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BMW und MotoGP: Das Ende der Märchenstunden

Von Günther Wiesinger
Mehr als 15 Jahre lang galt BMW als Kandidat für die MotoGP-WM. Doch die Weiss-Blauen sind am Spitzensport nicht interessiert. Das hat triftige Gründe.

Ich werde es versuchen. Ich werde über BMW und MotoGP schreiben, oder über BMW und Motorsport, und ich werde mich bemühen, Ironie und Zynismus wegzulassen.

Aber es wird nicht gelingen. Ich spüre es.

Halten wir uns an die Fakten. Es ist in den letzten 15 Jahren keine Firma öfters beinahe in die MotoGP-WM eingestiegen als die Weiss-Blauen.

Es ist auch in den letzten 30 Jahren kein anderer Hersteller öfters in die Formel 1 ein- und ruckzuck wieder ausgestiegen. Man erinnert sich: Einmal sollten die F1-Motoren an Talbot verscherbelt werden, einmal beschloss der Vorstand den Ausstieg, aber der damalige Brabham-Teambesitzer Bernie Ecclestone erinnerte an einen gültigen Vertrag, also wurde ein weiteres Jahr gefahren. Irgendwann hiessen die BMW-F1-Motoren nach einer Versicherungsfirma plötzlich Megatron, weil der Vorstand nichts mehr mit der Formel 1 zu tun haben wollte.

Und bei der letzten Wirtschaftskrise 2008 war BMW auch gleich wieder weg. So schnell konnte Sauber gar nicht schauen.

Was BMW und die MotoGP betrifft, sieht die Sachlage anders aus.
Da haben zahlreiche Konzepte und Pläne und Budgets mit wechselnden Personen und Partnerfirmen existiert. Alle sind in der Schublade verschwunden.

Zuerst kam irgendein Ahnungsloser auf die Idee, 30 Millionen Euro mit einer 990-ccm-Dreizylinder-Maschine zu verpulvern, die bei Oral Engineering in Italien gebaut wurde, einer Firma, deren Motorrad-Know-how bei null lag. Von Ing. Antoniazzi, dessen Flops legendär sind. «Mich wundert, dass sie statt des Gasgriffs keinen On/Off-Hebel hat», lästerte Testfahrer Luca Cadalora, weil das nutzbare Drehzahlband so schmal war. Nicht einmal die Antriebskette befand sich auf der richtigen Seite.

Leere Versprechungen für 2007

Am 21. Dezember 2005 versprach der damalige BMW-Motorrad-Geschäftsführer Dr. Herbert Diess Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta in die Hand, man werde 2007 zu Beginn der neuen 800-ccm-Ära in die MotoGP einsteigen. Seither hat Ezpeleta von Dr. Diess nichts mehr gehört.

BMW-Motorsportchef Peter Müller kam danach zu den Rennen in Le Mans und Laguna Seca (eine herrliche Gegend) und bat die Dorna eindringlich um die Beibehaltung des pneumatischen Ventiltriebs.
Dr. Diess wurde ob seiner umsichtigen Geschäftsführung alsbald in den Vorstand weggelobt. Es folgte Hendrik von Kuenheim (HVK), der die MotoGP-WM bei seiner ersten Pressekonferenz als zweitklassig darstellte und die Weisheit preisgab, die MotoGP sei fünfmal so teuer wie die Superbike-WM.

Ein Jahr später stand HVK beim MotoGP-Saisonauftakt in Doha auf dem Startplatz und wollte uns weismachen, er sei nur zum Besuch eines Autohändlers nach Katar gekommen. Deshalb hatte er wohl zwei Wochen vorher einen Termin mit Ezpeleta vereinbart.

Irgendwann wurde bei BMW vom neuen Motorsport-Direktor Bernhard Gobmeier ein Konzept, ein Fünf-Jahres-Plan und ein Budget für die MotoGP-WM entwickelt. Der Einstieg wurde für 2014 geplant. 2012 begann Phase 1 mit den Claiming-Rule-Teams von Forward und Iodaracing.

Dass die Superbike-WM nicht viel weniger kostete als die MotoGP, hatte man inzwischen in München schmerzhaft erfahren. Der Unterschied: Das Medieninteresse liegt unter der Wahrnehmungsgrenze.

Die S1000RR gilt inzwischen als weltweite «bench mark» bei den Serien-Superbikes. Die WM wurde trotzdem nicht gewonnen.

Ja, es kam nämlich wieder ein neuer Motorrad-Geschäftsführer, Stephan Schaller mit Namen. Er ist vom Motorsport so begeistert, dass er alle MotoGP-Pläne abmurkste und das Superbike-Werksteam gleich vier Wochen nach seinem Amtsantritt zusperrte. Da es für 2013 noch Verträge gab, wurde Marco Melandri ins Team BMW Italia versetzt. Das erwartete Desaster nahm seinen Lauf.

