Bridgestone: Ist Kritik der Fahrer gerechtfertigt?
Bridgestone-Koordinator Thomas Scholz
Die japanische Firma Bridgestone musste beim Jerez-GP am letzten Wochenende viel Kritik hinnehmen. Der Einheitsreifenlieferant (seit 2009) brachte zwei Typen Vorderreifen mit, von denen sich die harte Mischung als zu weich erwies. «Wir haben für das erste Mai-Wochenende nicht mit fast 50 Grad Asphalttemperatur gerechnet», räumt Thomas Scholz ein, der Chief Coordinator von Bridgestone Motorsport.
Thomas, die MotoGP-Fahrer erhalten pro GP-Weekend neun Vorderreifen und elf Hinterreifen. Für vorne gibt es jeweils zwei Mischungen; in Jerez war aber die harte zu weich und deshalb unbrauchbar. Deshalb beklagten sich die Fahrer.
Der härtere Vorderreifen, den wir in Jerez dabei hatten, war für die diesmal herrschenden Temperaturen zu weich. Es kann sich ja keiner erinnern, wann es in Jerez um diese Jahreszeit mal 30 Grad Aussentemperatur hatte.
Witzigerweise ist der «harte» Hinterreifen immer noch zu hart gewesen. Das haben wir selber nicht genau verstanden, denn das sind nun mal die nebeneinander liegenden Mischungen gewesen.
Es war ja nicht so, dass wir bei einer Bandbreite von zehn Hinterreifentypen die Nr. 1 und die Nummer 10 dabei hatten; nein, es waren nebeneinander liegende. Wir müssen jetzt analysieren, warum die um eine Nummer härtere Hinterreifenmischung nicht genug Seitenhaftung aufgebaut hat.
Vorne war es nur eine Frage der Asphalttemperatur.
Valentino Rossi hat am Samstag in Jerez erklärt, vorne sei die Karkasse zu weich, weil vor eineinhalb Jahren die Konstruktion weicher gemacht wurde, um das Aufwärmverhalten der Vorderreifen zu beschleunigen. Hat er Recht?
Ich glaube nicht, dass es an der Karkasse liegt. Eher an der Gummimischung.
Manche Werksfahrer meinten, sie würden sich gerne für hinten den weicheren Reifen wünschen, den nur die Claiming-Rule-Fahrer bekommen. Hast du dafür Verständnis?
Nein. Wir haben in diesem Jahr zwei verschiedene Vorderreifen und drei verschiedene Hinterradreifen in der Zuteilung pro Rennwochenende und Fahrer.
Die CRT-Fahrer haben hinten extra-weich und weich erhalten, weil sie weniger PS haben. Die Prototypen-Teams hatten weich und medium hinten. Mit diesem extra-weich-Hinterreifen könnten die Asse vielleicht eine Qualifying-Runde fahren, aber fürs Rennen hätte er bei den Prototypen nicht gehalten. Völlig undenkbar.
Am Freitag beklagten sich die Fahrer in Jerez in der Safety Commission. Sie wollen eine grössere Anzahl von Reifen? Es gab ja mal 31 Reifen pro Weekend; jetzt nur noch 20.
Das war in den Wettbewerbszeiten, ja. Es gab sogar mal 40 Reifen pro Wochenende, dann sind wir runter auf 31. Das war dann Michelin nicht genug... Jaja, es waren früher deutlich mehr.
Die Fahrer wollen immer mehr, mehr und mehr Auswahl.
Es geht nicht unbedingt nur um die Anzahl der Reifen prinzipiell, die reicht, sagen sie. Sie wollen eine grössere Bandbreite der verfügbaren Mischungen und Reifen, auf die sie zurückgreifen können.
Jetzt werden die Reifen am Donnerstag zugeteilt. Die Teams und Fahrer möchten aber einen Teil der Allocation am Freitag noch ändern können?
Ob man da was ändern kann? Keine Ahnung.
Die Frage ist für uns: Ist es ein Sicherheitsproblem? Oder ist das Problem nur, dass der Reifen in Jerez für die Temperaturen einfach zu weich war?
Es wurde aus Sicherheitsgründen vorne die Karkasse weicher gemacht, damit nicht so viele Fahrer bei kühlem Wetter (wie 2011 in Le Mans) mit kalten Reifen stürzen. In Jerez sind sie dafür bei Hitze reihenweise gepurzelt. Bradl am Freitag, Rossi, Crutchlow, Pedrosa, Márquez, Iannone am Samstag – nicht die schlechtesten Fahrer? Das kann doch nicht als Verbesserung der Sicherheit dargestellt werden?
Die pushen natürlich auch wie die Zuckerkranken. Die Rundenzeiten waren ja gut. 1:38,6 min ist ja eine geile Zeit.
Aber Rennfahrern darf man doch nicht vorwerfen, dass sie pushen. Das zählt zu ihren ureigensten Aufgaben und Eigenschaften.
Schon klar. Die Reifen, die sie jetzt in Jerez mit Rennreifen fahren, sind sie früher mit Qualifyern gefahren.
Lorenzo sagte, mit Qualifyern würden sie 1:37,5 min fahren?
Locker, locker. Wenn nicht schneller.
Was ist also die Lösung?
Die Teams und Fahrer wollten irgendwann einmal Einheitsreifen.
Und es gibt jedes Jahr einmal ein Rennen, bei dem die äusseren Bedingungen nicht so sind, wie man sie erwarten konnte.
Wir waren Ende März beim IRTA-Test in Jerez, da hatten wir die gleichen Reifen dabei. Damals hat kein Mensch den harten Vorderreifen angefasst. Er war ihnen zu hart, weil die Temperaturen deutlich niedriger waren. Es gab rund 25 statt 47 Grad Asphalttemperatur. Da sind alle mit dem weichen Vorderradreifen gefahren, keiner hat gemeckert.
Da hat den härteren Vorderreifen keiner angefasst hat. Wir gingen also davon aus, dass wir immer noch im sicheren Bereich sind, wenn die Temperaturen ansteigen. Wir dachten, wenn die Fahrer dann auf den härteren Vorderreifen umsteigen, sollte es gehen.
Es ist ja nicht so, dass wir die passenden Reifen nicht hätten. Eine Nummer härte vorne haben wir ja im Programm. Aber wir haben sie nicht mitgebracht. Denn es war beim Test im März und bei den Rennen 2012 und 2011 viel kühler als diesmal.
Damals hat niemand über die zu weiche Karkasse geredet. Wie gesagt: Ich glaube auch nicht, dass es die Karkasse ist. Es handelt sich eher um die Gummimischung.
Ein Reifenhersteller hat’s nicht leicht. Beim IRTA-Test Ende März hat es zwei Tage geregnet. Damals schimpften die Fahrer, weil die Regenreifen ein Regenrennen nicht durchstehen würden?
Wir haben dann 60 neue Regenreifen produziert und per Luftfracht einfliegen lassen. Davon hätte jeder Fahrer zwei bekommen. So ein Regenreifen wiegt 7 kg. Ein Kilogramm Luftfracht kostet 7 Euro. Also hat uns die Fracht allein rund 3000 Euro gekostet. Von den Produktionskosten reden wir gar nicht... Und dann hatten wir fünf Tage blauen Himmel.
Das Thema ist sicherlich nicht einfach.
Die Frage ist immer: Was ist Sicherheits-relevant? Und wo geht es nur darum, den Fahrern mehr Auswahl zu geben? Das ist immer ein zweischneidiges Schwert.