Muss Dani Pedrosa 7,8 Millionen Steuern nachzahlen?
Dani Pedrosa
55 Prozent beträgt der Spitzensteuersatz in Spanien. Wer will es den Sportstars angesichts solcher Steuergesetze verübeln, wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland nehmen, in der Schweiz, in England oder zumindest im benachbarten Kleinstaat Andorra, der seine Untertanen fiskalisch ziemlich ungeschoren lässt.
Eine unzählige Reihe von italienischen und spanischen Motorsportsportlern ist in den letzten Jahren in die Steuerfalle getappt, weil ihnen die heimischen Steuerbehörden nachweisen konnten, dass sie im Ausland nur Schein-Wohnsitze unterhielten und der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Wahrheit weiter in der alten Heimat lag.
Jetzt hat es – das überrascht die Experten nicht sonderlich – den spanischen Repsol-Honda-Fahrer Dani Pedrosa erwischt.
Immer wieder machte Pedrosa seinen Wohnsitz in der französischen Schweiz geltend, aber er hat wohl mehr als die zulässigen 90 Tage im Jahr in Spanien verbracht und deshalb die Steuerpflicht in seiner Heimat verletzt. Dadurch geriet er ins Visier der Investigación Fiscal, der heimischen Steuerfahnder.
Jetzt berichten spanische Medien, Pedrosa befinde sich auf einer langen Liste von 4855 spanischen Steuersündern und stehe bei den Steuerfahndern mit genau 7,856.949,85 Millionen Euro in der Kreide.
Pedrosa liess inzwischen über seinen Anwalt David Gil Fernandez verlauten, er habe die Steuern nicht absichtlich hinterzogen. Es wird sich wohl um ein Versehen handeln... Es wird jetzt noch verhandelt, ob Pedrosa wirklich 7,8 Millionen Euro nachzahlen muss oder ob er mit den Behörden einen Deal aushandeln kann wie einst Valentino Rossi.
Prominente Landsleute wie Carlos Checa und Sete Gibernau wohnten einst in England oder in der Schweiz, es gab immer wieder Ärger.
Vor ziemlich genau einem Jahr gingen in Spanien die Wogen hoch, als Marc Márquez seinen Hauptwohnsitz aus Steuergründen nach Andorra verlegen wollte.
«Ich bin jetzt 21 Jahre alt und habe immer bei meinen Eltern gelebt, jetzt habe ich wie so viele junge Leute beschlossen, mein eigenes Zuhause aufzubauen», sagte der Spanier damals.
Als in Spanien ein Sturz der Entrüstung hochging, machte Márquez seine Auswanderungspläne bis auf weiteres rückgängig.
«Ich zahle meine Steuern in Spanien und werde das auch nächstes Jahr tun», versicherte er im Dezember 2014. Andorra habe er als künftiges Domizil ausgewählt, weil er dort schon viele Winter verbracht habe und auch im Sommer manchmal dort trainiert habe.
Die Aussage, er versteuere weiter in Spanien, wird Márquez vielleicht bereuen, wenn er in Spanien seine Steuerrechnung für die Saison 2015 bezahlen muss. Er wird 10 bis 12 Millionen Euro verdient haben und wohl rund 6 Mio an den Fiskus abführen müssen.
Rund 6,5 Millionen bekommt der aktuelle WM-Dritte von HRC. Dazu kommen Einnahmen von Alpinestars-Leder, Shoei-Helmets und anderen persönlichen Sponsoren (Red Bull, Estrella Galicia 0,0, Uhrenfirma, Sonnenbrillen) und Erfolgsprämien.
Das heisst: In Andorra würde er maximal 500.000 Euro (5 Prozent) oder im schlimmsten Fall 1 Million bezahlen, der spanische Fiskus hingegen wird ihm ca. 5 bis 6 Millionen Euro abnehmen.
So mancher Rennfahrer würde schon für ein kleineres Sümmchen gern sein Elternhaus verlassen.
Und wenn sich Márquez nicht so tolpatschig anstellt wie 2007 Valentino Rossi, hat er als Andorra-Bewohner nichts zu befürchten.
Er muss nur nachweisen, dass der Mittelpunkt seines Lebensinteresses nicht mehr in Cervera/Spanien liegt.
Bei Rossi fiel dieser Nachweis schwer. Er hatte in London eine möblierte 45-Quadratmeter-Wohnung gemietet, die er angeblich gemeinsam mit seinem Manager Gibo Badioli feudal bewohnte.
Aber die italienischen Steuerfahnder machten in der Nähe von Tavullia zwei Villen und fünf Autos ausfindig, die Rossi zugerechnet wurden, dazu eine Yacht in Gabicce Mare – samt Besatzung.