Inzwischen ist BMW im internationalen Motorradrennsport wieder in der Steinzeit eingetroffen.

Macht nichts.

BMW Motorrad ist nur ein Ausbildungslager für Vorstände

BMW Motorrad soll jetzt bitte gleich für alle Zeiten die Finger vom Spitzensport lassen. Es gibt dazu keine Bereitschaft, keine Leidenschaft, kein Geld, kein Interesse. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Gobmeier hat ja nicht mal für seine Moto3-Pläne (250-ccm-Einzylinder-WM-Klasse, KTM ist dort Seriensieger) ein Budget bekommen.

Wer ausser einst BMW käme auf die Idee, mit luftgekühlten Zweizylinder-Boxer-Maschinen einen Markencup im GP-Rahmenprogramm zu machen? Da könnte man gleich beim Grand National Steeple Chase einem Esel die Sporen geben.

Die Firma BMW Motorrad ist praktisch ein Ausbildungslager für spätere BMW-Topmanager oder Vorstände, Göschel, Diess und Ganahl sind die besten Beispiele. Von Kuenheim hat es auch probiert; Stephan Schaller, er gilt als Kumpel von BMW-CEO Reithofer, übt noch.

Schaller muss also jetzt zwei, drei Jahre als Motorradchef eine leidlich gute Figur abgeben und den Gewinn steigern, dann stehen ihm alle Türen offen.

Also hat er den Motorsportbetrieb beendet und mit einem Schlag einen zweistelligen Millionenbetrag (20 bis 25 Mio) eingespart. Sodann hat er die defizitäre Husqvarna-Sparte an KTM verkauft. Das hätte ein Buchhalter auch geschafft. Für eine Sanierung reichte offenbar das Know-how nicht.

Jetzt kann Stephan Schaller das Marketingbudget erhöhen, die «Sales Incentives» verbessern, den Verkauf und den Umsatz stärken. Die Produktpalette bei BMW Motorrad ist ansehlich, das ist also keine Hexerei.

Wenn Reithofer in Rente geht, wird für Schaller ein Platz im BMW-Vorstand frei. Er darf bis dahin nur keinen Fehler machen, zum Beispiel in der MotoGP-WM hinterherfahren.

BMW und die Schleuderpreise

Mit Aprilia, Ducati, KTM und bald auch Husqvarna exerzieren europäische Hersteller vor, dass mit dem richtigen Konzept und der nötigen Leidenschaft erfolgreicher Motorsport möglich ist.

Von BMW Motorrad sollten wir uns keine Aktivitäten mehr erwarten. Die Sportbegeisterung reichte nicht einmal, um das Team Iodaracing mit ein paar abgetakelten Superbike-Rennmotoren für 2014 zu versorgen.

Wenn sich trotzdem wieder einmal ein BMW-Manager auf einem MotoGP-Startplatz wichtig macht, dann hoffe ich, dass er wirklich nur einen Autohändler besucht und uns nicht wieder jahrelang an der Nase herumführt.

Als BMW Motorrad vor einer Ewigkeit aus der Rallye Paris-Dakar ausstieg, hiess es, man werde neue Betätigungsfelder im Spitzensport suchen. Es folgten der Boxer-Cup, Pikes Peak und das Erzberg-Rodeo. Zwischendurch ein bisschen Superbike-WM. Und, wie könnte man das vergessen, die Endurance-WM. Ein Nebenschauplatz, wie geschaffen für BMW. Für mehr reichte der Mut nicht.

Ein leichter Duft von BMW weht trotzdem durch das MotoGP-Fahrerlager. Die Bayern liefern die Official Cars wie Safety Car, Medical Car und so weiter. Das kostet Millionen, die Fahrzeuge werden nach Übersee geflogen.

Das erledigt übrigens die BMW M GmbH, also die Motorsportabteilung. Was so ein Autoverleih mit M zu tun hat, ist schwierig darzustellen.

Noch etwas Köstliches: Jedes Jahr verschenkt BMW an den MotoGP-Trainingsbesten ein kostbares Sportauto. Dazu wird ein Wettbewerb durchgeführt, der sich allen Ernstes «BMW M Award – MotoGP Best Qualifier 2013» (kann sein, dass ich noch ein paar Worte vergessen habe) nennt und keinen Hund interessiert.

Wer einen permanenten MotoGP-Ausweis hat, bekommt auf Neuwagen von BMW 30 Prozent Rabatt. Dank dieser Schleuderpreise kann jeder dahergelaufene Moto3-Teambesitzer einen M6 fahren. Immerhin.

Sobald der Vertrag mit der Dorna ausgelaufen ist, so ist zu hören, wird ohnedies Ducati-Eigentümer Audi die Official Cars präsentieren.

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