Cal Crutchlow: «Die Elektronik beansprucht viel Zeit»
Cal Crutchlow
Nach dem Sturz beim MotoGP-Saisonauftakt in Doha/Katar braucht LCR-Honda-Pilot Cal Crutchlow auf dem Circuito Termas de Rio Hondo dringend WM-Punkte.
In Katar hatte seine Elektronik verrückt gespielt, sie wusste nie, auf welchem Streckenabschnitt sich die Honda befand, deshalb passte das Set-up der Traction-Control nicht.
«Wir können niemanden beschuldigen, aber es war unmöglich, das Bike im Rennen zu beherrschen», sagte Crutchlow vor dem ersten Training in Argentinien. «Das war natürlich enttäuschend. Eine Schande. Meine Rennpace wäre gut gewesen... «Wir müssen positiv bleiben, das Weekend hier in Argentinien kann eine ganz andere Story werden. Unser Motorrad funktioniert in einigen Punkten ganz gut, in anderen Bereichen weniger gut.»
«In Katar wussten wir schon eine Stunde nach dem Rennen, wo das Problem lag. Aber wir können jetzt nicht sagen, ob es wieder auftreten wird oder nicht. Es lag nicht grundsätzlich am System, es lag eher an einem Code, der ins System programmiert wurde. Aber alle Honda Fahrer hatten denselben Code, ich hatte einfach Pech.»
Das deutet darauf hin, dass Crutchlow ein ähnliches Problem hatte wie Laverty 2015 in Katar und Bradl in Jerez. In der MotoGP-Klasse müssen nämlich die Bikes seit dem Saisonstart 2015 vor dem Rollen auf den Startplatz abgestellt werden, dann werden die Fahrer von einem Mechaniker auf die menschenüberfüllten Startplätze geschoben. So sollen Zusammenstösse vermieden werden.
Die Motorsteuerung verfügt über eine Recovery-Strategie, die merkt, dass das Motorrad mit stehendem Motor eine gewisse Strecke geschoben wurde. Beim Abstarten des Motors vor der Warm-up-Lap sollte sich die ECU dann neu orientieren; falls dieses System streikt, verliert das Motorrad die Orientierung. Eine Schwachstelle bei Magneti-Marelli, die offenbar immer noch nicht ausgemerzt wurde.
«Es ist ein Lernprozess, den wir momentan mit unserer neuen Elektronik, mit dem Motorrad und dem neuen Motor durchmachen», seufzte Cal.
Und er gab auf die konkrete Anfrage zu, dass genau dieses Problem aufgetaucht war. «Nach der Besichtigungsrunde haben wir den Motor abgestellt. Nachher hat das Bike nie mehr gewusst, in welcher Kurve und in welchem Sektor es sich befindet.»
Aber Cal hat seinen Humor nicht verloren. «Mein Crew-Chief Beefy Bourguignon hat gesagt, wir müssen am Freitag im FP1 ein paar Dinge probieren. Ich habe entgegnet: Einverstanden, aber nur, wenn ich nicht wieder das selbe Mapping kriege wie im Rennen in Katar...»
Was sagt Cal zum Konflikt Rossi gegen Márquez, der immer wieder neu aufflammt? Und was sagt der Brite zu den Anfeindungen der Fans, denen sich Márquez ausgesetzt sieht?
«Ich will dazu nichts Falsches sagen. Ich behalte meine Meinung lieber für mich. Solche Rivalitäten gibt es auch in unseren Sportarten. Vielleicht spielt sich das dort nicht so deutlich gegen eine einzelne Person ab. Mir gefällt das nicht, aber natürlich lässt sich das nicht stoppen und nicht beeinflussen. Jeder Fan kann selbst entscheiden, welchen Sportler er unterstützt und wen nicht.»
Viele Fans haben Marc Márquez extrem übel genommen, was er 2015 in Sepang und Valencia aufgeführt hat. Das war den ganzen Winter über in den sozialen Medien zu spüren, es wird sich auch bei etlichen Grand Prix zeigen, denn die Mehrheit der Fans steht ganz klar auf der Seite von Rossi.
Crutchlow: «Gibt nicht viel, auf das ich mich freuen kann»
Cal Crutchlow hat im ersten Jahr bei Honda einige Illusionen verloren. «Vor einem Jahr dachte ich noch, ich könne jetzt die Welt erobern», grinste er. «Aber jetzt kann ich nicht behaupten, ich hätte für das kommenden Wochenende ein paar Trümpfe im Ärmel. Wir haben keine neuen Teile, aber vielleicht hat das Werksteam ein paar neue Informationen zur Elektronik, die sie uns weitergehen. Die Honda hat letztes Jahr hier gut funktioniert. Aber jetzt sind wir auf Michelin. Es gibt nicht viel, auf das ich mich momentan freuen kann...»
Im November sagten Fahrer wie Rossi und Pedrosa, die Einheits-ECU sei ein Schritt zurück in die Jahre 2008 oder 2009.
Wie schätzt Cal das Marelli-Zeug jetzt ein? Crutchlow: «Ehrlich gesagt, ich hatte dieses System vor sieben Jahr Jahren in der Supersport-WM und fast eine ähnliche Motorsteuerung nachher in der Superbike-WM 2010. Das waren sehr ähnliche Werkzeuge. Unser Elektronik-Ingenieur sagt, in anderen Meisterschaften kann man mit der ECU bessere Dinge machen als jetzt in der MotoGP. Aber ich muss sagen, es arbeitet recht anständig. Wir verstehen die Traction-Control, wir kommen mit der Motorbremse ein bisschen schlechter zurecht, aber das ist eine Frage der Zeit. Bei Ducati klappte mit dieser ECU alles perfekt. Irgendwann kann diese Elektronik recht gut funktionieren. Wir müssen das erlernen – und das dauert seine Zeit. Bei Honda war es halt schwieriger, weil wir einen neuen Motor haben und uns gleichzeitig mit der Elektronik anfreunden mussten. Honda braucht mehr Zeit, um diese ECU zu verstehen. Die Lernphase dauert insgesamt länger als geplant. Die Factory-Software bei Honda 2105 war viel, viel besser. Das kann ich euch versichern.»