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Marco Simoncelli: 2. Todestag – die GP-Welt trauert

Von Günther Wiesinger
Am 23. Oktober 2011 ist Marco Simoncelli für immer von uns gegangen. Aber die Nr. 58 ist immer noch immer und überall gegenwärtig.

Unendliche Betroffenheit und Grabesstille breitete sich heute genau vor zwei Jahren im Paddock des Sepang International Circuit aus, als nach der zweiten Runde des MotoGP-Rennens abgebrochen wurde.

Marco Simoncelli war schwer gestürzt, Rossi und Edwards hatten ihn überfahren, sein Helm war davon geflogen.

Die jüngeren GP-Rennfahrer, denen der Tod auf der Rennstrecke noch nie leibhaftig begegnet war, sogar Tomizawa war damals 2011 in Misano erst nach der Einlieferung ins Krankenhaus für tot erklärt worden, rechneten zuerst mit einer glimpflichen Verletzung. «Ich hoffe, dass Marco nichts passiert ist», sagte mir dessen Gresini-Honda-Teamkollege Hiroshi Aoyama in der Boxengasse.

Karel Abraham schilderte mir den Vorfall, er hatte ihn als Augenzeuge beobachtet. Er hatte Super-SIC ohne Helm liegen gesehen, er malte sich aus, dass der Unfall folgenschwer sein könnte.

Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta hatte mir die traurige Gewissheit zwei Minuten vorher bereits mitgeteilt. Marco war tot.

Danach gab ein aufgewühlter Ezpeleta ein erstes TV-Interview, ehe er eine Box nach der anderen besuchte, bei Casey Stoner begann, ihn in die Arme nahm – und ihm die schreckliche Botschaft nahebrachte. Dann ging Carmelo geknickt zu Pedrosa, zu Lorenzo, zu Rossi und so weiter.

Fausto Gresini brach zusammen. Er kündigte an, er habe die Freude am Motorsport endgültig verloren.

Denn auch der vorher letzte MotoGP-Tote hatte Gresinis Team angehört – Daijiro Kato war 2003 am 20. April, 14 Tage nach dem Suzuka-GP verstorben. Die Sturzursache wurde nie geklärt, es sah aus wie ein Elektronikdefekt.

Ein bedrückendes Video

Seltsame Gleichheit der Ereignisse: Auch damals hatte ein Gresini-Fahrer das nächste Rennen gewonnen, Sete Gibernau triumphierte sieben Tage nach Katos Tod in der MotoGP-Klasse in Welkom/Südafrika. Die Nr. 74 habe ihm bei seinem Sieg Beistand geleistet, versicherte Sete damals. In Valencia 2011 – zwei Wochen nach dem Sepang-GP – gewann mit Moto2-Pilot Michele Pirro wieder ein Gresini-Schützling.

Besonders bedrückend war ein Video aus Malaysia, das Vater Paolo Simoncelli zeigte, wie er mit einem Moped zur Unfallstelle raste und dann den Sanitätern half, die Trage mit dem leblosen Marco über die hohe Leitplanke zu hieven.

Beim nächsten Rennen 2011 in Valencia gab es kein Team, das nicht die Startnummer 58 auf Trucks und Rennmaschine klebte. Noch heute begegnen uns die Aufkleber «58 per siempre» (58 für immer) überall im Paddock.

Bewundernswert war und ist die Haltung, mit der Rossella und Paolo Simoncelli den Verlust des geliebten Sohnes ertrugen. Sie traten immer wieder in der Öffentlichkeit auf, wenn es um die Stiftung für Marco ging, bei der Buchpräsentation, bei der Einweihung der Rennstrecke «Misano World Circuit Marco Simoncelli», bei der Eröffnung des Museums, bei der Übergabe von Marcos Honda RC212V an Paolo Simoncelli in Mugello 2012, bei der Inbetriebnahme des Kunstwerks in Coriano vor sechs Wochen am Donnerstag vor dem Misano-GP 2013.

