Vendetta 2016: Valentino Rossis Blutrache?
Geht der Kampf zwischen Valentino Rossi und Marc Márquez 2016 in die zweite Runde?
Die Motoren laufen wieder auf Hochtouren, es ist eine Zeit der Veränderungen in der MotoGP-Klasse. Die größten Veränderungen stehen uns auf technischer Seite bevor: eine neue Einheitselektronik und neue Michelin-Reifen. Ein großes Abenteuer.
Doch die vielleicht wichtigste Änderung scheint zunächst so unschuldig. Künftig sind die bereits von fast allen Fahrern verwendeten Rückenprotektoren Pflicht. Vielleicht ging es den MotoGP-Gesetzgebern nicht nur um einen einfachen Aufprallschutz. 2016 sollten die besten Fahrer wohl für eine stichsichere Ausrüstung sorgen.
Persönliche Feindschaften, die sich über den Winter kaum abgekühlt hatten, wurden neu entfacht. Falls sich überhaupt irgendein Gegner wieder beruhigt hatte, goss Rossi schon wieder Öl ins Feuer – bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bot.
Das tat er bei der Präsentation des Yamaha-Teams, obwohl Rennchef Lin Jarvis und FIM-Boss Vito Ippolito ihre Forderung nach Respekt erst kürzlich erneuert hatten. Von der immer eifrigen italienischen Presse angestachelt, wiederholte Rossi nachdrücklich seine Behauptung, Márquez habe die gesamte Saison lang Groll gehegt und absichtlich seine Titelchance vernichtet. Er blockierte ihn in Australien, stand ihm in Malaysia im Weg und weigerte sich dann, Lorenzo in Valencia zu überholen, um seinem Landsmann den Titel zu sichern.
Dies beschwor neue gründliche Analysen, als ob noch jemand eine gebraucht hätte, des «Hat Rossi Márquez in Sepang getreten»-Arguments herauf. Hondas Daten, mit denen der Presse verlockend vor die Nase herumgewedelt wurde, um sie dann doch im letzten Moment wieder wegzuziehen, liegen nun auf Eis. Als ob sie überhaupt etwas hätten beweisen können. Auch Rossis Widerspruch gegen die Bestrafung wurde zur letzten Ruhe gebettet.
Nur für das Protokoll: Natürlich hat er ihn nicht getreten. Doch er verursachte seinen Sturz durch ein außergewöhnliches Blockierungsmanöver. Letztendlich kostete ihn das seine letzte Chance auf eine ehrfurchtgebietende Rückkehr als Titelträger. Es hätte keine klarere Darstellung davon geben können, wie ihn seine eigene Frustration überwältigte.
Márquez saß als unfreiwilliger Passagier in diesem führerlosen Zug. Doch er begann, sein Gepäck aus dem Fenster zu werfen. Während der Zeit der andauernden Verwirrungen versuchten seine Leute eifrig, den «Ballast» abzuwerfen wie den Vertrag mit Rossis Firma VR46, welche die Fanartikel für MM93 produzierte.
Doch diese Geschichte hat nicht nur zwei Seiten. Rossis Gezanke schloss auch seinen Yamaha-Teamkollegen Jorge Lorenzo ein, der durch seine öffentliche Schuldigsprechung von Rossi in Malaysia seinen eigenen Beitrag leistete, und dann die Frechheit besaß, die Krone zu erobern.
Es ist eine unheilige Dreifaltigkeit, diese Feindschaft könnte sich sehr einfach zu Gunsten anderer Fahrer auswirken. Zwei kommen einem dabei sofort in den Sinn, die es bisher schafften, sich herauszuhalten: Dani Pedrosa, dem der Titel schon so lange immer wieder versagt blieb, und der aufstrebende Andrea Iannone, wenn Ducati sich weiter steigern kann. Dann ist da noch das Suzuki-Duo, vor allem Viñales, und Crutchlow in seinem zweiten Honda-Jahr. Dovizioso auch, da er sich gegen seinen Teamkollegen behaupten will. Zudem laufen Ende 2016 fast alle Verträge aus.
In anderen Worten: Vendetta oder nicht, in dieser Situation steckt noch viel großartiger Rennsport.
Doch das wichtigste Element der Saison 2016 wird nicht sein, wer wen hasst oder wer den widerstandsfähigsten Rückenprotektor hat, sondern wer sich am schnellsten anpasst. Was die Techniker betrifft, sind es meist jene, welche die größten finanziellen Ressourcen haben. Doch es ist nicht immer so, wie Yamaha schon einige Mal gegenüber Honda bewiesen hat.
Wie aussagekräftig der erste Test war, ist unklar. Fahrer die Rossi und Márquez wird die Stärke nachgesagt, schnell neue Wege zu finden, um eine solche Nuss zu knacken. Sie können Probleme umfahren. Lorenzo hat einen anderen Ruf, bei ihm muss alles stimmen, bevor er diese unglaublichen Runden fahren kann. Bei Pedrosa ist es ähnlich. Bei Iannone ist noch ungewiss, ob er die Fähigkeit zur schnellen Anpassung besitzt. Viñales ist der Außenseiter, ein unbeschriebenes Blatt.
Es ist noch zu früh, um daraus endgültige Schlüsse zu ziehen. Doch ich sage, dass die Anzeichen für eine zweite epische Saison sehr vielversprechend sind.