Stefan Bradl zur Elektronik: «Vertrauen aufbauen»
Stefan Bradl in der Aprilia-Box beim Jerez-Test im November
Stefan Bradl (26) ist gesundheitlich abgeschlagen. Der Aprilia-Werkspilot laboriert seit eineinhalb Wochen an einer Mandelentzündung. «Da hat es mich voll erwischt – mit Fieber und Schüttelfrost. Zuerst wurde ich mit Antibiotika behandelt; als es mir besser ging, wurden sie abgesetzt. Am Samstag bin ich eine 15 km-Jogging-Runde gelaufen. Aber vor drei Tagen habe ich einen Rückfall gehabt. Es ist zwar nicht mehr so schlimm, ich habe nur Schluckbeschwerden und fühle mich schlapp und müde. Ich lasse das jetzt über die Weihnachtsfeiertage richtig ausheilen.»
Während Mike di Meglio am 21./22. Januar noch in Jerez testete, ist Stefan Bradl bereits neugierig auf das neue Motorrad und den neuen Motor, den er ab 1. Februar in Sepang testen wird.
Stefan, momentan herrscht viel Unzufriedenheit und Ungewissheit wegen der neue Einheits-Elektronik. Wie schlimm ist die Situation für die Fahrer im Vergleich zur besten aktuellen Factory-Software? An der APX-Software von Aprilia hattest du ja nichts auszusetzen?
Ja, es ist bei den letzten Tests in Valencia und Jerez im November schon ein deutlicher Unterschied spürbar gewesen. Besonders wenn du in einem Bereich fährst, wo es um die letzten paar Zehntel geht. Da ist diese ECU einfach bei weitem nicht so akkurat und nicht so feinfühlig abgestimmt wie die APX von Aprilia oder das bekannte System, das ich bei LCR hatte.
Wir haben bei Aprilia bisher nicht viele Kilometer mit der Marelli abgespult. Es ist schon einmal ein Schritt nach vorne, wenn wir von der bisherigen Variante die Einstellungsmöglichkeiten passend machen und sie verfeinern.
Wenn neue Updates von Marelli kommen, wird das auch hilfreich sein. Aber das Gute ist, dass wir bei den Tests im neuen Jahr ausschliesslich mit der Marelli-ECU fahren werden. Ich denke, dass wir da beim dreitägigen Sepang-Test im Februar schon auf ein Level kommen, bei dem wir sagen können: Ja, jetzt kann ich ein Vertrauen aufbauen. Dort werden wir sicher vorwärts kommen.
Ich wäre jedoch gern schon im November mehr mit der neuen ECU gefahren. Aber es mussten halt auch Michelin-Tests gemacht werden.
Der Vorteil gegenüber dem ersten Halbjahr 2015, als du diese Software bei Forward verwenden musstest: Jetzt haben auch die Werksteams die Nachteile dieser Motorensteuerung in Kauf zu nehmen?
Ja, ausserdem ist jetzt für mich bei Aprilia ein anderer Background vorhanden, was die Mapower betrifft. Als Werksteam will Aprilia jetzt auch mit dieser Software zurechtkommen. Bei Forward habe ich Dirk Debus und Tex Geissler gehabt, die haben wirklich rotiert, um diese ECU in den Griff zu kriegen.
Bei Aprilia sitzen zehn Elektroniker im Hintergrund, die sich mit dieser Motorsteuerung beschäftigen. Es wird also von Anfang an eine deutlich bessere Basis vorhanden sein, die ECU wird besser funktionieren.
Bei Aprilia ist wegen Marelli niemand berunruhigt. Die Italiener hoffen vielleicht sogar, durch die Einheits-Elektronik würden Honda und Yamaha ein paar Vorteile einbüssen.
Das weiss ich nicht, ob das klappt. Das ist eine Frage, die ich jetzt nicht beantworten kann. Honda und Yamaha haben viel Erfahrung, wie man so eine Elektronik abstimmt. Sie werden alles daran setzen, möglichst viel Input in die neue ECU zu stecken. Aber wie schnell die Japaner das hinkriegen und wie sehr sie sich mit den Italienern rumärgern müssen, das kann ich nicht beurteilen.
Manche Experten glauben, Ducati werde dank des Inputs der Japaner beim Spritverbrauch profitieren. Deshalb beschwert sich bei Ducati niemand über Marelli.
Das kann ich nicht einschätzen. Wir durften ja bei Aprilia in der Saison 2015 bis zu 24 Liter verbrauchen, sind aber immer mit 22 durchgekommen. Und 22 Liter sind auch für 2016 vorgeschrieben – jetzt für alle.