Ben Spies: «Nie der talentierteste Fahrer im Paddock»
Durch seinen Wechsel zu Pramac-Ducati 2013 wollte Ben Spies, der Superbike-Weltmeister von 2009, neu durchstarten. Es endete jedoch in einem Desaster. Nachdem er die meiste Zeit der Saison wegen einer Verletzung der rechten Schulter pausieren musste, verkündete Spies am 26. Oktober 2013 mit 29 Jahren seinen Rücktritt vom Rennsport.
Der Amerikaner hatte monatelang an seiner Rückkehr gearbeitet, ehe er sich in Indianapolis auch noch an der anderen Schulter verletzte. Ein Comeback schließt der Amerikaner aus.
Im Interview mit SPEEDWEEK.com sprach Spies über die Schwere seiner Schulterverletzung, seine Chancen auf einen MotoGP-Titel und Valentino Rossi.
Welche deiner beiden verletzten Schultern führte zu deinem Karriereende?
Es ist die rechte Schulter, die ich mir in Malaysia verletzt habe. Mein Arzt sagte mir, dass es zu riskant ist, weiterzufahren: ‹Es ist zu gefährlich für dich, denn du könntest dich wieder verletzen und auch andere Fahrer.› Es ist schlimm genug, dass ich mich selbst auch ohne einen Sturz verletzen könnte. Ich wäre gerne weiterhin gefahren, aber diese Entscheidung lag nicht bei mir.
Für einen GP-Sieger wie dich muss es besonders schwer sein, zurückzutreten, denn du kennst dein Potenzial.
Für mich ist es in Ordnung, denn ich weiß, dass ich nie der talentierteste Fahrer im Paddock war, aber ich habe so hart gearbeitet, wie ich konnte. Ich habe alles getan, was meinem Einfluss unterlag. Im Hinblick auf das Training, technisches Verständnis, Team und Reisen habe ich alles getan, um es einfacher zu machen. Ich wusste, dass ich am richtigen Tag der schnellste Fahrer sein konnte. Ich komme damit klar, weil ich auf der Werks-Yamaha saß, einen großartigen Teamkollegen und ein fantastisches Team hatte. Wir hätten noch einige gute Jahre haben können, aber ich weiß, dass ich nie MotoGP-Weltmeister geworden wäre. Die Top-3 wären unser Maximum gewesen. Vielleicht hätte ich, wie Nicky, eine Chance gehabt, wenn ich etwas früher in die MotoGP-Klasse gekommen wäre. Aber ab 2010 war es nicht möglich einen Titel zu gewinnen. Denn Jungs wie Jorge Lorenzo waren einfach schneller als ich. Damit kann ich leben. Trotzdem habe ich in meiner Karriere viel erreicht. Man kann nicht immer der schnellste der Welt sein.
Was hältst du von den Leistungen von Open-Pilot Aleix Espargaró und Yamaha-Star Valentino Rossi?
Aleix hat sicherlich einige Vorteile, aber er ist eine angenehme Überraschung und fährt sehr gut. Valentino ist natürlich ein großartiger Fahrer, aber er hat einfach nicht den Speed von Márquez. Er ist älter und die Generationen lösen sich ab, das ist in jedem Sport so. Das ist keine Überraschung. Márquez ist ein riesiges Talent. Im letzten Jahr wussten alle, dass er schnell ist, aber ab dem Sachsenring-GP war klar, dass er gefährlich ist. Er führte fast das gesamte Rennen lang mit 2,5 sec Vorsprung und wusste, dass er nur eine bestimmte Pace halten muss, um zu gewinnen. Mir war klar, dass er herausgefunden hatte, wie er mit Geduld zum Ziel kommt. Ab diesem Zeitpunkt war er gefährlich. Davor hat er nur blind angegriffen. Nun hat er alles unter Kontrolle. Wenn er kein Pech hat, dann wird er eine ganze Ära prägen. In Hinblick auf Talent ist er Casey sehr nahe. Der kompletteste Fahrer ist meiner Meinung nach Jorge. Die Yamaha ist sicher nicht so gut wie die Honda. Aber Márquez ist einfach ein Naturtalent.
Wäre Lorenzo auf der Honda konkurrenzfähig? Sein Fahrstil scheint wie für die Yamaha geschaffen zu sein.
Ich weiß es nicht. Es gibt Fahrer wie mich, die körperlich nicht auf die Honda passen, aber mein Fahrstil wäre für die Honda gut gewesen. Der Fahrstil von Rossi und Lorenzo passt sehr gut zur Yamaha. Sie wären sicher schnell, aber wenn die Yamaha 90 Prozent repräsentiert und die Honda hundert, dann ist die Yamaha trotzdem besser für Jorge. Er mag großen Kurvenspeed, doch die Honda bewegt sich beim Anbremsen gern und verlangt einen lockereren Fahrstil. Yamaha muss daran arbeiten, dass der Reifen besser funktioniert, aber Jorge und die M1 sind ein Traumpaar. Trotzdem könnte er auf der Honda gewinnen.
Du kennst die Ducati und ihre Schwächen. Kann Gigi Dall’Igna Ducati wieder an die Spitze führen?
Sie haben bereits einen großen Schritt nach vorne gemacht. Ich konnte die Ducati nie an ihre Grenzen bringen, denn ich hatte nicht viel Zeit. Trotzdem kenne ich ihre Schwächen. Gigi und die Jungs von Ducati sind großartig. Ich denke, dass er ihnen die richtige Richtung vorgibt, doch am wichtigsten ist wahrscheinlich, dass sie nun besser organisiert sind. Es sind nun nicht mehr 15 Menschen, die ein Problem behandeln, sondern jeder hat seine Aufgabe. Wenn man bei Yamaha einen Schwingarm testet, dann spricht man nur mit einer Person darüber und zwar mit dem, der den Schwingarm konstruiert hat. Zu meiner Zeit bei Ducati haben mich 15 Personen nach meinen Eindrücken gefragt. 2016 könnten sie sich wieder auf Augenhöhe mit Honda und Yamaha befinden.
Siehst du derzeit einen Fahrer, der es in Zukunft mit Márquez aufnehmen kann?
Nein, nicht im Moment. Es gibt viele talentierte Fahrer, aber niemanden, der so heraussticht. Maverick Viñales ist auf der Moto2-Maschine jedoch sehr gut unterwegs. Zudem gibt es einen amerikanischen Fahrer, der in die Weltmeisterschaft kommen und erfolgreich sein könnte: Cameron Beaubier. Mir gefällt, dass er schneller wird, sobald jemand schneller war als er. Sein Potenzial würde ich gerne in der Weltmeisterschaft sehen. In der Moto2-Klasse ist Maverick sehr stark und von den Moto3-Fahrern ist Alex Rins sehr schnell, aber einen Márquez sehe ich derzeit nicht. Doch ein paar Jahre können viel verändern.