Formel 1: Max Verstappen – Chancen verspielt?

KTM-Rennchef Pit Beirer: «MotoGP ist ein Traum»

Von Günther Wiesinger
Bei KTM gibt es konkrete Gedankenspiele zum Thema MotoGP-Einstieg, es werden Erkundigungen eingezogen. Fix ist: KTM würde Motor und Chassis selber bauen.

Das MotoGP-Engagement von KTM mit dem von Ing. Kurt Trieb gebauten 990-ccm-V4-Motor war kein Ruhmesblatt in der Firmengeschichte.

Als der Werkseinsatz wegen der explodierenden Kosten abgeblasen wurde, nahm das Team Roberts die österreichischen Motoren für 2005 in Beschlag, in der Hoffnung, dank brauchbarer Ergebnisse bald an Red-Bull-Sponsorship zu kommen.

Von KTM war nicht sehr viel zu sehen, das Team Roberts baute die Rolling-Chassis selber, die TAG-Elektronik funktionierte nie, das Motorrad wurde unter der Bezeichnung «Proton KR» eingesetzt.
Highlight: Shane Byrne gelang 2005 in Laguna Seca ein 15. Platz und somit ein Punkt, Rückstand auf den Sieger: 1:34,256 min.

Neun Jahre später wird die Teilnahme an der MotoGP-WM für KTM wieder ein Thema. Im Winter sah es noch anders aus. Da winkte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com ab. «Wir bauen keine Motorräder mit mehr als zwei Zylindern, weder für die Serie noch für den Rennsport», erklärte Pierer im Dezember 2013.

Damals bestanden für KTM noch berechtigte Chancen, für 2016 in die Moto2-WM einsteigen zu können, weil die Dorna signalisierte, man könne sich das Ende der Einheitsmotoren für die Moto2-Klasse vorstellen.

Die Moto2 war beim Team Ajo, bei KTM und Red Bull in den letzten Jahren immer wieder aufs Tapet gekommen, um den Moto3-Champions eine Aufstiegsmöglichkeit bieten zu können.

Doch inzwischen steht fest: Die 600-ccm-Einheitsmotoren aus der Honda CBR600RR bleiben den Teams auch nach 2015 erhalten.
Deshalb hält KTM Ausschau nach anderen Aktivitäten. Von der Moto3 direkt in die Königsklasse MotoGP, diese Situation flösst den Mattighofenern etwas Respekt ein.

Deshalb haben die KTM-Techniker schon so manche Szenarien durchgespielt, zum Beispiel den Bau eines Moto2-Chassis, nur für Testzwecke oder für die Spanische Moto2-Meisterschaft CEV, aber auch dort sind Honda-Motoren vorgeschrieben.

Anderseits hat sich das MotoGP-Reglement für 2016 so geändert, dass die Teilnahme für ein Werk in der Grössenordnung von KTM erschwinglich wird. KTM hat im Vorjahr 123.000 Motorräder abgesetzt und mit 1890 Mitarbeitern einen Gewinn von 50 Millionen Euro erwirtschaftet.

KTM-Chef Stefan Pierer hat 2013 die Marke Husqvarna gekauft und will rasant weiter wachsen; er hat klare Visionen. «Ich möchte in den nächsten fünf Jahren den Absatz verdoppeln und 250.00 Motorräder bauen – das ist eine klare Ansage! Wir wollen die Phalanx der Japaner brechen. Honda und Yamaha sind außer Reichweite. Aber wir wollen unsere Mitbewerber Suzuki und Kawasaki überholen. Die bauen momentan 220.000 und 230.000 Motorräder. Suzuki können wir bald übertreffen. Kawasaki wird ein härterer Gegner. Wir wollen auch Harley Davidson überflügeln», heisst Pierers Devise. «KTM soll weltweit der drittgrößte Motorradhersteller werden. Das ist mein erklärtes Ziel. Wir wollen die weltweite Nummer 3 werden und aufs Podium!»

Und KTM will dazu die Motorenpalette nicht mit Drei- und Vierzylinder-Triebwerken erweitern. «200.000 oder 300.000 Stück schaffen wir auch mit Ein- und Zweizylindern», sind sich Pierer und Designer Gerald Kiska einig.

