Mike Leitner: «Pedrosa war jedes Jahr Titelanwärter»
Mike Leitner mit Dani Pedrosa
Mike Leitner (52) hat elf Jahre lang für Dani Pedrosa als Crew-Chief gearbeitet, in den ersten zwei Jahren (2004 und 2005) wurde die 250er-WM gewonnen, danach gab es drei Vize-WM-Titel in der MotoGP-WM zu feiern, insgesamt hat das Erfolgsduo 41 gemeinsame GP-Siege errungen.
Im vergangenen Oktober entschloss sich Mike Leitner zum Abschied. Er wollte eine Verschnaufpause («Ich war jedes Jahr zwischen 190 und 220 Tagen unterwegs) und suchte eine neue Herausforderung.
«Als Dani im Juli anfing, bei uns im Team Mechaniker auszutauschen, habe ich zu Dani gesagt: Wenn du etwas ändern willst, musst du eigentlich mich austauschen», schildert Leitner. «Aber er ist nicht darauf eingegangen.»
Beim Brünn-GP im August tauchten Gerüchte auf, Pedrosa wolle einen Rossi-Effekt erzielen und Leitner ersetzen.
Doch die Honda Racing Corporation legte Mike Leitner in Absprache und mit Zustimmung von Pedrosa einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag für 2015 und 2016 vor.
Beim Australien-GP liess Leitner die Katze aus dem Sack. Er informierte HRC und Pedrosa, dass er nicht unterschreiben werde und schlug seinen Data-Recording-Ingenieur Ramon Aurin als neuen Crew-Chief vor.
Mike Leitner war zweimal österreichischer 125-ccm-Meister, er fuhr von 1987 bis 1990 in der 125er-WM (bestes Ergebnis: zweimal Rang 4).
«Damals hat das Rennfahren noch anders funktioniert», erinnert sich der Bad Ischler. «Du warst dein eigner Teamchef und bist mit deinem Mechaniker losgestartet. Und du hast als Fahrer mindestens genau so gut sein müssen wie als Schrauber. Ich habe in der Alfa-Romeo- und Ford-Werkstätte des ehemaligen GP-Fahrers Max Wiener in Bad Ischl Mechaniker gelernt.»
«Oberösterreich und Salzburg waren damals die Hochburgen des österreichischen Motorradrennsports, das muss ich schon sagen», hält Leitner fest. «Heute wären wir froh, wenn wir nur annähernd solche Talente hätten. Damals war Gustl Auinger der Siegfahrer, er war für uns unantastbar. Aber dahinter gab es Leitner, Hutter, Lindner, Neumayr, Preining, Bacher, Kafka, Fischer, Baumann und so weiter. Vor uns waren Auer, Hummel, Bartol, Bergold und Max Wiener international erfolgreich.»
Nach der Saison 1980 wechselte Leitner die Fronten, er hängte den Helm an den Nagel und arbeitete sodann unter Sepp Schlögl im 250er-Honda-Team von Dieter Stappert für Ralf Waldmann, die Sponsoren waren HB und nachher Marlboro.
Danach wechselte Leitner als Suspension-Techniker zu Öhlins. «Ich habe bei Aprilia die 250er-Fahrer Fonsi Nieto und Toni Elias betreut, nachher das WCM-Yamaha-Red-Bull-Team.»
Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Mike Leitner über die Höhen und Tiefen der elf Jahre mit Ausnahmekönner Dani Pedrosa.
Mike, welchen Menschen und Rennfahrer hast du im Winter 2003/2004 vorgefunden, als du vor elf Jahren ins Team von Pedrosa gekommen bist?
Hm, als Rennfahrer war er schon damals eine Ausnahmeerscheinung. Wenn du den ersten 250-ccm-WM-Lauf deiner Karriere gewinnen kannst, nachdem du vorher ein halbes Jahr lang die meiste Zeit im Rollstuhl verbracht hast, ist das beachtlich.
Dani hatte sich im Oktober 2003 beim 125er-GP in Phillip Island das Sprunggelenk gebrochen, ziemlich kompliziert.
Fahrerisch gab es nichts auszusetzen, er war halt noch blutjung, 17 Jahre. Er konnte kaum Englisch.
Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?
Danis Manager Alberto Puig betrieb damals auch das Movistar-Honda-Team für Dani, er suchte Techniker für die 250er-WM. Das hat er auch Adi Stadler gesagt, er hat mich ins Spiel gebracht.
In der 250er-WM hat Dani zwei Jahre dominiert. Aber in der MotoGP-Weltmeisterschaft hat er den Titel in neun Jahren nie gewonnen.
Ja, das ist halt der kleine Schönheitsfehler.
Am Schlimmsten für dich wäre ja, wenn Dani Pedrosa 2015 Weltmeister wird... Hättest du dann ein weinendes oder ein lachendes Auge?
Nein, ganz ehrlich, ich würde mir nichts sehnlicher wünschen als dass Dani Weltmeister wird, da hat er meine volle Unterstützung. Wenn er es wirklich noch arrangieren könnte, MotoGP-Weltmeister zu werden, wäre ich wirklich happy. Ich könnte ja den grössten Teil... Wir haben ja so lange zusammengearbeitet. Elf Jahre.
