MotoGP-Analyse: Wie stark sind die Gegner von Honda?
Wenn man die Testergebnisse vom Sepang-Test hernimmt und anhand dieser eine fiktive Startaufstellung erstellt, ist sie jener von der zweiten Hälfte der Saison 2014 sehr ähnlich.
Aber zum Glück gibt es einige Hinweise darauf, dass sich all das bis zum Beginn der Weltmeisterschaft 2015 noch ändern wird. Und ich sage nicht zum Glück, weil ich will, dass Marc nicht mehr gewinnt, sondern weil ich mehr Wettstreit zwischen den Fahrern sehen will.
Die Würfel für die Saison 2015 sind deshalb noch nicht gefallen, weil der technische Aspekt, der in der MotoGP sehr wichtig ist, noch sehr verändert werden kann und deshalb noch offen steht, wie sich die Kräfteverhältnisse verschieben.
Ausser Honda ist noch kein anderer Hersteller in Malaysia mit dem neuesten Material angereist. Bei Yamaha erwarten Fahrer und Techniker noch die «richtige» M1 von 2015. Diejenige, die in den Tests benützt wurde, ist nur eine Vorschau auf das, was bis zu Beginn der Saison noch kommt.
Bei Ducati war nicht einmal das der Fall. Die Bikes, die Andrea Dovizioso und Andrea Iannone fuhren, waren eine andere Version als jene von 2014. In diesem Fall hiessen sie GP14.3.
Bei Honda haben Márquez und Pedrosa währenddessen schon ihre 2015-Maschinen. Das hat den beiden geholfen zu sehen, was bis zum Saisonstart an ihren Motorrädern noch verändert werden muss.
Von nun an müssen Marc und Dani sich an die Bikes gewöhnen.
Honda startet also mit einem Vorsprung. Aber um zu sehen, wo jeder Fahrer steht, müssen wir die Situation der fünf offiziellen Marken genau analysieren: Honda, Yamaha, Ducati, Suzuki und Aprilia.
Honda: Eine Demonstration von Power
Der Einsatz von HRC in Sepang war spektakulär. Während andere Hersteller mit Aufgaben ankamen, die noch beendet werden mussten, hatte Honda schon im vorherein grossartige Arbeit geleistet. Zehn Bikes, und alle zehn wurden auf die Strecke gelassen. Darunter waren Factory-Bikes, dann Factory-Maschinen für die Kundenteams LCR (Crutchlow) und und Marc VDS (Redding), neue Open-Class Bikes für Hayden, Eugene Laverty, Miller und Abraham sowie Prototypen für die beiden besten Testfahrer Takahashi und Aoyama.
Und natürlich waren alle Motorräder eine 2015-Version.
Mit dieser Darstellung stand das Repsol-Team unangefochten an der Spitze. Stellen sie sich vor: In der Box von Márquez und Pedrosa standen bis zu sieben Bikes, die auf ihre Prüfung warteten. Marc durfte vier davon testen, Dani «nur» drei.
Marc Márquez hatte seine 2014-RCV, die RCV-2015, die er letzten November in Valencia getestet hatte, dazu eine veränderte Version seines Bikes und eine andere RCV-2015, die von den bisherigen ein wenig abwich und welche von den Technikern über den Winter gebaut worden war.
Ist das nicht spektakulär? Bei Pedrosa fehlte die Version des Motorrads der RVC-2015, die er in Valencia getestet hatte.
Nachdem einem sehr intensiven Test verliessen die Honda-Fahrer Sepang mit einem ziemlich genauen Plan, was sie in der kommenden Saison erwarten würde und worauf sie zu achten haben werden. In beiden Fällen, das gewählte Motorrad war das neueste; die Version von Valencia wurde komplett verabschiedet, weil dort das Bremsvermögen zu wünschen übrig liess.
Um die Charakteristiken der neuen Motorräder zu beschreiben, ist es am besten, die Fahrer selbst sprechen zu lassen. «Honda ist Honda», beschreibt Pedrosa mit einem Lächeln auf dem Gesicht. «Eine Honda muss laut der Firmen-Philosophie das schnellste Motorrad auf der Geraden sein. Danach muss man sich überlegen, wie man sie am besten durch die Kurve kriegt.»
Genau das war der Punkt, das Einbiegen in die Kurven, an dem Marc und Dani mehr arbeiten mussten. Beide beendeten den Test ziemlich zufrieden mit den Ergebnissen und stimmten überein, dass sich sie bei den nächsten Tests mit dem Hinterteilen ihrer Bikes befassen werden.
