Jorge Lorenzo: Keine Yamaha-Alternative – aber 2017?
Jerez-Sieger Jorge Lorenzo
An guten Tagen gilt Jorge Lorenzo als unbesiegbar. Beim GP von Spanien 2015 dominierte der 28-jährige Mallorquiner die freien Trainings, das Qualifying und das Rennen. Er erzielte die erste Pole-Position seit Misano im September 2014 und den ersten Sieg seit Motegi im Oktober 2014.
Bei den ersten drei Rennen 2015 hatte der Movistar-Yamaha-Werkspilot hingegen nie den Sprung aufs Podest geschafft. Teamkollege Rossi hatte ihn dreimal besiegt.
Aber vor dem Jerez-Training hatten sich Yamaha und Lorenzo auf eine endgültige Vertragsverlängerung für 2016 geeinigt, Yamaha verzichtete auf die Ausstiegsklausel per Saisonende 2015, danach wirkte die Nummer 99 beschwingt und erleichtert. Er zeigte sich dankbar für diesen Vertrauensbeweis. «Yamaha hat auch in schlechten Phasen immer Vertrauen zu mir gehabt», stellte Lorenzo mit Freude fest.
«Jorge wird auch 2016 für Yamaha fahren», erklärte Lin Jarvis, Managing Diector von Yamaha Factory Racing. «Jorge und ich haben über die aktuelle Situation gesprochen: Er wollte bei uns bleiben, wir wollten ihn bei Yamaha halten. Also haben wir beschlossen, wir bleiben zusammen.»
Es existierte ohnedies ein Zwei-Jahres-Vertrag zwischen Yamaha Factory Racing und Lorenzo, der die Saison einschloss, aber er war nicht bindend, auch nicht von der Seite des Fahrers aus.
Als Lorenzo nämlich diesen Deal 2014 frühzeitig einging, hatte er noch einen Wechsel zu Ducati Corse im Hinterkopf, wo eigentlich Ende 2015 der Platz von Cal Crutchlow frei werden sollte. Und vor einem Jahr litt Jorge stark unter den starken Auftritten seines italienischen Teamkollegen Rossi. Ein Tapetenwechsel nach der Saison 2015 schien nicht ausgeschlossen.
Doch dann wechselte Cal Crutchlow statt Bradl zu LCR-Honda, er machte von seiner bis Ende Juli 2014 gültigen Ausstiegsklausel Gebrauch. Und Ducati Corse stattete danach Andrea Dovizioso und Andrea Iannone mit neuen Zwei-Jahres-Verträgen bis Ende 2016 aus.
Das heisst: Lorenzo hatte im Frühjahr 2015 keine Alternative zu Yamaha. Er setzte die Vernunftehe mit Yamaha fort.
Repsol-Honda hat für 2016 Márquez und Pedrosa unter Vertrag, Ducati Dovio und Iannone, Suzuki fährt fix mit Aleix Espargaró und Maverick Vinales weiter, Aprilia ist keine reizvolle Möglichkeit im Vergleich zum Yamaha-Werksteam.
Also entschieden sich Yamaha und Lorenzo zum Weitermachen für 2016.
Was dann geschieht, ist offen.
Lorenzo fährt seit seinem MotoGP-Einstieg 2008 bei Yamaha, er war 2010 und 2012 Weltmeister, 2016 wird seine neunte Yamaha-Saison sein.
In dieser Phase erlebte er Hochs und Tiefs. Die grössten Rückschläge erlebte Lorenzo 2013, als er sich in Assen und auf dem Sachsenring bei zwei Grand Prix hintereinander einen Schlüsselbeinbruch zuzog. Trotzdem gewann er in dieser Saison acht WM-Läufe und verlor den Titel nur um vier Punkte an Marc Márquez.
2014 blieb der junge Eindringling Márquez auf der Honda wieder erfolgreich, denn Lorenzo liess sich im Dezember 2013 dreimal operieren, kam im Februar mit 5 kg Übergewicht und konditionellen Mängeln zum ersten Test nach Sepang, er litt dann unter dem neuen hitzebeständigen Bridgestone-Hinterreifen und an dem giftigeren Yamaha-Motor, der sich mit dem neuen 20-Liter-Sprit-Limit im Frühjahr 2014 schwer tat.
Doch beim Mugello-GP 2014 war Lorenzo fahrerisch wieder auf der Höhe, er fuhr nach dem Sachsenring konstant aufs Podest, von Indy bis zum Sepang-GP kassierte er sogar mehr Punkte als Leader Marc Márquez, der in Misano, Aragón und Phillip Island stürzte.
Nach dem jüngsten Sieg in Jerez liegt Lorenzo auf dem dritten WM-Rang hinter Rossi und Dovizioso, aber vor Márquez.
In der Weltmeisterschaft 2015 ist alles offen.
Weltmeister Marc Márquez hat nur eines von vier Rennen gewonnen. Lorenzo, der Mann mit dem sanftesten Fahrstil, hat wieder Selbstvertrauen getankt.
Alles ist möglich. Mit dem 55. MotoGP-Sieg hat der Yamaha-Star in der Ewigen Bestenliste jetzt sogar den fünffachen 500-ccm-Weltmeister Mick Doohan übertroffen.
Und wir können jetzt schon gespannt auf die Saison 2016 sein. Dann wird Lorenzo entscheiden müssen, ob Yamaha seine Heimat bleibt – oder ob er bei Ducati eine neue Herausforderung sucht. Und auch alle anderen Stars müssen neue Verträge verhandeln.
Ducati-Renndirektor Gigi Dall'Igna zählt Jorge zu seinen Lieblingsfahrern. Lorenzo hat für ihn 2006 und 2007 zur Aprilia-Zeit die 250er-WM zweimal glanzvoll gewonnen.