Wer im Motorrad-Business bei den Grossen mitspielen will und eine attraktive Motorsport-Plattform sucht, kommt jedoch auf Dauer um die MotoGP-Klasse nicht herum. Darüber sind sich auch die KTM-Vorstände im Klaren.

SPEEDWEEK.com hat sich mit Pit Beirer, Head of Motorsport bei KTM, über alle Zukunfts-Szenarien unterhalten.

Pit, du bist enttäuscht, weil die Türen in der Moto2 für alle Hersteller ausser Honda zugefallen sind?

Die Moto2 war ganz fix auf unserer Wunschliste. So wie unsere Rennabteilung jetzt ausgelegt ist, was wir jetzt für eine Mannschaft haben, wie man die Motorsport-Motorräder im Prototypen-Bau in Einzelanfertigung baut, da wäre die Moto2 machbar.
Die Superbike-WM ist nicht machbar, weil hier die Rennabteilung nicht entscheiden kann. Denn wir bräuchten ein neues Serienprodukt, was für die Firma ein Rieseninvestment wäre. Die Entscheidung, ob wir für die Serie jetzt eine neue RC8 brauchen oder nicht, kann ich als Rennsportler nicht treffen. Die bestehende RC8 funktioniert extrem gut, aber sie ist für das aktuelle Superbike-WM-Reglement nicht funktionsfähig.
Somit stehen wir vor einer Hürde, die wir nicht erklimmen können. Aber wir geben nicht auf und deponieren bei der Dorna regelmässig unseren Wunsch, Moto2 fahren zu wollen. Aber wenn das Reglement so bleibt, kommt diese Klasse für uns nicht in Frage.
Wir werden kein KTM-Rennmotorrad bauen, bei dem der Motor als Herzstück nicht aus Mattighofen kommt. Das kommt für uns definitiv nicht in Frage. Also werden wir uns weiter auf unseren Gegner Honda und auf die Moto3-Klasse konzentrieren.

Eigentlich braucht man zum Gewinnen bei den Superbikes einen Vierzylinder. Und da hat Firmenchef Stefan Pierer im Dezember 2013 ganz klar abgewinkt: Wird es in der Palette nicht geben!

Das müsste einhergehen mit einem Serien-Projekt, wenn ein so grosses Fahrzeug einfach gebraucht wird. Solange diese Aussichten nicht da sind, haben wir auch kein Projekt.
Das ist schade, denn wir fühlen uns jetzt bereit, den nächsten Schritt zu gehen. Die Rennabteilung in Munderfing wird jetzt grosszügig ausgebaut, auch um Husqvarna ein eigenes Zuhause zu geben.
Aber es macht keinen Sinn, jetzt irgendeine sinnlose Sportaktivität zu entfalten, wenn es für die Firma nichts bringt. Deshalb heisst es vorläufig: ruhig bleiben, Luft holen und vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt Gespräche zu diesem Thema suchen.

Du hast eine KTM-Teilnahme an der MotoGP-WM kürzlich als Traum bezeichnet. Wenn nach Suzuki auch noch Aprilia und Kawasaki zurückkehren, kann doch eine ambitionierte Firma wie KTM nicht ruhig daheim herumsitzen?

(Er denkt nach). Naja. Ich wiederhole mich gerne. Natürlich ist die MotoGP für eine Motorsportfirma wie KTM ein Traum. Nur ist dieser Schritt so gross und so weit weg, dass ein Einstieg momentan nicht realistisch ist.
Ich betone das Wort «momentan». Denn ich wünsche mir, dass wir als Firma weiterwachsen und sich auch die Rennsportabteilung entwickeln kann, damit wir eines Tages zumindest mit einem Auge rüberschielen können. Aber das ist vorläufig so weit weg, dass es für uns zuhause momentan absolut kein Thema ist.

Aber das Reglement ändert sich für 2016, es kommt die Einheits-ECU, das vereinfacht einiges, die Kosten sinken. Ausserdem wir die Rennabteilung gerade mächtig ausgebaut?