Yamaha: Warten auf das neue Nahtlose
Mich persönlich fasziniert es, wie Yamaha mit der Rivalität zu Honda umgeht. Durch Erfahrung wissen sie, dass sie mit dem Honda-Koloss nicht mithalten können. Nein, Yamaha kämpft nicht auf dem offenen Feld; sie kämpfen einen Guerilla-Krieg.
«Ich kenne Yamaha seit langer Zeit», erklärt Valentino Rossi den Journalisten in Sepang. «Die Philosophie von Yamaha ist es, kleine Schritte zu machen auf Basis dessen, was sie bereits haben. Sie bewegen sich langsam vorwärts. Dahinter steckt aber ein System, das es ihnen auch erlaubt, wieder einen Schritt zurück zu machen, wenn sie sich irren. Das ist die Art von Yamaha und das ist okay für mich.»
Während Honda wie ein Vulkan arbeitet, der aus dem Nichts ausbricht, folgt Yamaha einer Schritt-zu-Schritt-Strategie. Und wie die Geschichte zeigt, führen beide Arbeitsweisen zum Erfolg.
An der 2015 M1 waren bahnbrechenden Veränderungen zu sehen. Wir können sagen, dass sie eine Weiterentwicklung des 2014-Bikes der zweiten Saisonhälfte sind. Natürlich wurde die Elektronik erneuert; Rossi und Lorenzo testeten dazu in Sepang mit anderen Schwingen und bestimmt auch mit anderen Neuheiten, von denen wir nichts wissen. Insgesamt war der Auftritt der Yamaha okay, sie waren wettbewerbsfähig, aber es gab keine Überraschungen. Das bedeutete, dass Valentino und Jorge weiterhin mit den Hondas zu kämpfen haben, die zwei- bis drei Zehntel pro Runde schneller und deshalb in Malaysia nicht zu besiegen waren. Mit Ausnahme des zweiten Tages.
Das ist ein grosser Abstand, dessen sich die Techniker von Yamaha sehr wohl bewusst sind und gegen den sie den ganzen Winter über anzukämpfen versuchten. Wie Yamaha-Chefentwickler Kouichi Tsuji erklärte, soll dieser Unterschied mit dem Eintreffen des neuen nahtlosen Getriebes für den zweiten Sepang-Test behoben werden.
Es sieht so aus, als würde das neue Getriebe bei Prüfstandversuchen rund 2,2 Sekunden von den letztjährigen Renngesamtfahrzeiten wegfeilen. Wenn die Realität auf der Strecke den In-House-Tests gleichkommt, wird Yamaha Rossi und Lorenzo bald jene Werkzeuge geben, nach denen sie bei den Tests in Malaysia gefragt haben. Wir freuen uns darauf.
Und Yamaha-Projektleiter Tsuji weiss: Lorenzo und Rossi haben 2014 einige Rennen um weniger als 2,2 Sekunden an Honda und Márquez verloren.
Ducati: Warten auf die GP2015
Als Ducati in Sepang anreiste, lag ihr Fokus mehr auf dem zukünftigen GP15-Motorrad als auf den Tests selber. Aber nach den drei Testtagen, war die Atmosphäre bei den Italienern sehr optimistisch. Und das ist verständlich, weil es scheint, als hätten sie von den Tests wirklich profitiert. Mit einem Motorrad vom letzten Jahr, das einige Teile und Elektronik vom letztjährigen Bike aufwies, haben sie ihre Karten sehr schlau gespielt.
Vor allem in der zweiten Hälfte der letzten Saison schafften es Dovizioso und Iannone, das maximale Potenzial aus ihren Motorrädern zu holen. Mit einem weicheren Hinterreifen, den die Factory-Bikes von Honda und Yamahas nicht benutzen durften, konnten beide um die besten Rundenzeiten kämpfen.
Im richtigen Rennen ist es wichtig, dass der Rhythmus stimmt, aber dabei konnte sich Ducati im Vergleich zum letzten Jahr nicht deutlich genug steigern. Trotzdem konnten sie zum Schluss der Saison 2014 oft mit der Spitze mithalten, was medienwirksam war. Und das ist ja auch wichtig – für Eigentümer Audi und Sponsor Marlboro.
Die Ducati GP15 betreffend sagte Gigi Dall’Igna: «Wie du dir vorstellen kannst, kann ich dir nicht sagen, wie das neue Motorrad aussehen wird, aber ich kann verraten, dass der Motor kompakter sein wird und die Elektronik weiterentwickelt wurde... Es wird ein komplett neues Bike sein im Vergleich zum jetzigen.»