Der legendäre Lederkombi-Hersteller Lino Dainese und Künstler Arcangelo Cassolino setzten eine aussergewöhnliche Idee um. Nur wenige Kilometer von der Rennstrecke entfernt wurde ein Denkmal zu Ehren des verstorbenen MotoGP-Stars Marco Simoncelli enthüllt.

In Simoncellis Heimatort Coriano in der Nähe von Misano wurde vor einigen Monaten sogar die Sportstätte der Gemeinde in «Palazzetto dello Sport Marco Simoncelli» umbenannt. Auf dem Gelände wurde dazu am 12. September 2013 um 19 Uhr ein Denkmal zu Ehren von «Super-SIC 58» enthüllt. Auch die Bürgermeisterin Mimma Spinelli war zugegen.

Das Monument sollte «Super-SIC» auf dem Podest in Phillip Island 2011, bei seinem letzten Podestplatz zeigen. Eine Woche nach Rang 2 im Australien-GP (beste Platzierung seiner MotoGP-Zeit) erlag der damals 24-Jährige in Sepang seinen schweren Verletzungen.

In einer schlichten Zeremonie bei der Sportstätte wurde im Beisein der Eltern Paolo und Rossella Simoncelli sowie etlicher langjähriger Weggefährten und Fans ein Denkmal enthüllt, das der Künstler Arcangelo Cassolino gestaltet hat. Die Enthüllung hielt schliesslich eine Überraschung bereit: Statt des angekündigten Denkmals, das an Simoncellis letzten Podestplatz beim Australien-GP erinnern sollte, hatte Ideengeber Lino Dainese den guten Cassolino zu einer  anderen Lösung inspiriert. Die Installation «Ogni Domenica» (das heisst: jeden Sonntag) spukt Feuer und steht deshalb aus Sicherheitsgründen in einem Käfig.

Seither und künftig wird diese Installation jeden Sonntag bei Einbruch der Dunkelheit zum Leben erweckt, eine drei Meter lange Flamme brennt dann jeweils genau 58 Sekunden lang in Gedenken an «Super-SIC», der die Startnummer 58 berühmt gemacht hat. Das Feuer soll das heissblütige Gemüt und den Enthusiasmus des viel zu früh Verstorbenen symbolisieren.

Valentino Rossi zählte zu Simoncellis besten Freunden. Dessen Tod traf den Italiener tief. Valentino wusste aber auch: Der lebenslustige und unbeschwerte Marco selbst wäre der Erste gewesen, der gesagt hätte: Die Show muss weitergehen.

Rossis Ermahnung fruchtete nicht

Einige Wochen nach Simoncellis Tod erzählte Rossi eine Episode, die uns nachdenklich stimmte. «Marco hatte sich im Frühjahr 2011 bei Lorenzo und Pedrosa mit seiner Fahrweise unbeliebt gemacht», blickte Valentino zurück. «Nach dem Meeting der Safety Commission in Le Mans 2011 nahm ich Marco damals am Freitagabend zur Seite. Ich flehte ihn an: ‹Marco, bitte versprich mir, mach hier ausnahmsweise mal keinen Blödsinn.› Er gab mir die Hand und versprach es. Zwei Tage später hat er Dani Pedrosa über den Haufen gefahren. So war er halt...»

Simoncelli war zwei Wochen vor dem Le-Mans-GP in Portugal bei der Pressekonferenz am Donnerstag um 17 Uhr von Jorge Lorenzo für seine rücksichtslose und respektlose Fahrweise zurechtgewiesen worden. «Wenn das noch einmal vorkommt...», drohte der Yamaha-Star.

Der unvergessliche Simoncelli sass ungerührt daneben und tat so, als ginge ihn das alles nichts an. Dann fragte er: «Was ist dann? Werde ich dann eingesperrt?»

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