Ducati: Wer nichts gewinnt, wird tüchtig belohnt
Irgendwann in der Saison 2010 haben die Roten auf der Rennstrecke den roten Faden und sodann ihren Siegfahrer Casey Stoner verloren.
Valentino Rossi sollte es dann für Ing. Filippo Prezioso richten, für eine Jahresgage von 17 Millionen Euro. Aber auch diese vermeintlich himmlische Ehe mündete in ein Desaster.
Jetzt hat Ducati allerdings auf dem grünen Tisch einen Volltreffer gelandet. Dovizioso, Crutchlow und Iannone dürfen mit allen Vorzügen der Open Class antreten und verlieren einen Teil der Annehmlichkeiten erst nach einem Sieg, zwei zweiten oder drei dritten Plätzen. Und die weicheren Hinterreifen werden Ducati erst nach drei Siegen vorenthalten.
Wenn Gegner und Fans jetzt verwundert sind, sollte uns das nicht erstaunen. Warum muss ein Werk, das durch eigenes Versagen ins Hintertreffen geraten ist, derartige Zugeständnisse bekommen, die im Ursprung nur den Privatteams zugedacht waren? Warum muss Ducati zwölf statt fünf Motoren erhalten, 24 statt 20 Liter, die 0,5 sec weicheren Hinterreifen und dazu Erleichterungen bei den Testverboten?
Natürlich wünschen sich alle Beteiligten, dass Ducati in der MotoGP-WM wieder eine Rolle spielt. Aber um Himmels Willen: Was jetzt an Zugeständnissen passiert ist, geht auf keine Hutschnur.
Meines Erachtens hätte es völlig gereicht, wenn man Ducati als einziges Factory-Team von der eingefrorenen Motorenentwicklung befreit hätte. Gigi Dall'Igna wäre damit wohl zufrieden gewesen. «Meine Aufgabe ist es, das Motorrad weiterzuentwickeln», sagte er immer. Andere frivole Wünsche hat er nie geäussert.
Wo soll dieses Durcheinander hinführen? Kriegen bald jene Werke, die nichts gewinnen, mehr Hubraum oder Zeitbonifikationen für jedes PS, das ihnen fehlt? Welche Belohnung kann Yamaha einfordern, wenn Lorenzo und Rossi mal vier Wochen keinen WM-Lauf für sich entscheiden?
Ducati: Ein Fehler nach dem andern
Im Rennsport geht es ums Gewinnen. In der MotoGP-WM sieht es anders aus. Hier werden jene Hersteller belohnt, die im Wettkampf versagt haben. Ist es die Schuld von Honda und Yamaha, dass Ducati in den letzten Jahren einen Fehler an den andern gereiht hat? Karbon-Monocoque statt Stahlrahmen, jahrelang kein Chassis, das zu den Bridgestone-Einheitsreifen passt? Und eine offenbar nicht zeitgemässe Elektronik, weshalb man ohne Qualitätsverlust auf die Einheits-ECU umsteigen hätte können.
Naja, Ducati darf man eigentlich nichts vorwerfen. Der neue Rennchef Gigi Dall'Igna hat nur ein paar Schlupflöcher im Reglement genützt.
Und es ist ja schon seit 50 Jahren so: Die Funktionäre, die das Reglement austüfteln, sind den pfiffigen Konstrukteuren und Designern in den Rennabteilungen an Schlitzohrigkeit, Weitblick und Raffinesse haushoch unterlegen. Sonst hätte es in der Formel 1 umstrittene Einfälle wie verstellbare Bodenfreiheit, den Brabham-Stausauger, Auspuffgase zur Erhöhung des Abtriebs, Doppeldiffusoren oder Motorkennfelder, die wie eine Traktionskontrolle wirken, alle nie gegeben.
Bei der FIM und Dorna muss man die die Frage stellen, ob Race Director Mike Webb, Technical Director Danny Aldrige und Corrado Cecchinelli, Director of Technology bei der Dorna, überhaupt fähig sind, ein kugelsicheres Technik-Reglement zu formulieren. Vielleicht sind sie auch nur willfährige Erfüllungsgehilfen der Dorna, die alle Rechnungen bezahlt.
Und HRC-Vizepräsident Nakamoto hat offen zugegeben, dass er das Reglement nicht aufmerksam gelesen hat. Er liess mit Riesenaufwand einen Production-Racer entwickeln, weil ihm nicht aufgefallen war, dass man in den Open-Class die Maschinen auch verleasen kann, wie es Ducati (bei Pramac und Hernandez) und Yamaha (bei Forward mit Aleix Espargaró und Edwards) tun.
Gigi Dall'Igna ist ein schlauer Fuchs. Er hat die Desmosedici GP14 in emsiger Detailarbeit verbessert. Beim zweiten Sepang-Test verlor «Dovi» nur noch 0,068 sec auf die Bestzeit, in Australien 0,319 sec. Mit den weichen Hinterreifen, die 0,5 bis 0,8 sec bringen, liess Ducati seine Werkspiloten nie fahren. Sonst wären Honda und Yamaha noch mehr in Aufruhr geraten.
Bizarre Strafen nach den ersten drei Siegen
In der MotoGP-WM türmen sich momentan die Ungereimtheiten. Ausgerechnet die angeblich armen Open-Teams (und dazu Ducati) dürfen zwölf statt fünf Motoren pro Fahrer verheizen? Was hat das mit Kostenreduktion zu tun?
Und warum dürfen die Prototypen von Ducati und Forward-Yamaha jenen weichen Hinterreifen verwenden, der für 2012 und 2013 für die Claiming-Rule-Bikes eingeführt wurde, die rund 220 PS starke Superbike-Motoren hatten und für die die Prototypen-Mischung zu hart war? Warum soll diese weichere Mischung jetzt plötzlich bei den 260 PS starken Prototypen halten? Er dient Ducati und den Open-Teams vielleicht nur als Qualifyer, wird vermutet. Aber auch das wäre nicht im Sinne des Erfinders.
Bizarr ist auch die «Strafe» für Ducati für den Fall, dass sie einen Sieg, zwei zweite oder einen dritten Platz erreichen. Dann kriegen sie nur noch 22 statt 24 Liter Tankinhalt für die Rennen. Eine lächerliche Einschränkung. Denn die Ducati-Desmodromik braucht weniger Sprit als die Pneumatik von Honda und Yamaha. Deshalb ist Ducati im Vorjahr mit 21 Liter Sprit bei allen Rennen über die Runden gekommen.
Wie auch immer: In den nächsten zwei Jahren müssen wir mit diesem Unsinn und mit diesen Ungereimtheiten leben.
Danach heisst es hoffentlich: 1000 ccm, maximal vier Zylinder, maximal sechs Gänge, 160 kg, Einheits-ECU, fünf Motoren für alle, gleiche Reifen für alle, identische Testverbote für alle, 20 Liter Sprit für alle Teams und Fahrer.
Und wem das nicht passt, der soll daheim bleiben.