Aprilia: Was Stefan Bradls Probleme verursachte
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com erläuterte Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano den Zeitplan bis zum Saisonauftakt. Und er sprach offen über die Probleme mit der Elektronik und über die Nachteile eines kleinen Herstellers in der Königsklasse.
Die Werksfahrer Stefan Bradl und Alvaró Bautista schlossen den Sepang-Test auf den Rängen 18 und 21 ab.
Romano, du hast mir im Herbst verraten, dass ihr den neuen Aprilia-V4-Motor mit der gegenläufigen Kurbelwelle Ende November erstmals auf dem Prüfstand laufen lassen wollt. Konnte dieser Zeitplan eingehalten werden?
Nein, es ist zu einer Verzögerung gekommen. Das ist normal im Rennsport. Manche Teile von Zulieferfirmen hatten Verspätung. Also haben wir jetzt einen noch engeren Zeitplan als vorgesehen. Aber er ist immer noch machbar. Wir haben alles unter Kontrolle, würde ich sagen. Wir bringen in drei Wochen zwei neue Bikes nach Doha für einen ersten privaten Test.
Wie groß war die Verzögerung beim ersten Prüfstandtest mit dem neuen RS-GP 16-Motor?
Vier Wochen. Er ist zwischen Weihnachten und Neujahr erstmals gelaufen.
Gab es Kinderkrankheiten?
Wenn du ohnedies schon Verspätung hast, ist es wichtig, dass du von Kinderkrankheiten verschont bleibst. Deshalb haben wir die Daumen gedrückt... Bisher haben wir nur ganz kleine Probleme.
Testfahrer Mike di Meglio will einen Shake-down-Test mit der neuen Werksmaschine in Aragón machen?
Ja, am 10. und 11. Februar. Nachher werden wir beim privaten Test in Katar zwei neue 2016-Werksmaschinen haben, eine für Stefan, eine für Alvaró. Im Moment ist nicht geplant, dass wir auch di Meglio zu diesem privaten Test mitnehmen.
Am ersten Tag in Sepang kamen Bautista und Bradl wenig zum Fahren. Du warst verärgert, weil es Probleme mit der Elektronik gab?
Ich bin nicht sicher, dass es an der Elektronik lag.
Wir haben eine Konfiguration, wo einige Teile des neuen Motors auch schon beim alten Triebwerk zum Einsatz kommen. Jetzt haben wir Probleme mit dem Benzindruck. Die Probleme könnten dadurch verursacht werden.
Wir müssen jetzt herausfinden, wie die unterschiedlichen Probleme zusammenhängen.
Wir müssen noch mehr Wissen über die neue Elektronik sammeln. An der Motorsteuerung selbst liegt es nicht unbedingt.
Aber wir haben uns entschieden, ein paar Experimente mit den neuen Teilen zu machen. Aber im Moment haben wir mit diesen neuen Teilen wenig Freude. Deshalb überlegen wir, ob wir zu den alten Teilen des 2015-Motors zurückkehren, um die Situation zu vereinfachen.
Am ersten Tag lag es aber ganz simpel auch daran, dass in der Motorsteuerung nicht genug Daten von den November-Tests eingespeist waren?
Ja. Weil wir ein neues System haben, das nichts mit Marelli zu tun hat, es geht hier um einen unterschiedlichen Benzindruck und ein neues Einlass-System. Das hat sich auf dem Prüfstand alles problemlos gestaltet. Auch auf dem dynamischen Prüfstand hat es tadellos funktioniert. Aber in der praktischen Erprobung auf der Rennstrecke haben wir noch gewisse Probleme bei der Kraftentfaltung. Das kann an den neuen Teilen liegen, die uns Vorteile der Gewichtsersparnis bringen, auch bei der Spitzenleistung. Aber die Kontrolle des Drehmoments und die Leistungsentfaltung lassen zu wünschen übrig.
Also müssen wir eventuell einen Schritt zurück machen, dann alles besser verstehen, dann können wir den nächsten Schritt nach vorne machen.
Habt ihr einen Teil dieses Schritts zurück beim Sepang-Test machen können?
Ja, einen Teil dieser Schritt haben wir Dienstag und Mittwoch in Sepang vorgenommen.
Wäre es besser gewesen, im November mehr Runden mit der neuen ECU von Marelli zu drehen? Um die Reifenentwicklung hätten sich ja auch die anderen Teams kümmern können?
Hm. Für mich ist es die wichtigste Aufgabe, den Fahrern Vertrauen zu den Reifen zu geben.
Man erinnert sich ja an das Desaster beim Test in Valencia nach dem WM-Finale. Deshalb war es mein Ziel, dass unsere Fahrer aus Sepang mit etwas mehr Vertrauen zu den Michelin-Reifen abreisen. Sie sollten das Vertrauen wieder zurückgewinnen. Wenn uns das gelungen ist, bin ich happy.
Was die Elektronik betrifft, bin ich überzeugt, dass wir diese Probleme lösen können. Vielleicht eine Woche oder ein Rennen später. Aber das wird nicht das größte Problem darstellen.
Aber wenn unsere Fahrer kein Vertrauen zu den Reifen finden, verlieren wir die ganze Saison.
Die Fahrer können das Vertrauen aber auch wegen einer unberechenbaren Elektronik verlieren. Stefan Bradl hat das in der ersten Saisonhälfte 2015 bei Forward erlebt.
Oh, ja, das verstehe ich. Aber bei der Motorsteuerung ist es so: Sobald du dem Fahrer ein besseres System gibst, findet er sofort das Vertrauen wieder zurück. Aber wenn du die Maschine mit Vollgas in eine Kurve wirfst und nicht einschätzen kannst, wie die Reifen reagieren, dann wird es mühsam.