Stefan Bradl: «Ich habe einen höheren Status»
Stefan Bradl (25) startete mit Platz 8 beim MotoGP-Test in Sepang vor einer Woche recht vielversprechend in die neue Saison; er fühlt sich im Forward-Racing-Team und auf der Open-Yamaha YZR-M1 sichtlich wohl.
«Mir gehen beim Fahren viel weniger Gedanken durch den Kopf als in der letzten Saison», versichert der Moto2-Weltmeister von 2011.
Denn bei Honda hatten ihm die Japaner schon nach dem Valencia-GP 2013 klar gemacht: Wenn er 2014 nicht regelmässig unter die Top-3 fährt, wird ihn HRC fallen lassen.
Tatsächlich wurden bereits nach den ersten Rennen Nachfolgekandidaten wie Vinales, Miller und so weiter kolportiert. Sogar von Casey Stoner, Andrea Iannone und Jonny Rea war die Rede, auch Aleix Espargaró bekam ein Angebot.
Erst als für den zweiten Platz keiner der Wunschkandidaten zusagte, erhielt Stefan Bradl Ende Juli ein Angebot.
Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich aber im Kopf schon für Forward-Yamaha entschieden.
«Von HRC habe ich wochenlang damals keine klare Aussage erhalten», erklärte Bradl. Und LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello wollte abwarten und dem Bayern am liebsten erst in Brünn oder Misano ein Angebot machen. «Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen», sagt Bradl rückblickend.
Als der deutsche MotoGP-Pilot klarmachte, er werde bei Forward unterschreiben und dort die Nachfolge von Aleix Espargaró antreten, fielen die Verantwortlichen bei HRC und LCR aus allen Wolken.
Stefan Bradl betonte damals, er halte das Forward-Paket für weitgehend ebenbürtig. Er vermutete, die Yamaha könne besser zu seinem Fahrstil passen, er wollte die Vorzüge der Open Class auskosten und gleichzeitig herausfinden, ob die neuen Honda-Factory-Fahrer Cal Crutchlow und Scott Redding in der Lage sein würden, die HRC-Sehnsüchte nach regelmässigen Top-Ten-Plätzen zu erfüllen.
Vorläufig haben die beiden Briten noch Anpassungsprobleme: Sie steuerten die Honda RC213V in Sepang auf die Ränge 11 und 17.
Bradl hütet sich vor übertriebenem Optimismus, aber er fühlt sich bestätigt, denn bei Forward hat er wieder die gewohnte Freude am Fahren gefunden. «Ich bin froh, dass wir jetzt keine unrealistischen Ziele mehr verfolgen wie 2014 und dass ich bei Forward trotz aller Professionalität wieder so eine lockere Herangehensweise gefunden habe», atmet Bradl auf.
Nach einem achten, siebten und neunten Endrang in der MotoGP-WM kann sich Bradl auch 2015 wieder Chancen auf einen Top-Ten-Rang ausrechnen.
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com zog der siebenfache GP-Sieger Stefan Bradl ein Resümee der ersten Sepang-Tests.
Stefan, du hast schon im November festgestellt, dass die Technikcrew bei Forward ausgezeichnete Arbeit leistet. Das hat sich jetzt in Malaysia bestätigt? Und Yamaha unterstützt dich vorbildlich?
Beim Material ist es so, dass wir Schritt für Schritt neuere Teile bekommen werden. Ich bin da nicht wirklich auf dem letzten Wissenstand. Aber wir haben ein 2014-Chassis, dazu frisch revidierte Motoren aus dem Vorjahr. Ich weiss nicht genau, wann die neuen Komponenten bei uns reinflattern.
Wir werden von Yamaha bis zum Katar-GP noch einige Updates kriegen. Zum Beispiel ein zweites 2014-Chassis, dazu 2015 Motoren, denke ich. Das wird bei den nächsten Tests alles eintrudeln. Zum Teil ist da noch einiges geheim, glaube ich. Aber natürlich haben wir keine Factory-Software und kein Seamless-Geteirbe. Das müssen wir hinnehmen.
Im Forward-Team fühlst du dich auf Anhieb wohl?
Ja, ich habe letztes Jahr schon beim zweiten Test in Jerez gemerkt, die Stimmung ist gut. Sie freuen sich, dass sie einen Top-Ten-Fahrer gekriegt haben. Ich bin vom Team sehr gut aufgenommen worden; die Umgangsweise ist locker, Teambesitzer Cuzari ist ein leidenschaftlicher Chef, er bringt gute Laune rein.
Ich habe bei Forward ein bisserl einen höheren Status als bei meinem ehemaligen Team, wo ich ständig unter Druck und meine Leistungen eigentlich nie zufriedenstellend waren, auch wenn sie gut ausgefallen sind.