Die Neugier auf das neue Motorrad ist gross. Es wird am 16. Februar in Borgo Panigale vorgestellt. Nicht nur bei uns Journalisten und den Fans herrscht Neugier, auch bei Andrea Dovizioso und Andrea Iannone. Da Ducati diese Neugier spürt, planen sie eine aussergewöhnliche Präsentation im Werk, bevor das Motorrad auf die Rennstrecke kommt.
Suzuki: Die Suche nach Zuverlässigkeit
Die Suzuki-Techniker mögen wahrscheinlich nicht, was ich sage, aber in Sepang zeigten Aleix Espargaró und Maverick Viñales mehr, als in der neuen GSX-RR wirklich drinsteckt. Als ich Aleix’ Namen zwischendurch auf dem zehnten Platz gesehen habe mit einem Bike, das 20 km/h langsamer war als die Konkurrenz, ahnte ich, wie viel Energie die beiden Suzuki-Fahrer in den Sepang-Test gesteckt haben. Okay, ja, ich stimme darüber ein, dass die neue MotoGP-Maschine von Suzuki in anderen Bereichen sehr fortschrittlich ist, was die Schwäche in der Leistung teilweise kompensiert. Das wertet Rang 12 von Viñales auf, er landete unmittelbar hinter Cal Crutchlow. Ohne Zweifel hat Suzuki zwei sehr talentierte und engagierte Fahrer verpflichtet.
Suzuki kam mit einem deutlichen Motto nach Sepang: Sie wollten vermeiden, dass ihre Motoren den Geist aufgeben, wie es in Valenica und Jerez bei den Tests im November der Fall war. Zuverlässigkeit heisst die Priorität, deshalb widmeten sich die Ingenieure über den Winter diesen Problemen. Insider-Informationen zufolge wurden die Probleme aber bisher nicht behoben; deshalb musste die Motorleistung zurückgeschraubt werden. Ergebnis: Kein total kaputter Motor in Sepang. Aber Rauch war mehrmals zu sehen.
Suzuki geht engagiert mit dem neuen MotoGP-Projekt um, das wurde in Malaysia deutlich. Aleix hatte bis zu drei Bikes in seiner Garage. Nach den Tests flog er direkt nach Japan, wo er sich Windkanal-Tests unterzog, um ein aerodynamischeres Gefühl für den nächsten Test zu bekommen.
Bisher stehen beide Fahrer der aktuellen Situation positiv gegenüber. Sie verstehen, dass sie noch in der Entwicklungsphase stecken und wissen, dass eine positive Entwicklung des Bikes niemandem mehr am Herz liegt als Suzuki selbst. Der Schlüssel ist, diese Harmonie zu bewahren.
Aber sie wird von der Entwicklungsgeschwindigkeit von Suzuki abhängen, und das war bisher nicht die Stärke dieses Herstellers.
Wehe, das Timing der Fahrer nicht mit demjenigen der Techniker übereinstimmt. Warten wir ab, wie sich die Situation entwickelt.
Aprilia: Noch viel Arbeit zu leisten
Die Box von Aprilia Racing in Sepang befand sich ganz am Ende der langen Boxengasse – in meinen Augen, der beste Platz. Dort konnten sie nämlich in Ruhe arbeiten. Mit Romano Albesiano an der Spitze sandte Aprilia eine Crew nach Sepang, mit der sie zeigten, dass ihnen ihr MotoGP-Comeback am Herzen liegt.
In ihrer Garage standen zwei verschiedene Motorräder: Das eine, mit dem sie die November-Tests bestritten, jetzt mit pneumatischen Ventilen, und dazu ein neues Modell, mit dem die ersten Rennen gefahren werden sollen. Neues Chassis, neue Schwinge, neue Airbox, neuer Tank – das waren die Merkmale.
Wie gesagt, ein komplett neues Motorrad. Aber leider ein Fiasko. Als ich mit Alvaro Bautista darüber sprach, was an dem Motorrad nicht funktioniere, entgegnete er: «Nichts funktioniert, rein gar nichts... Es bewegt sich nicht und es stoppt nicht, wenn man bremst. Es funktioniert einfach nicht. Jemand hat das Motorrad mit einem Computerprogramm in der Theorie entwickelt, wie es den Regeln entsprechend sein sollte. Aber in der wirklichen Welt ist es unbrauchbar.»
Man könnte das zwar lauter sagen, aber nicht deutlicher.
Wie wir in Sepang gesehen haben, ist die Sensation bei Aprilia verbesserungsfähig. Bisher kämpfen Bautista und Melandri gegen sich selber – auf den Plätzen 21 und 28 und mit mehr als drei Sekunden Rückstand.