Valentino sollte plötzlich rund 65 Millionen Steuern nachzahlen. Da verging ihm für ein paar Wochen das Lachen. Er einigte sich mit der Guardia di Finanza auf einen Deal, er lieferte rund 20 Millionen ab – und versprach Besserung.
Steueroptimierung, umstrittene Wohnsitze – das ist bei Spitzensportlern und anderen Prominenten ein leidiges Kapitel.
Immer wieder werden Promis ertappt, weil sie nicht ausreichend oft in ihrem Steuerdomizil zu sehen sind.
Biaggi, Capirossi, Waldmann, Bayliss, Corser und Eugene Laverty leben und lebten in Monte Carlo, manche bekamen Ärger, andere nicht.
Viele DTM-Stars geniessen in der Schweiz die Vorzüge der Pauschalbesteuerung, dazu die Formel-1-Stars Schumacher, Vettel, Räikkönen und Sutil, Hamilton ist wieder weggezogen.
Ich würde jedenfalls lieber im Tessin meinen Wohnsitz aufschlagen wie Jorge Lorenzo oder in der französischen Schweiz, wo vor Dani Pedrosa auch Sete Giberbau und Casey Stoner steuerschonend hausten. Das wäre für mich von der Lebensqualität sicherlich reizvoller als im Zwergstaat Andorra mit der Hauptstadt Andorra del Vella, der in einem Hochtal der Pyrenäen liegt und 65 Berggipfel jenseits der 2000-Meter-Grenze hat.
Der Staat hat kein eigenes Militär, dafür unzählige Briefkästen, er erstreckt sich nur über 468 Quadratkilometer und hat 76.000 Einwohner. Dafür kommen bis zu 12 Millionen Touristen im Jahr, zum Skifahren oder zum Einkauf von billigen Spirituosen, Tabakwaren oder Kosmetika.
Schon vor 15 Jahren liessen sich in Andorra die ersten GP-Fahrer nieder, zum Beispiel Garry McCoy, Simon Crafar und Chris Vermeulen. Seither haben etliche Rennfahrer wie Pol und Aleix Espargaró sowie Bradley Smith diese Steueroase mit ihren Tausenden Briefkastenfirmen als Domizil gewählt, sogar GP-Mechaniker, denn es gibt dort keine Einkommenssteuer, nur eine 5-Prozent-Gewinnsteuer für Unternehmen und eine Steuer in gleicher Höhe für Gesellschaften (und Briefkastenfirmen).
Auch die GP-Teams entwickeln viel Fantasie bei der Auswahl ihrer Niederlassungen, von San Marino über Tessin, Monte Carlo und Luxemburg – die Kennzeichen der Lkw und Teamautos sprechen oft Bände.
Schweiz und Österreich sind beliebt
Aber diese eigenwillige Mobilität der Steueroptimierer beschränkt sich beileibe nicht auf den Motorsport. Radprofi Jan Ullrich zog es schon zu aktiven Zeiten in den Thurgau an die Gestade des Bodensees, auch Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin wohnt dort sowie unzählige DT-Stars, Tennis-Ass Michael Stich und Ralf Schumacher liessen sich in Salzburg nieder, DTM-Haudegen Timo Scheider lebt in Vorarlberg und der britische Radsprinter Mark Cavendish auf der Insel Man, wo er übrigens gern mit Cal Crutchlow radelt, der ebenfalls steuersparend auf der Insel lebt.
Muss man Sportler verteufeln, die ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene bringen?
Nein, so lange sie sich an die gesetzlichen Vorgaben halten.
Wenn Weltkonzerne wie Metro, Ikea und Apple alle möglichen fiskalischen Schlupflöcher nützen und in Irland, Zypern, Malta oder den Niederlanden versteuern, indem sie mit Hilfe so genannten «Patentboxen» ihre Milliardengewinne über merkwürdige Lizenzgebühren an Offshore-Tochtergesellschaften verschieben, solange soll Marc Márquez auch seine Millionen in Andorra bunkern.
Als Serien-Weltmeister tut er genug für den spanischen Staat und für die vier Grand Prix auf spanischem Boden.
Klar, der spanische Staat hat die Schulausbildung des Champions finanziert. Doch Marc hat die Kosten für seine neun Schuljahre in den letzten Jahren durch seine Steuerbelastung finanziell längst abgegolten.
Und vielleicht sollten sich ein paar andere europäische Länder Österreich zum Vorbild nehmen. Dort hat der Skiverband vernünftige Steuerdeals für alle Athleten ausgehandelt, weil sie ja nur fünf oder zehn Jahre lang wirklich aussergewöhnlich gut verdienen.
Deshalb ist bisher kein rot-weiss-roter Skifahrer nach Andorra, in die Schweiz, Monte Carlo oder auf die Insel Man ausgewandert.