Jetzt spüre ich nach einer guten Rundenzeit, dass ein gewisses Entgegenkommen und eine Begeisterung vom Team vorhanden ist. Die Umgangsart ist lockerer und familiärer.
Du bist schon vor dem ersten Rennen besser in der Yamaha-Familie integriert als bei HRC nach drei Jahren?
Ja, das hat sich auch am Donnerstagabend bei der Yamaha-Präsentation im Hotel Sama Sama gesehen. Da sind alle drei MotoGP-Teams von Yamaha auf die Bühne geholt worden, es wurden alle Yamaha-Fahrer vorgestellt. So einen gemeinsamen Auftritt hat es bei Honda nie gegeben. Man merkt, das Zusammenhalt bei Yamaha ist stärker, die Harmonie ist grösser.
Die Yamaha-Rennchefs Nakajima und Tsuji waren mehrmals in der Forward-Box zu sehen?
Ja, Masahiko Nakajima ist eigentlich jeden Tag vorbei gekommen. Er hat mich gefragt, wie es läuft und wie es mir geht. Er war sehr interessiert. Wir haben uns gut unterhalten, auch mit Kouchi Tsjui. Es macht Spass, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
In deiner Box sitzt permanent der japanische Yamaha-Ingenieur Takagi?
Ja, er überblickt im Hintergrund alles Daten und schaut, dass alles rund läuft. Am Ende des Tests hat er mich zu den Unterschieden zum alten Motorrad gefragt und ein paar Informationen von mir eingesammelt.
Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Auch die Zusammenarbeit mit den Elektronik-Spezialisten Dirk Debus und Tex Geissler funktioniert super. Das Team hat uns sogar aufgefordert, wir sollen untereinander Deutsch reden, damit wir uns besser verstehen.
Es wird deutlich mehr Deutsch geredet, als das in meiner MotoGP- Vergangenheit der Fall war.
Crew-Chief Sergio Verbena hat letztes Jahr Colin Edwards und nachher Alex De Angelis betreut. Er scheint viel von dir zu halten?
Ja, er kümmert sich sehr gut um alle technischen Angelegenheiten. Es schaut gut aus. Wir haben alles im Griff.
Bei LCR hättest du dir manchmal mehr Mitspracherecht in technischen Belangen gewünscht. Bei Forward ist das eine Selbstverständlichkeit?
Erstaunlich war zum Beispiel einmal, als er einen neuen Hinterreifen reinmachen wollte und ich sagte, ich möchte lieber mit dem alten weiterfahren. Da war die Diskussion sofort beendet. Sergio macht Vorschläge, die ich dann gutheissen und entscheiden kann. Das ist genau das, was ich brauche und wie ich es mir vorstelle. Ja, ich habe mehr Mitspracherecht.
Teambesitzer Giovanni Cuzari lobt die Zusammenarbeit mit Yamaha. Er lockt den Japanern immer wieder gutes Material heraus?
Ja, ich habe gemerkt, dass alles lockerer ist, da kann man auch mal einen Joke machen, was bei Honda ein bisschen schwierig war.
Aber ich will nicht dauernd Vergleiche mit der Vergangenheit anstellen. Es hat 2015 erst ein Test stattgefunden. Bisher ist es super gelaufen. Aber wir werden sicher auch irgendwann mit Problemen konfrontiert werden und Rückschläge hinnehmen müssen.
Dann wird die Zusammenarbeit auf die Probe gestellt. Aber der bisherige Eindruck ist äusserst positiv. Ich fühle mich gut.
Dein Wechsel wurde von manchen Fans als Abstieg wahrgenommen. Denn du hast eine Factory-Honda gegen eine Open-Yamaha getauscht. Aber im Grunde rechnest du mit ähnlichen Erfolgsaussichten wie 2014?
Absolut, ja. Das Forward-Team ist von hinten bis vorne gut aufgestellt. Ich habe einen Mechaniker mehr als früher, bei der Elektronik haben wir deutlich mehr Manpower als in der Vergangenheit. Jeder weiss, was er zu tun hat, es ist alles tadellos eingeteilt. Ich kann mich bei der Technik über nichts beschweren, es funktioniert alles.
Forward hat auch meinen Teamkollegen Loris Baz sehr gut unterstützt. Zweimal haben sie mich gebeten, ob ich ihm vorausfahren kann. Das war kein Problem für mich. Der Zusammenhalt ist generell recht gut.
Ich hoffe, dass das so bleibt. Es war sicher eine Genugtuung, beim ersten Test unter den Top-Ten zu sein.
Aber ich will nach dem ersten Test noch keine grosse Euphorie aufkommen lassen.