Dani Pedrosa hatte in den ersten MotoGP-Jahren klare Schwächen im Regen.
Ja, am Anfang war er im Regen schwach. Erst 2012 hat er in Malaysia sein erstes Regenrennen gewonnen.
Pedrosa wollte damals nicht verraten, wie er sich das schnelle Fahren im Regen angeeignet hat. Er fuhr im Sand mit Slickreifen, nicht wahr?
Es fahren ja alle MotoGP-Piloten Dirt-Track. Das hat er auch gemacht. Dani ist mit Dirt-Track-Reifen im Sand gefahren, mit Intermediates, das stimmt. Aber ich glaube nicht, dass das der Schlüssel zum Erfolg war. Das machen alle.
Dieses Training war nur ein kleiner Beitrag dazu, dass er im Regen besser wurde.
Er hatte ursprünglich schon vom Kopf her eine unglaubliche negative Einstellung im Regen. Wenn es geregnet hast, war für ihn der Tag vorbei, dann war es gelaufen.
Und irgendwann hat er gemerkt, dass er mit so einer Einstellung nicht Weltmeister werden kann?
Ja, es hat dann das ganze Team daran gearbeitet, dass er sich in diesem Punkt geändert. Wir haben ihn stark gepusht.
Dani ist ein Fahrer, der irrsinnig stark an einem Setting arbeitet. Aber im Regen hat er sich gar nicht so eifrig um ein brauchbares Setting gekümmert, weil er gewusst hat, die nasse Fahrbahn taugt ihm nicht.
Wir haben ihn dann einmal echt gescheit angekurbelt und ihm alle Informationen aus der Nase rausgezogen, bis wir anständige Infos gekriegt haben. Wir haben ihm dann ein gutes Regen-Set-up gemacht. Seitdem ist ein echt guter Regenfahrer aus ihm geworden.
Ihr habt 41 GP-Siege miteinander gefeiert, 26 allein in der MotoGP-Klasse. In welchem Jahr war Dani am dichtesten dran, die WM zu gewinnen? WM-Zweiter war er 2007, 2010 und 2012. Beim ersten Mal fehlten 125 Punkte auf Stoner, beim zweiten Mal 38 auf Lorenzo, 2012 schliesslich 18 auf Lorenzo.
2012 wäre die grösste Chance gewesen, klar, als er die sieben Grand Prix gewonnen hat.
Das war halt super bitter in Misano, als das Problem mit der Bremse passiert ist.
Dani stand auf der Pole-Position, es gab einen Fehlstart, beim Re-Start muss irgendein Plastikteil in die Karbonbremse reingekommen sein. Dani musste den Startplatz verlassen und von hinten als Letzter wegfahren. Dann hat ihn Barbera abgeschossen, damit war das Rennen gelaufen.
In Motegi/Japan hat Dani Pedrosa auch einmal die Titelchance verspielt?
Ja, als es 2010 in Motegi Probleme mit dem Grasgriff gab... Dani ist deswegen gestürzt und hat sich einen extrem komplizierten Schulterbruch zugezogen. Er musste auf drei Rennen verzichten – auf Japan, Malaysia und Australien. In Estoril und Valencia war er noch angeschlagen, er wurde nur Achter und Siebter.
2011 hat es auch nicht geklappt, Honda-Neuling Casey Stoner schnappte sich den Titel auf Anhieb?
Damals hat Dani auch Titelchancen gehabt, er hat die WM angeführt, bis Simoncelli und er in Le Mans kollidiert sind. So wurde er aus dem Titelrennen rausgerissen.
2012, ein Jahr später, als Casey auch noch im Team war, hat Dani immerhin sieben Rennen gewonnen. Es war nicht so, dass ihn Casey niedergehämmert hätte.
Aber Casey hat einen Titel auf Honda gewonnen, Dani nie.
2007 hatte Pedrosa auch Hoffnungen, er rechnete sich wegen seiner Jockey-Figur mit der kleineren 800er viel aus.
Hoffnungen hat man sich bei ihm jedes Jahr gemacht. Er war immer in der Lage, Grand Prix zu gewinnen. Also konnte man sich auch Titelhoffnungen machen.
Wo lag 2007 das Problem?
Honda hat für die neue 800er-Klasse ein komplett neues Motorrad gebaut. Diese erste 800er-Version war wirklich sehr schwierig...
Yamaha ist eher konservativ gewesen, sie haben einfach den Hubraum geändert, sonst nicht sehr viel.
Casey Stoner gewann die WM 2007, weil Ducati viel Power hatte und weil er als einziger Spitzenfahrer über Bridgestone-Reifen verfügte.
Ja, die Bridgestone waren 2007 sicher ein Vorteil gegenüber den Michelin. Aber man muss auch sagen: Es war der Stoner, der den Ausschlag gegeben hat.
Zu diesem Zeitpunkt haben alle den Erfolg auf Ducati und die Reifen geschoben.
Der Reifen hat ihm geholfen. Aber man hat später gesehen, was Casey für ein fahrerisches Kaliber war.