amerikaner können nicht dauerhaft drei Rennen haben, wenn die Fahrer in den kleinen Kategorien fehlen. Es müsste genug Geld dafür vorhanden sein. Im Red-Bull-Rookies-Cup haben wir momentan wieder zwei Talente.
In der MotoGP haben wir drei Fahrer. Doch mit Hayden und Spies sind zwei davon auf Ducati, Edwards fährt ein CRT-Bike. Um ihre Chancen ist es also nicht gut bestellt.
Ich wollte involviert sein, um einen Teil des erwirtschafteten Gelds in die Zukunft investieren zu können, um amerikanische Talente zu fördern.
Wie haben eine grossartige Gruppe junger Fahrer in den USA. Aber wir verfügen über keine vernünftigen Meisterschaftsklassen, in denen sie sich gebührend zur Schau stellen können. Es fehlt das Fernsehen, es fehlt die Unterstützung der Hersteller, wie sie es früher mal gab. Deshalb bringen wir diese Jungs nicht mehr nach Europa. Deshalb dominieren seit Jahren die Italiener und die Spanier.
Hätte ich als Promoter bei diesem WM-Lauf hier Geld verdienen können, hätte ich einen Teil des Gewinns in die Nachwuchsförderung gesteckt, damit die US-Fans auf den Tribünen stolz wieder ihr «Stars & Stripes»-Flagge hochhalten hätten können.