Wir sind vor nicht allzu langer Zeit auf ein Nachbargrundstück von KTM umgezogen, wo wir den Motorsport in einer grossen Halle mit 3000 Quadratmetern untergebracht haben. Aber durch die ganzen Projekte, die in letzter Zeit dazu gekommen sind, ist diese Abteilung jetzt schon wieder zu klein. Wir haben schon wieder das nächste Projekt in Planung, damit wir uns wieder vergrössern können. Durch den Tatendrang vom Herrn Pierer ist momentan jede Halle in Mattighofen zu klein.
Ein wichtiger Grund für die Vergrösserung ist natürlich auch der Zukauf von Husqvarna.

Zurück zur MotoGP. Du sagst, das sei momentan und vorläufig kein Thema. Was heisst das? Wird in den nächsten drei Jahren nicht in Angriff genommen? 2016 wäre ja ein guter Zeitpunkt für einen Einstieg?

Nein, 2016 ist völlig undenkbar, das kann ich zu 100 Prozent ausschliessen.
Wir bräuchten eine sorgfältige längerfristige Vorbereitung, und die läuft jetzt nicht. 2016 ist kein Thema. Bitte keine Termine nennen.

Dann frage ich anders: Wie lange braucht KTM vom Wort «GO» bis zum Renndebüt? Eineinhalb Jahre?

Das würde ich uns jetzt, ehrlich gesagt, nicht zutrauen. Wenn du einen halbwegs vernünftigen Einstieg hinkriegen willst, musst du «zwei Jahre plus» rechnen.

Aber der Aufwand ist ja überschaubar. Es wird 2016 eine Einheits-Elektronik geben, Seamless-Getriebe und Pneumatik kaufen auch die Mitbewerber ein, Ducati lässt das Alu-Chassis im Ausland fertigen. KTM braucht also nur einen mechanisch sauber designten Motor. Das könnt ihr doch?

Danke für die Blumen... Aber ein 260-PS-Motor ist dann schon noch mal eine neue Herausforderung. Da sind wir wieder genau beim Thema.
Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es unter dem Herrn Pierer noch einmal einen Rückfall gibt und wir uns in irgendeiner Kategorie oder Meisterschaft als Werksteam präsentieren und dann das Motorrad nach einem Baukastensystem zusammenkaufen.
Unsere Motorradabteilung ist heute so aufgebaut: Wenn wir irgendwo teilnehmen, dann nur mit einer richtigen KTM. Wenn wir mitfahren, werden wir auch WP-Suspension-Produkte reinstecken.
Es ist keine Option für uns, einen MotoGP-Motor zu bauen und auf der ganzen Welt die Teile zusammenzukaufen.
Entweder bleiben wir zu Hause – oder wir bauen eine ganze KTM.
Wenn wir in einer Meisterschaft antreten, wollen wir ja auch eine konkurrenzfähige Basis haben und achtbare Resultate erzielen.

Diese Schilderungen lassen mich aber darauf schliessen, dass der MotoGP-Einstieg doch zur Debatte steht. Ihr könnt ja mal einen Moto2-Stahlrahmen bauen und in der 600-ccm-Klasse üben. Das Tech3-Yamaha-Team fährt auch mit einem Honda-Einheitsmotor in der Moto2. Aprilia wollte 2010 auch in der Moto2 mitfahren.

Ich gebe ehrlich zu, dass es diese Überlegungen bei uns gegeben hat, weil es für unsere Motorsportabteilung die einzige Möglichkeit wäre, ein grösseres Chassis zu bauen, also den nächsten Schritt zu setzen und Erfahrung zu sammeln. Aber wir wollen momentan keine KTM auf die Rennstrecke bringen, deren Herzstück nicht von uns ist.
Nachdem inzwischen alle wissen, dass die Freundschaft zwischen KTM und Honda nicht sehr innig ist, werden wir jetzt keine Rennmaschine bauen, in der ein Honda-Motor drinnen steckt.
Aber das schliesst nicht aus, dass wir mal mit so einem Gerät testen gehen. Niemand hält uns davon ab, ein grösseres Motorrad zu bauen und zum Testen zu fahren.

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