Jorge Martinez: «Neue Open-Honda hat viel Potenzial»
Der vierfache Weltmeister Jorge «Aspar» Martinez erlebte 2014 beim ersten Sepang-test eine herbe Enttäuschung, weil die neuen Open-Honda RCV1000R nicht konkurrenzfähig waren.
Sein Drive-M7-Fahrer Nicky Hayden lag damals am ersten Tag drei Sekunden zurück.
Dabei hatte HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto bei der Vorstellung des Motorrads in Valencia 2013 verkündet, Casey Stoner fahre mit diesem Bike in Motegi nur 0,3 sec pro Runde langsamer als mit der Werksmaschine.
Wie das ohne Seamless-Getriebe und ohne pneumatischen Ventiltrieb gehen sollte, verriet der Japaner nicht.
Nicky Hayden war sauer. «Sie meinten wohl, man verliert auf jeder kurzen Geraden 0,3 Sekunden», ätzte der MotoGP-Weltmeister von 2006 beim ersten Sepang-Test 2014. «Es fehlt an Speed.»
Inzwischen hat HRC den verunglückten Production-Racer ad acta gelegt. Die neuen Open-Bikes sind einfach die Factory-Maschinen von Repsol, LCR und Gresini aus dem Jahr 2014. Sie wurden einfach mit der Einheits-ECU ausgerüstet und haben deshalb kein Seamless-Getriebe.
«Es hing von den Rennstrecken ab, aber im Vorjahr haben wir je nach Länge der Geraden 18, 20 oder 24 km/h auf die besten Top-Speed-Zeiten eingebüsst», blickt Martinez zurück. Und für dieses Material bezahlte er rund 1,7 bis 1,8 Millionen Euro pro Fahrer.
Gegen das Yamaha-Open-Paket von Forward mit Aleix Espargaró hatte Honda 2014 keine Chance.
Auch das erste Kräftemessen 2015 verlief nicht besonders verheissungsvoll. Nicky Hayden landete in Sepang auf Platz 18, sein neuer Teamkollege Eugene Laverty auf Platz 24. Sie büssten 2,621 und 3,467 sec auf die Bestzeit ein.
Auf die beste Open-Yamaha (Stefan Bradl) fehlten Nicky Hayden saftige 1,214 Sekunden. Fazit: Es hat sich bei Honda im Vergleich zum Vorjahr bisher nicht viel zum Positiven geändert.
«Das neue Open-Honda-Motorrad unterscheidet sich stark zum Bike von 2014. Der Motor hat viel Power, die Aerodynamik ist identisch mit jener der Werksmaschinen 2014», stellte Jorge Martinez fest. «Es hat eine enorme Entwicklung stattgefunden. Wichtig ist, dass diese RC213V-RS über ein grosses Potenzial verfügt. Das Ziel meines Teams ist, die Open-Class zu gewinnen und unter den Top-Ten mitzufahren. Das ist eine realistische Option.»
Hayden fuhr 2015 nach drei Tagen in Sepang 2:01,508 min. Im Vorjahr landete er mit 2:01,514 min auf Rang 13.
Die Situation hat sich also nicht verbessert. Die Konkurrenz hat sich hingegen deutlich gesteigert.
«Natürlich sind die ersten sechs Piloten, die Werksfahrer von Honda, Yamaha und Ducati, um einen Level höher als wir», ist sich Martinez bewusst. «Da besteht ein deutlicher Unterschied. Hinter diesen sechs Piloten sind jedoch zehn Fahrer eng beisammen. Von Stefan Bradl bis zu Nicky ist der Abstand überschaubar. Er lag zeitweise nur sieben Zehntel vor uns. Das ist aufholbar. Forward-Yamaha hat den Vorteil, dass sie ein ähnliches Motorrad wie im Vorjahr haben, es gab keine grossartige Entwicklung. Wir stehen mit der neuen Open-Honda am Anfang. Das war unser erster Test mit diesem Motorrad. Der RC213V-Motor wurde zum ersten Mal mit der Einheits-ECU von Magneti Marelli bestückt. Deshalb brauchen wir viele Runden und viele Kilometer. Die neue ECU-Version hat meinem Team am ersten Tag viel Kopfzerbrechen gemacht. Die Open-Class wird hart umkämpft sein. Auch die Open-Ducati von Barbera ist sehr konkurrenzfähig.»
«2015 ist das letzte Jahr mit diesem verrückten System, also mit den Unterschieden zwischen Factory-Teams und Open-Class-Teams», stellte Martinez fest. «2016 haben alle die gleichen Voraussetzungen, das halte ich für wesentlich besser. Für mich ist sehr seltsam, dass Ducati bei vier Fahrern von den Open-Class-Vorteilen profitieren kann. Es sollte nur zwei Kategorien geben, Werksteams und Open-Teams. Dass Ducati als Factory-Team die Open-Privilegien nützen darf, verstehe ich nicht. Bei Neueinsteigern wie Suzuki und Aprilia kann man es noch hinnehmen... Klar, für das Spektakel sind die Open-Vorteile bei Ducati nützlich. Sie haben dadurch bessere Chancen auf Spitzenplätze.»
Trotzdem kann sich Martinez nicht vorstellen, dass Ducati 2015 Weltmeister wird. «Bei zwei Siegen dürfen sie nur noch 22 statt 24 Liter verwenden, bei drei Siegen verlieren sie die weichen Hinterreifen», gibt er zu bedenken. Doch er weiss: Diese Vorteile sind für die Roten nicht kriegsentscheidend.
Wichtiger ist, dass bei Ducati die Motorenentwicklung während der Saison nicht eingefroren ist und dass sie wie die Open-Teams zwölf statt fünf Motoren pro Fahrer verheizen können.
Martinez: «Ja, die zwei Liter und der Verlust der weichen Reifen würden Ducati nicht wehtun. Es verbraucht ja niemand im Rennen mehr als 22 Liter. Wir bei Honda kommen immer mit 22 Liter aus.»